Wenn wir Venedig sagen, denken wir sofort an eine dramatisch schöne Stadt, wie nicht ganz von dieser Welt. Über die Jahrhunderte hat sie einen Nimbus erlangt, der zur Begegnung aufruft. Binnen Minuten kann man hier im Überschwang der Farben zwischen Architektur und Meer, zwischen Kunst und Muße hin- und herwechseln, halb orientalisch, halb abendländisch behaucht. »Der schönste Salon Europas« (Napoleon) ist immer ein bisschen wie ein Traum, zumal seine Einzigartigkeit in den Fluten der Lagune zu verschwinden droht.Man hofft, ein Stück von diesem Sehnsuchtsort mit sich zu entführen. Dies gilt besonders für die Dichter, die von jeher versuchten, dem Geheimnis Venedigs auf den Grund zu kommen, das Besondere durch Sprache zu besingen oder einfach in einer dämmerigen Gasse ein intimes »verweile doch« zu finden. DER VENEZIANISCHE TRAUM bringt die Stimmen zusammen, die sich von Venedigs Verführungskünsten inspirieren ließen. Von Goethe bis in die Gegenwart.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.01.2016Vorbei an Christo und weit über ihn
Nur eine in die Luft gebaute Stadt, sagte mal jemand, könne Venedig noch übertreffen. Das im Wasser geborene Gesamtkunstwerk regt seit je die Dichter zu Hymnen im hohen Ton an. Aber die Serenissima kann ihre Morbidezza, die Schattenecken schlecht leugnen, und das fordert die Poeten ebenso heraus. Die von Tom Schulz und Ron Winkler gewählten Gedichte changieren in sämtlichen Tonarten zwischen Euphorie und Abgesang. So weiß Rose Ausländer: "Mein Venedig versinkt nicht", während Rolf Hochhuth gegen die kolonialen Quellen der einstigen Großmacht wettert, wenn er deren Dom San Marco eine "Räuberhöhle" nennt: "was dort Kunst ist, ist gestohlen." Die früheste Stimme gehört Goethe, der in deutlichen Worten seinen erotischen Abenteuern den Leib der Lagunenstadt danebenhält. Man bewundert die Dichter in ihrem offenkundigen Selbstbewusstsein, dem vielen, was über Venedig geschrieben wurde, noch Ungesagtes hinzufügen zu können. Aber es gelingt so überzeugend, dass es dem Leser nicht einmal über wird, wenn es nochmals um Wasser, Licht und Spiegelungen geht. Als fixe Größen der Stadt touren verliebte Paare, die Tauben oder Tizian übers lyrische Parkett, um schon auf den nächsten Seiten Gegenspieler anzutreffen - Liebeskummer, Überfütterer oder Tintoretto. Auch dass die Gondolieri sich heute schon mal mit Außenbordmotoren das Leben erleichtern und im schrillen "Gesangston verbrauchter Tenöre" das Dichterohr nerven, bleibt nicht unerwähnt.
bsa
"Venedig. Der venezianische Traum. Gedichte" herausgegeben von Tom Schulz und Ron Winkler. Verlag Schöffling & Co, Frankfurt 2015. 200 Seiten, zahlreiche Fotos. Gebunden, 14,95 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Nur eine in die Luft gebaute Stadt, sagte mal jemand, könne Venedig noch übertreffen. Das im Wasser geborene Gesamtkunstwerk regt seit je die Dichter zu Hymnen im hohen Ton an. Aber die Serenissima kann ihre Morbidezza, die Schattenecken schlecht leugnen, und das fordert die Poeten ebenso heraus. Die von Tom Schulz und Ron Winkler gewählten Gedichte changieren in sämtlichen Tonarten zwischen Euphorie und Abgesang. So weiß Rose Ausländer: "Mein Venedig versinkt nicht", während Rolf Hochhuth gegen die kolonialen Quellen der einstigen Großmacht wettert, wenn er deren Dom San Marco eine "Räuberhöhle" nennt: "was dort Kunst ist, ist gestohlen." Die früheste Stimme gehört Goethe, der in deutlichen Worten seinen erotischen Abenteuern den Leib der Lagunenstadt danebenhält. Man bewundert die Dichter in ihrem offenkundigen Selbstbewusstsein, dem vielen, was über Venedig geschrieben wurde, noch Ungesagtes hinzufügen zu können. Aber es gelingt so überzeugend, dass es dem Leser nicht einmal über wird, wenn es nochmals um Wasser, Licht und Spiegelungen geht. Als fixe Größen der Stadt touren verliebte Paare, die Tauben oder Tizian übers lyrische Parkett, um schon auf den nächsten Seiten Gegenspieler anzutreffen - Liebeskummer, Überfütterer oder Tintoretto. Auch dass die Gondolieri sich heute schon mal mit Außenbordmotoren das Leben erleichtern und im schrillen "Gesangston verbrauchter Tenöre" das Dichterohr nerven, bleibt nicht unerwähnt.
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"Venedig. Der venezianische Traum. Gedichte" herausgegeben von Tom Schulz und Ron Winkler. Verlag Schöffling & Co, Frankfurt 2015. 200 Seiten, zahlreiche Fotos. Gebunden, 14,95 Euro.
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»Man bewundert die Dichter in ihrem offenkundigen Selbstbewusstsein, dem vielen, was über Venedig geschrieben wurde, noch Ungesagtes hinzufügen zu können.« Frankfurter Allgemeine Zeitung