Zum Autor/Herausgeber: Dr. Andrea Gottang studierte Kunstgeschichte, Neuere deutsche Literaturwissenschaft und Volkskunde an den Universitäten in Kiel und Wien. Ihre Dissertation wurde mit dem Staatlichen Preis der Philosophischen Fakultät der Christian-Albrecht-Universität zu Kiel ausgezeichnet. Die Autorin ist als wissenschaftliche Assistentin an der Ludwig-Maximilians Universität München tätig. Erste umfassende Studie zum Umgang mit der antiken Geschichte in der venezianischen Malerei zwischen 1680 und 1760. Das Interesse der Venezianer an der antiken Historie wird vor dem politischen und geistesgeschichtlichen Hintergrund der Zeit erklärt. Die Autorin analysiert ausgewählte Zyklen, deren Ikonographie und Ikonologie und erläutert die Beziehung der Oper und Schauspielkunst.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.10.1999Durchgewatet, er ist ganz seicht
Die venezianischen Maler des achtzehnten Jahrhunderts trennte kein großer Kanal von der Antike / Von Andreas Beyer
Venedig ist eine der wenigen italienischen Metropolen, die sich keines antiken Ursprungs rühmen können; ihr legendäres Gründungsdatum fällt in das Jahr 421 nach Christus. Dennoch pries Andrea Palladio, als er sich um 1570 für die Stelle des obersten Baumeisters der Lagunenstadt zu empfehlen suchte, in seinen "Vier Büchern zur Architektur" die Stadt als einziges Beispiel, das von der Herrlichkeit der Römer geblieben sei. So folgenlos diese Schmeichelei bleiben sollte, so formelhaft beherrscht sie das venezianische Städtelob. Nicht zuletzt in ihrer republikanischen Verfassung hat sich die Stadt als Erbin Roms begriffen und schon deshalb auf ihrer antiken Herleitung bestanden, so wie die großen Familien der Serenissima stets auf ihrer - freilich nur mit Wagemut rekonstruierbaren - römischen Abstammung bestanden haben. Wo nichts ist, hilft die Behauptung, und in einer enormen Kompensationsleistung hat Venedig sich selbst und anderen die nobilitierende, machtsichernde Herkunft aus dem Altertum erfolgreich eingeredet.
In keiner Epoche ist das sinnlicher vor Augen geführt worden als während der Blütezeit des Barock. Zwischen 1680 und 1760 entstanden hier über vierzig Darstellungsfolgen antiker Themen - auf Leinwand oder im Fresko bevölkerten Aeneas, Coriolan, Lucrezia, Antonius und Kleopatra oder die Sabinerinnen, vor allem aber immer wieder Venedigs Lieblingsheld, der militärische und moralische Heros Scipio Africanus, die Raumfluchten der Stadtpaläste und der Villen im Hinterland. Es erstaunt, dass die Forschung den Sinngehalt dieser ganz spezifischen Historienmalerei so lange verkannt hat. Die Ausstattungsprogramme Giambattista Tiepolos, Sebastiano Riccis oder Girolamo Brusaferros galten als gefällige, affektierte Melodramen in Farbe, denen jeder heroische Impetus und jede humanistisch geprägte, erzieherische Intention abgesprochen wurden. Unter dem Verdikt der Dekorationsmalerei fand allenfalls die spektakuläre künstlerische Fertigkeit Beachtung. Übersehen wurde, dass sich hinter der grandiosen Maskerade handfeste, energisch verfolgte politische und wirtschaftliche Interessen artikulierten.
In ihrer Studie zu den Historiengemälden des venezianischen Barock gelingt Andrea Gottdank jetzt die lange überfällige Korrektur dieser sträflichen Verharmlosung. Trotz erheblicher ökonomischer und militärischer Krisen scheint sich gegen Ende des siebzehnten Jahrhunderts eine merkwürdige Aufbruchstimmung in der Stadt verbreitet zu haben, die sich nicht zuletzt in künstlerischen Großaufträgen niederschlug. Und so wie die venezianische Buchkunst mit dem Druck antiker Historiographen eine neue Konjunktur erlebte, wurde dieses philologische Interesse an der antiken Geschichte in monumentale Ausstattungsprogramme übersetzt. So geraten etwa die Sala degli stucchi des Palazzo Barbaro-Curtis a San Vidal oder die Festsäle des Palazzo Corner und des Palazzo Dolfin zu eindrucksvollen Zeugnissen dafür, mit welch augensinnlicher Überredungskunst Themen der antiken Geschichte in rhetorischem Gestus als belehrende "exempla" und zugleich als nachdrücklicher Verweis auf eine unanfechtbare noble, weil alte Herkunft der Auftraggeber eingesetzt wurden. Diese Rückversicherung war umso dringlicher geworden, als im Jahre 1646 der lange exklusive Status eines venezianischen Adligen durch Zahlung einer Geldsumme zum käuflichen Gut erklärt worden war. In der Folge entspann sich so eine Debatte um die eigentliche Konsistenz der Nobilität.
