In seinem neuen Roman beschreibt Alfred Neven DuMont sensibel und eindringlich eine von Unverständnis und Schuldzuweisungen belastete Beziehung zwischen Vater und Sohn. Erst als sich beide der Vergangenheit stellen, finden sie einen Weg zueinander.
Karl, Anfang vierzig, ist gerade in den Vorstand seiner Bank aufgestiegen, er ist glücklich in der Ehe mit der jüngeren Marie und liebt seine beiden Töchter über alles. Ein Leben auf der Überholspur, nichts scheint ihn aufhalten zu können, als plötzlich sein Vater auftaucht. Der Vater, den er dreizehn Jahre lang für tot gehalten hat und der sich nun auf eine gerade zu unheimliche Weise seines Lebens zu bemächtigen beginnt. Er demontiert nicht nur die glänzende Gegenwart, er zwingt den Sohn auch zu einer Auseinandersetzung mit der Vergangenheit - einer Vergangenheit, die Karl jahrelang verdrängt hat.
Karl, Anfang vierzig, ist gerade in den Vorstand seiner Bank aufgestiegen, er ist glücklich in der Ehe mit der jüngeren Marie und liebt seine beiden Töchter über alles. Ein Leben auf der Überholspur, nichts scheint ihn aufhalten zu können, als plötzlich sein Vater auftaucht. Der Vater, den er dreizehn Jahre lang für tot gehalten hat und der sich nun auf eine gerade zu unheimliche Weise seines Lebens zu bemächtigen beginnt. Er demontiert nicht nur die glänzende Gegenwart, er zwingt den Sohn auch zu einer Auseinandersetzung mit der Vergangenheit - einer Vergangenheit, die Karl jahrelang verdrängt hat.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 02.12.2011Zeit zur
Versöhnung
In Alfred Neven DuMonts zweitem
Roman leistet ein Vater Abbitte
„Noch nie war mein Leben so sorgenfrei verlaufen wie jetzt.“ – Die Bilanz, die Karl an seinem 42. Geburtstag zieht, könnte kaum positiver sein: Er ist mit einer liebevollen Frau verheiratet, Vater von siebenjährigen Zwillingsmädchen, und die Bank, in der er arbeitet, hat ihn gerade als jüngstes Mitglied in den Vorstand aufgenommen. Karl ist daher mit seinem Leben vollauf zufrieden, sieht großzügig darüber hinweg, dass er etwas mehr auf seine Gesundheit achten müsste und stellt sich beim Blick in den Spiegel selbst das Zeugnis aus, „durchaus eine vorstandstaugliche Erscheinung“ zu sein. Vor allem aber genießt er das Gefühl seiner Unabhängigkeit, sein Schicksal selbst bestimmen zu können.
Doch noch am selben Abend wird Karls kleine spießige Idylle ins Wanken gebracht: Auf einmal steht sein Vater Josef, den Karl seit 13 Jahren für tot hielt, im Hausflur. Als ein Schreckgespenst nimmt Karl diese unverhoffte Erscheinung wahr, die ihm zum Geburtstag gratuliert, als ob nichts wäre, und Fragen nach den letzten Jahren nur ausweichend beantwortet. Über die Rückkehr des alten Mannes, der sich in seinem Haus einnistet, ist Karl alles andere als begeistert. Hat er doch seine Kindheit als eine Zeit der Unterdrückung durch den strengen und unnahbaren Vater in Erinnerung, dem er obendrein die Schuld am Tod der geliebten Mutter gibt. Die Nachricht vom Tod des Vaters empfand Karl damals so sehr als Befreiung, dass er es nicht einmal über sich brachte, an der Beerdigung teilzunehmen. Nun aber sieht Karl alte Kriegsbeile wieder zum Vorschein kommen, die er für längst begraben hielt.
Die Macht der Väter über ihre Kinder, die sich selbst durch den Tod nicht brechen lässt. Das ist das Thema von „Vaters Rückkehr“, dem zweiten Roman des Kölner Zeitungsverlegers Alfred Neven DuMont, der erst 2009 im reifen Alter von 82 Jahren als Romancier debütierte. Davon, dass Neven DuMont die Spannungen zwischen einem Übervater und seinen Kindern nicht fremd sind, zeugte bereits ein Erzählstrang seines ersten Romans „Reise zu Lena“. Darin wehrte sich ein alter Mann gegen die immer dreister werdenden Versuche seines Sohnes, ihn als Familienoberhaupt zu ersetzen. Die autobiographischen Hintergründe dieses Machtkampfes wurden spätestens offenkundig, als die ständigen Querelen zwischen dem Firmenpatriarchen und seinem Sohn Konstantin 2010 damit endeten, dass der Junior von allen Aufgaben im Familienverlag entbunden wurde.
Neven DuMonts neuer Roman greift den Generationskonflikt wieder auf, vollzieht jedoch einen bemerkenswerten Positionswechsel. Konsequent wird die Perspektive des Sohnes eingenommen, der sich als Identifikationsfigur für den Leser anbietet. Das nötigt zunächst einmal Respekt ab: Sich auszumalen und niederzuschreiben, wie ein Sohn seinem Vater dessen fast militärischen Kontroll- und Disziplinierungswahn, seine Lieblosigkeit und absichtliche Erniedrigungen vorwirft, dürfte dem Autor mit Sicherheit nicht leicht gefallen sein.
