Dass Venedig die Form eines Fisches hat, sieht jeder, der auf eine Landkarte schaut.
Tiziano Scarpa lädt uns ein, diesen Wunderfisch mit allen Sinnen zu entdecken - deshalb schreibt er nicht über Venedig, sondern darüber was mit uns in Venedig passiert. Die Kapitel lauten: Füße, Beine, Herz, Gesicht, Ohren, Mund, Nase, Augen. Wir erfahren, warum man sich in Venedig unbedingt verirren sollte, weshalb die Stadt als Kulisse für Liebeserklärungen ungeeignet ist und wieso Venedigs Schönheit hochgradig gesundheitsgefährdend ist.
Scarpa wirft viel vom Bildungsballast, der auf Venedig lastet, ins Meer und sorgt dafür, dass man über diesen wunderlichen Venedig-Fisch auf ganz neue Art ins Staunen gerät.
Tiziano Scarpa lädt uns ein, diesen Wunderfisch mit allen Sinnen zu entdecken - deshalb schreibt er nicht über Venedig, sondern darüber was mit uns in Venedig passiert. Die Kapitel lauten: Füße, Beine, Herz, Gesicht, Ohren, Mund, Nase, Augen. Wir erfahren, warum man sich in Venedig unbedingt verirren sollte, weshalb die Stadt als Kulisse für Liebeserklärungen ungeeignet ist und wieso Venedigs Schönheit hochgradig gesundheitsgefährdend ist.
Scarpa wirft viel vom Bildungsballast, der auf Venedig lastet, ins Meer und sorgt dafür, dass man über diesen wunderlichen Venedig-Fisch auf ganz neue Art ins Staunen gerät.
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Rezensent "Pa." hat sich an diesem "sinnlichen Spaziergang" durch Venedig samt der darin enthaltenen unorthodoxen Ratschläge sehr gefreut. Komponiert habe Tiziano Scarpa sein "originelles Venedig-Porträt" entsprechend der neun Sinnesorgane. Jawohl, neun, da "Pa." zufolge bei Scarpa entsprechend zu den üblichen Rezeptionswerkzeugen die Füße und Beine, das Herz und das Gesicht hinzukommen. Leider enthält uns der Rezensent das genaue Funktionieren der neuen Sinnesorgane in Scarpas speziellem Fall vor. Scarpa fabuliert, dass dem Leser Hören und Sehen vergeht, freut sich der Rezensent, zumal es dabei wohl auch noch jede Menge spannender Stadt-Informationen gibt.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.06.2002NEUE REISEBÜCHER
Für die Tasche. Venedig ist die Stadt, in der Straßen nach Verbrechen benannt sind, die Plätze Namen drittklassiger Heiliger tragen und eine Brücke Kaugummi heißt. Venedig versinkt nicht im Meer, es zerbröselt und bröckelt langsam in sich zusammen, weswegen Passanten ständig Gefahr laufen, von herabfallenden Fensterläden erschlagen zu werden - oder von Katzen, die liebestoll vom Balkon springen. Sex und Stuhlgang sind öffentliche Praktiken in Venedig, da es nur wenige Schlupfwinkel bietet.
Tiziano Scarpa enthüllt einige davon (und vor allem deftige Details) in seinen kurzen Essays zur Lagunenstadt. Er hat Venedig wie ein Arzt auf Herz, Ohren, Beine und Nase geprüft und erteilt nun sinnliche Ratschläge. "Werde zum Fuß", schlägt er dem Reisenden vor, um sich Venedigs Bodensatz zu erlaufen, um die abgewetzten Brückenstufen, in Kirchenböden eingelassene Bronzetafeln, die ganze Stadt mit den Zehen zu erkunden. Oder mit den Fingern und geschlossenen Augen, denn "Venedig ist ein ununterbrochener Handlauf in Blindenschrift". Basreliefs und Inschriften empfiehlt Scarpa abzutasten, Statuen, Sockel und Simse und vor allem die Rudergabel der Gondeln, fórcola genannt, die "fest ist und sich zugleich bewegt: eine Bewegung, aus dem Blickwinkel der Unbeweglichkeit erzählt".
Es ist vielleicht nicht die allerneueste Idee, eine Stadt als Körper und mit dem Körper zu begreifen. Scarpa aber erzählt lebendig von einem zu Tode beschriebenen Ort, dessen Geschichte mit einer gestohlenen Leiche beginnt, den Gebeinen des heiligen Markus: "Venedig wurde auf einem Kadaver gegründet." Auf Bonmots folgen bei Scarpa oft Zoten, getreu der venezianischen Maxime Se se vol rìdar, bisogua discórar de merda - wer lachen will, muß über Scheiße sprechen. Das liegt nahe bei einer Stadt aus Kanälen und Abwasser.
tob.
Tiziano Scarpa: "Venedig ist ein Fisch", Wagenbach Verlag Berlin 2002, 9,90 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Für die Tasche. Venedig ist die Stadt, in der Straßen nach Verbrechen benannt sind, die Plätze Namen drittklassiger Heiliger tragen und eine Brücke Kaugummi heißt. Venedig versinkt nicht im Meer, es zerbröselt und bröckelt langsam in sich zusammen, weswegen Passanten ständig Gefahr laufen, von herabfallenden Fensterläden erschlagen zu werden - oder von Katzen, die liebestoll vom Balkon springen. Sex und Stuhlgang sind öffentliche Praktiken in Venedig, da es nur wenige Schlupfwinkel bietet.
Tiziano Scarpa enthüllt einige davon (und vor allem deftige Details) in seinen kurzen Essays zur Lagunenstadt. Er hat Venedig wie ein Arzt auf Herz, Ohren, Beine und Nase geprüft und erteilt nun sinnliche Ratschläge. "Werde zum Fuß", schlägt er dem Reisenden vor, um sich Venedigs Bodensatz zu erlaufen, um die abgewetzten Brückenstufen, in Kirchenböden eingelassene Bronzetafeln, die ganze Stadt mit den Zehen zu erkunden. Oder mit den Fingern und geschlossenen Augen, denn "Venedig ist ein ununterbrochener Handlauf in Blindenschrift". Basreliefs und Inschriften empfiehlt Scarpa abzutasten, Statuen, Sockel und Simse und vor allem die Rudergabel der Gondeln, fórcola genannt, die "fest ist und sich zugleich bewegt: eine Bewegung, aus dem Blickwinkel der Unbeweglichkeit erzählt".
Es ist vielleicht nicht die allerneueste Idee, eine Stadt als Körper und mit dem Körper zu begreifen. Scarpa aber erzählt lebendig von einem zu Tode beschriebenen Ort, dessen Geschichte mit einer gestohlenen Leiche beginnt, den Gebeinen des heiligen Markus: "Venedig wurde auf einem Kadaver gegründet." Auf Bonmots folgen bei Scarpa oft Zoten, getreu der venezianischen Maxime Se se vol rìdar, bisogua discórar de merda - wer lachen will, muß über Scheiße sprechen. Das liegt nahe bei einer Stadt aus Kanälen und Abwasser.
tob.
Tiziano Scarpa: "Venedig ist ein Fisch", Wagenbach Verlag Berlin 2002, 9,90 Euro.
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