Nun schmückten antike Ahnengalerien die offiziellen Prunkräume der städtischen Oligarchie, weil sich markanter und programmatischer die Distanz zum emporkommenden Geldadel nicht signalisieren ließ. Wie andernorts, sollte sich auch in Venedig das visuelle Medium der Malerei als fähig erweisen, den historisch fragwürdigen und verfassungsrechtlich widersprüchlichen Rückgriff auf die Antike in eine schlüssige Form zu übersetzen. Nur ließ sich dieser Zugriff nicht monopolisieren. Giambattista Tiepolos Fresken in der Villa Cordellina etwa führen den Beweis, dass die Bezugnahme auf das Repertoire der antiken Geschichte natürlich auch den Emporkömmlingen - hier einer aus Vicenza stammenden Advokatenfamilie - dazu diente, den angestrebten oder neugewonnenen Status wirkungsvoll zu behaupten. Die farbenprächtigen, gleichsam spielerisch in Szene gesetzten Zänkereien zwischen eingesessenem Uradel und finanzkräftigen Parvenüs instrumentalisierten die Stoffe der antiken Epen in einem transparenten Synkretismus, der, bei aller Rückbesinnung, auf unbedingte Zeitgenossenschaft setzte.
In einem besonders erhellenden Kapitel gelingt es Andrea Gottdank, die örtliche Theoriebildung solch zielgerichteter Retrospektiven offen zu legen. Namentlich war es Marco Boschin, der einflussreichste Kunstkritiker des venezianischen Seicento, der in bewusster Abgrenzung gegen Rom oder die gleichzeitige französische Kunst eine Bildwelt propagierte, die als unmittelbare Gegenwart empfunden wurde und deren Grenzen zur realen Welt des Betrachters verschwammen. Im Anschauungsakt selbst sind danach zeitliche und räumliche Dimensionen - die Grundlagen des historischen Bewusstseins - gleichermaßen außer Kraft gesetzt. Die Rezeptionsästhetik kam ohne übertriebene historische Akkuratesse aus; gerade deshalb konnte sich die prekäre Camouflage, die Begegnung von historischem Personal und zeitgenössischem Betrachter, unbekümmert entfalten.
Boschin selbst hat das theatralische Moment in der Malerei betont. Auch ist, bei der Beschreibung der venezianischen Malerei, immer wieder die Begrifflichkeit der Bühnenkunst bemüht worden. Zwar ist auch die Opernliteratur der Zeit nachhaltig von antiken Themen beherrscht. Ob diese aber, wie oft behauptet wurde, erst über den Umweg über die Bühne in die Malerei gefunden haben, darf bezweifelt werden. In konzisen Exkursen zur "Opera seria" sowie zum Verhältnis von Librettistik, Kostüm, Schauspielkunst und Bühnenbild zur Malerei gelingt es der Autorin hier erstmals, die jeweils eigene Konsistenz der Gattungen überzeugend zu betonen.
Gewiss haben die Bühnenbildtypen der Bibienas auf die Maler der Architekturprospekte gewirkt. Die "Loggia", seit Veronese bevorzugter Schauplatz der Bild-Erzählungen, war kanonischer Bestandteil auch der Opernbühnen. Zugleich aber lässt sich an den Fresken der Tiepolos in der Villa Valmarana bei Vicenza beispielhaft verfolgen, wie Bühnenkonventionen durch die Maler durchaus bewusst reflektiert wurden, die gleichwohl von den jeweils besonderen Bedingungen ihrer Effektsuche bestimmt blieben. Es war ja gerade die immer vermutete, nie wirklich belegte weitgehende Abhängigkeit der Malerei von der Bühnenpraxis, die die folgenreiche Charakterisierung der venezianischen Malerei als pure Dekorationskunst sanktioniert hat. Noch Tiepolos monumentaler Zyklus im Palazzo Labia, der das hier neu erschlossene Panorama historischer Bildthemen glanzvoll beschliesst, fiel diesem Verdikt zum Opfer.