Der beschriebene Konflikt hat es wahrlich in sich: Für Karl erweist sich das Auftauchen des Vaters als desillusionierende Erfahrung. Er begreift, dass er sich in Wahrheit nie vom väterlichen Einfluss gelöst hat. Das Schlimmste für ihn ist jedoch, dass der verhasste Vater seine Familie und seine Kollegen in der Bank durch Freundlichkeit und Charme für sich einnimmt. Ein gütiges Auftreten zeichnet ihn aus, das Karl zunächst nicht mit seinen Erinnerungen in Einklang bringen kann. Allerdings stellen sich diese Erinnerungen immer mehr als fehlerhaft heraus. In dem Maße, wie der Vater seine Sicht der Dinge darlegen kann, werden Karls Vorwürfe entkräftet. Im Rückblick erscheint sein Verhalten dem Vater gegenüber als das eigentlich ungerechte.
Neven DuMont geht es jedoch nicht um eine Umkehrung der Schuldzuweisung. Der Grundton seines Romans ist trotz der Härte der Auseinandersetzung durchweg versöhnlich. Über allem steht die Bitte des Vaters um eine vorbehaltlose Vergebung: „Ich möchte Frieden, das ist alles“, erklärt er seinem Sohn.
In der Beschreibung des schwierigen, nicht geradlinig verlaufenden Versöhnungsprozesses liegt die größte Stärke von „Vaters Rückkehr“. Stilistisch leistet sich Neven DuMont dagegen einige Unsauberkeiten. Seine Figuren neigen bei Dialogen dazu, in eine gestelzte Sprache zu verfallen, die kaum in dieses Jahrhundert zu gehören scheint. Auch die Symbolik wird zuweilen arg strapaziert, etwa wenn Karl, der es mit der ehelichen Treue nicht allzu genau nimmt, mit einer Kollegin schläft. Dass Karl dieser Dame besser nicht vertrauen sollte, hat man bis dahin eigentlich schon verstanden, ohne dass der Autor sie noch explizit mit einer Schlange, einer Sirene und einer Spinne vergleichen müsste. Insgesamt aber zeigt sich Neven DuMont literarisch wesentlicher gefestigter als bei seinem Debütroman und hält das Rätsel, ob der Vater eine Geistererscheinung aus dem Jenseits ist oder tatsächlich all die Jahre im Verborgenen gelebt hat, raffiniert in der Schwebe.
MARIUS NOBACH
ALFRED NEVEN DUMONT: Vaters Rückkehr. Roman. Verlag Hoffmann und Campe, Hamburg 2011. 160 Seiten, 17,99 Euro.
Der Generationskonflikt
dürfte gerade diesem Autor
nicht fremd sein
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Versöhnung
In Alfred Neven DuMonts zweitem
Roman leistet ein Vater Abbitte
„Noch nie war mein Leben so sorgenfrei verlaufen wie jetzt.“ – Die Bilanz, die Karl an seinem 42. Geburtstag zieht, könnte kaum positiver sein: Er ist mit einer liebevollen Frau verheiratet, Vater von siebenjährigen Zwillingsmädchen, und die Bank, in der er arbeitet, hat ihn gerade als jüngstes Mitglied in den Vorstand aufgenommen. Karl ist daher mit seinem Leben vollauf zufrieden, sieht großzügig darüber hinweg, dass er etwas mehr auf seine Gesundheit achten müsste und stellt sich beim Blick in den Spiegel selbst das Zeugnis aus, „durchaus eine vorstandstaugliche Erscheinung“ zu sein. Vor allem aber genießt er das Gefühl seiner Unabhängigkeit, sein Schicksal selbst bestimmen zu können.
Doch noch am selben Abend wird Karls kleine spießige Idylle ins Wanken gebracht: Auf einmal steht sein Vater Josef, den Karl seit 13 Jahren für tot hielt, im Hausflur. Als ein Schreckgespenst nimmt Karl diese unverhoffte Erscheinung wahr, die ihm zum Geburtstag gratuliert, als ob nichts wäre, und Fragen nach den letzten Jahren nur ausweichend beantwortet. Über die Rückkehr des alten Mannes, der sich in seinem Haus einnistet, ist Karl alles andere als begeistert. Hat er doch seine Kindheit als eine Zeit der Unterdrückung durch den strengen und unnahbaren Vater in Erinnerung, dem er obendrein die Schuld am Tod der geliebten Mutter gibt. Die Nachricht vom Tod des Vaters empfand Karl damals so sehr als Befreiung, dass er es nicht einmal über sich brachte, an der Beerdigung teilzunehmen. Nun aber sieht Karl alte Kriegsbeile wieder zum Vorschein kommen, die er für längst begraben hielt.
