Ein Buch über vieles andere, nur Venedig selbst kommt zu kurz
Was mich eigentlich bei diesem Buch sehr irritiert, sind der Titel „Venedig“, also wohl die Stadt gemeint, der Untertitel „Bon di, Venezia cara“, also ein deutlicher Hinweis, dass sich das Buch wohl mit venezianisch-italienischen
Dingen beschäftigen wird und die Erkenntnis nach dem Lesen, dass sich zwischen einem Drittel und der…mehrEin Buch über vieles andere, nur Venedig selbst kommt zu kurz
Was mich eigentlich bei diesem Buch sehr irritiert, sind der Titel „Venedig“, also wohl die Stadt gemeint, der Untertitel „Bon di, Venezia cara“, also ein deutlicher Hinweis, dass sich das Buch wohl mit venezianisch-italienischen Dingen beschäftigen wird und die Erkenntnis nach dem Lesen, dass sich zwischen einem Drittel und der Hälfte des Inhalts mit Österreich und Österreicher sowie Deutschen und Deutschland befasst. Das habe ich so in der Form eigentlich aufgrund des Titels nicht erwartet. Das fällt auch gleich im Namensregister auf – rund 500 Namen, mindestens die Hälfte, wenn nicht mehr, die nicht Italienisch sind. Und etliche Seiten beziehen sich nicht auf die Stadt Venedig, wie der Titel suggeriert, sondern auf das Festland, also das Veneto! Beispiel – Kapitel „Bergamo“. Oder bei „die Bohne und der Papst“ schreibt Tötschinger selbst „…aber weil das mit dem Veneto nichts zu tun hat, wollen wir auch nicht mehr davon sprechen…“
Dazu kommt aus meiner Sicht, ein gewisses planloses Schreiben Tötschingers. Er fängt mit einem Kapitel oder Text an, kommt dann vom hundertsten ins tausendste, setzt sehr oft voraus, dass der Leser mit einem hingeworfenen Satz etwas anfangen kann, was aber sehr oft dann doch nicht der Fall ist. An etlichen Stellen hatte ich das Gefühl, da fehlt jetzt aber eine Ergänzung, eine Klärung des Geschriebenen – die eben nicht erfolgte. Beim Lesen hatte ich das Gefühl, Tötschinger fand ein paar Notizen oder einen Artikel zu einem Thema, dass irgendwie mit Venedig (oder eben dem Veneto) zu tun hat („Albrecht Dürer“, „Der Retter von Wien“ u.a.) und schrieb halt‘ dann ein Kapitel dazu. Irgendwie manchmal nicht ganz nachvollziehbar, nicht zusammenhängend. Und eben im Grunde sehr viel, was mit dem Titel „Venedig“ nur im Entfernten zu tun hat, oft mit dem Veneto. Aber das Veneto, das Festland, ist nicht Venedig – dann hätte Tötschinger einen anderen Titel wählen müssen.
Auch sind mir auf den ersten Blick einige Fehler aufgefallen: Die Adria hat den Namen nicht von Kaiser Hadrian, sondern, vereinfacht, er hat ihn von dem bereits bestehenden Namen Adria erhalten; die doppelte Buchhaltung ist erstmals in Genua nachgewiesen und vom Toskaner Dantini verfeinert worden – Venedig kommt in der Entstehungsgeschichte gar nicht vor; Belluno war seit Anfang des 15. Jahrhunderts zu Venedig gehörend und nicht, wie Tötschinger meint, „einst zum Veneto gehörend“; auch nicht zutreffend, dass der Ausdruck Bankrott, ital. Banca rotta, seine Ursprung in Venedig gehabt hätte; aus dieser, sage ich mal, schlampigen Recherche des Autors schließe ich, dass weitere Ungenauigkeiten in diesem Buch nicht auszuschließen sind und es daher deutlich an Glaubhaftigkeit einbüßt.
Was das Schönfärbeln anbelangt, bin ich schon vorsichtiger mit meiner Meinung. Denn die Geschichte zeigt, dass je nach dem, von welcher Seite aus man Dinge betrachtet, es für den einen „rot“ und für den anderen „schwarz“ erscheinen mag. Was ich aber dem gesamten Buch sicher nicht abstreite, ist eine gewisse sprachliche Färbung des Wiener Autors. Möglich, dass man in Wien Venedig als Vorzimmer oder Salon der k.k. Österreicher sah (oder noch sieht) – ich bin Salzburger und da liegen 300 Kilometer und Mentalitäten dazwischen! Schade, denn ich weiß aus anderen Büchern Tötschingers, dass er sehr wohl gut und fundiert schreiben kann.