Das fast abrupte Abreißen der historischen Bild-Erzählungen in Venedig nach 1760 hat viele Ursachen. Wirtschaftliche Schwäche ließ kapitale Kunstaufträge seltener zu; andere Gattungen und Formate, voran die Genremalerei, gelangten zu neuer Popularität. Vor allem aber war es die seit der Mitte des achtzehnten Jahrhunderts mit erhöhtem Nachdruck gestellte Frage nach der Tauglichkeit der Allegorie als verlässliche Form künstlerischen Ausdrucks, die mit der drastischen Abnahme historisch-allegorisch, rhetorisch argumentierender Gemälde beantwortet wurde.
Gottdanks Studie zu Venedigs antiken Bildhelden würdigt eine "Zwischenzeit", die der ikonografisch argumentierenden Kunstgeschichte gleichsam abhanden gekommen war. Der wirkliche Genuss an dieser geglückten Wiederentdeckung eines nicht nur in Farbigkeit und himmlischer Pinselführung virtuosen Jahrhunderts der venezianischen Malerei wird allenfalls durch den angestrengt flotten Schreibstil der Autorin beeinträchtigt. Dessen Sprachklischees und populistischen Modernismen führen nicht nur ständig zu wirklich schiefen Bildern. Vielmehr erhöhen sie zugleich wieder merklich die Distanz zu einer Epoche, der man sich doch durch den intellektuellen Zugriff der Argumentation für Momente nahe zu sein glauben durfte.
Andrea Gottdank: "Venedigs antike Helden". Die Darstellung der antiken Geschichte in der venezianischen Malerei von 1680 bis 1760. Kunstwissenschaftliche Studien, Band 79. Deutscher Kunstverlag, München 1999. 288 S., 43 Abb., geb., 148,- DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Die venezianischen Maler des achtzehnten Jahrhunderts trennte kein großer Kanal von der Antike / Von Andreas Beyer
Venedig ist eine der wenigen italienischen Metropolen, die sich keines antiken Ursprungs rühmen können; ihr legendäres Gründungsdatum fällt in das Jahr 421 nach Christus. Dennoch pries Andrea Palladio, als er sich um 1570 für die Stelle des obersten Baumeisters der Lagunenstadt zu empfehlen suchte, in seinen "Vier Büchern zur Architektur" die Stadt als einziges Beispiel, das von der Herrlichkeit der Römer geblieben sei. So folgenlos diese Schmeichelei bleiben sollte, so formelhaft beherrscht sie das venezianische Städtelob. Nicht zuletzt in ihrer republikanischen Verfassung hat sich die Stadt als Erbin Roms begriffen und schon deshalb auf ihrer antiken Herleitung bestanden, so wie die großen Familien der Serenissima stets auf ihrer - freilich nur mit Wagemut rekonstruierbaren - römischen Abstammung bestanden haben. Wo nichts ist, hilft die Behauptung, und in einer enormen Kompensationsleistung hat Venedig sich selbst und anderen die nobilitierende, machtsichernde Herkunft aus dem Altertum erfolgreich eingeredet.
In keiner Epoche ist das sinnlicher vor Augen geführt worden als während der Blütezeit des Barock. Zwischen 1680 und 1760 entstanden hier über vierzig Darstellungsfolgen antiker Themen - auf Leinwand oder im Fresko bevölkerten Aeneas, Coriolan, Lucrezia, Antonius und Kleopatra oder die Sabinerinnen, vor allem aber immer wieder Venedigs Lieblingsheld, der militärische und moralische Heros Scipio Africanus, die Raumfluchten der Stadtpaläste und der Villen im Hinterland. Es erstaunt, dass die Forschung den Sinngehalt dieser ganz spezifischen Historienmalerei so lange verkannt hat. Die Ausstattungsprogramme Giambattista Tiepolos, Sebastiano Riccis oder Girolamo Brusaferros galten als gefällige, affektierte Melodramen in Farbe, denen jeder heroische Impetus und jede humanistisch geprägte, erzieherische Intention abgesprochen wurden. Unter dem Verdikt der Dekorationsmalerei fand allenfalls die spektakuläre künstlerische Fertigkeit Beachtung. Übersehen wurde, dass sich hinter der grandiosen Maskerade handfeste, energisch verfolgte politische und wirtschaftliche Interessen artikulierten.