Die Macht der Väter über ihre Kinder, die sich selbst durch den Tod nicht brechen lässt. Das ist das Thema von „Vaters Rückkehr“, dem zweiten Roman des Kölner Zeitungsverlegers Alfred Neven DuMont, der erst 2009 im reifen Alter von 82 Jahren als Romancier debütierte. Davon, dass Neven DuMont die Spannungen zwischen einem Übervater und seinen Kindern nicht fremd sind, zeugte bereits ein Erzählstrang seines ersten Romans „Reise zu Lena“. Darin wehrte sich ein alter Mann gegen die immer dreister werdenden Versuche seines Sohnes, ihn als Familienoberhaupt zu ersetzen. Die autobiographischen Hintergründe dieses Machtkampfes wurden spätestens offenkundig, als die ständigen Querelen zwischen dem Firmenpatriarchen und seinem Sohn Konstantin 2010 damit endeten, dass der Junior von allen Aufgaben im Familienverlag entbunden wurde.
Neven DuMonts neuer Roman greift den Generationskonflikt wieder auf, vollzieht jedoch einen bemerkenswerten Positionswechsel. Konsequent wird die Perspektive des Sohnes eingenommen, der sich als Identifikationsfigur für den Leser anbietet. Das nötigt zunächst einmal Respekt ab: Sich auszumalen und niederzuschreiben, wie ein Sohn seinem Vater dessen fast militärischen Kontroll- und Disziplinierungswahn, seine Lieblosigkeit und absichtliche Erniedrigungen vorwirft, dürfte dem Autor mit Sicherheit nicht leicht gefallen sein.
Der beschriebene Konflikt hat es wahrlich in sich: Für Karl erweist sich das Auftauchen des Vaters als desillusionierende Erfahrung. Er begreift, dass er sich in Wahrheit nie vom väterlichen Einfluss gelöst hat. Das Schlimmste für ihn ist jedoch, dass der verhasste Vater seine Familie und seine Kollegen in der Bank durch Freundlichkeit und Charme für sich einnimmt. Ein gütiges Auftreten zeichnet ihn aus, das Karl zunächst nicht mit seinen Erinnerungen in Einklang bringen kann. Allerdings stellen sich diese Erinnerungen immer mehr als fehlerhaft heraus. In dem Maße, wie der Vater seine Sicht der Dinge darlegen kann, werden Karls Vorwürfe entkräftet. Im Rückblick erscheint sein Verhalten dem Vater gegenüber als das eigentlich ungerechte.
Neven DuMont geht es jedoch nicht um eine Umkehrung der Schuldzuweisung. Der Grundton seines Romans ist trotz der Härte der Auseinandersetzung durchweg versöhnlich. Über allem steht die Bitte des Vaters um eine vorbehaltlose Vergebung: „Ich möchte Frieden, das ist alles“, erklärt er seinem Sohn.
In der Beschreibung des schwierigen, nicht geradlinig verlaufenden Versöhnungsprozesses liegt die größte Stärke von „Vaters Rückkehr“. Stilistisch leistet sich Neven DuMont dagegen einige Unsauberkeiten. Seine Figuren neigen bei Dialogen dazu, in eine gestelzte Sprache zu verfallen, die kaum in dieses Jahrhundert zu gehören scheint. Auch die Symbolik wird zuweilen arg strapaziert, etwa wenn Karl, der es mit der ehelichen Treue nicht allzu genau nimmt, mit einer Kollegin schläft. Dass Karl dieser Dame besser nicht vertrauen sollte, hat man bis dahin eigentlich schon verstanden, ohne dass der Autor sie noch explizit mit einer Schlange, einer Sirene und einer Spinne vergleichen müsste. Insgesamt aber zeigt sich Neven DuMont literarisch wesentlicher gefestigter als bei seinem Debütroman und hält das Rätsel, ob der Vater eine Geistererscheinung aus dem Jenseits ist oder tatsächlich all die Jahre im Verborgenen gelebt hat, raffiniert in der Schwebe.
MARIUS NOBACH
ALFRED NEVEN DUMONT: Vaters Rückkehr. Roman. Verlag Hoffmann und Campe, Hamburg 2011. 160 Seiten, 17,99 Euro.
Der Generationskonflikt
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Beachtlich findet Rezensent Marius Nobach diesen zweiten Roman des Zeitungspatriarchen Alfred Neven Dumont, den er als ein weiteres Kapitel in der Geschichte des Dumont'schen Familiendramas gelesen hat. Während Neven Dumont in seinem ersten Roman noch die Geschichte eines Vaters erzählt hat, der unter seinem unfähigen Sohn leidet, schreibt er nun die Geschichte eines Sohnes, der unter seinem angeblich herrischen, lieblosen und kontrollsüchtigen Vater leidet. Auch wenn sich der schreckliche Vater als Hirngespinst des Sohnes herausstellt - in Wahrheit ist er freundlich und charmant. sieht Nobach den Roman vom Grundton der Versöhnung getragen, das findet er sehr respektabel, und so verzeiht er selbst dem Autor auch die vielen stilistischen Schnitzer und gestelzten Dialoge.
© Perlentaucher Medien GmbH
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"... kein Skandalroman, sondern 'nur' eine exzellent gebaute, anspruchsvolle Vater-Sohn-Geschichte." Augsburger Allgemeine, 24.12.2011