In ihrer Studie zu den Historiengemälden des venezianischen Barock gelingt Andrea Gottdank jetzt die lange überfällige Korrektur dieser sträflichen Verharmlosung. Trotz erheblicher ökonomischer und militärischer Krisen scheint sich gegen Ende des siebzehnten Jahrhunderts eine merkwürdige Aufbruchstimmung in der Stadt verbreitet zu haben, die sich nicht zuletzt in künstlerischen Großaufträgen niederschlug. Und so wie die venezianische Buchkunst mit dem Druck antiker Historiographen eine neue Konjunktur erlebte, wurde dieses philologische Interesse an der antiken Geschichte in monumentale Ausstattungsprogramme übersetzt. So geraten etwa die Sala degli stucchi des Palazzo Barbaro-Curtis a San Vidal oder die Festsäle des Palazzo Corner und des Palazzo Dolfin zu eindrucksvollen Zeugnissen dafür, mit welch augensinnlicher Überredungskunst Themen der antiken Geschichte in rhetorischem Gestus als belehrende "exempla" und zugleich als nachdrücklicher Verweis auf eine unanfechtbare noble, weil alte Herkunft der Auftraggeber eingesetzt wurden. Diese Rückversicherung war umso dringlicher geworden, als im Jahre 1646 der lange exklusive Status eines venezianischen Adligen durch Zahlung einer Geldsumme zum käuflichen Gut erklärt worden war. In der Folge entspann sich so eine Debatte um die eigentliche Konsistenz der Nobilität.
Nun schmückten antike Ahnengalerien die offiziellen Prunkräume der städtischen Oligarchie, weil sich markanter und programmatischer die Distanz zum emporkommenden Geldadel nicht signalisieren ließ. Wie andernorts, sollte sich auch in Venedig das visuelle Medium der Malerei als fähig erweisen, den historisch fragwürdigen und verfassungsrechtlich widersprüchlichen Rückgriff auf die Antike in eine schlüssige Form zu übersetzen. Nur ließ sich dieser Zugriff nicht monopolisieren. Giambattista Tiepolos Fresken in der Villa Cordellina etwa führen den Beweis, dass die Bezugnahme auf das Repertoire der antiken Geschichte natürlich auch den Emporkömmlingen - hier einer aus Vicenza stammenden Advokatenfamilie - dazu diente, den angestrebten oder neugewonnenen Status wirkungsvoll zu behaupten. Die farbenprächtigen, gleichsam spielerisch in Szene gesetzten Zänkereien zwischen eingesessenem Uradel und finanzkräftigen Parvenüs instrumentalisierten die Stoffe der antiken Epen in einem transparenten Synkretismus, der, bei aller Rückbesinnung, auf unbedingte Zeitgenossenschaft setzte.
In einem besonders erhellenden Kapitel gelingt es Andrea Gottdank, die örtliche Theoriebildung solch zielgerichteter Retrospektiven offen zu legen. Namentlich war es Marco Boschin, der einflussreichste Kunstkritiker des venezianischen Seicento, der in bewusster Abgrenzung gegen Rom oder die gleichzeitige französische Kunst eine Bildwelt propagierte, die als unmittelbare Gegenwart empfunden wurde und deren Grenzen zur realen Welt des Betrachters verschwammen. Im Anschauungsakt selbst sind danach zeitliche und räumliche Dimensionen - die Grundlagen des historischen Bewusstseins - gleichermaßen außer Kraft gesetzt. Die Rezeptionsästhetik kam ohne übertriebene historische Akkuratesse aus; gerade deshalb konnte sich die prekäre Camouflage, die Begegnung von historischem Personal und zeitgenössischem Betrachter, unbekümmert entfalten.
Boschin selbst hat das theatralische Moment in der Malerei betont. Auch ist, bei der Beschreibung der venezianischen Malerei, immer wieder die Begrifflichkeit der Bühnenkunst bemüht worden. Zwar ist auch die Opernliteratur der Zeit nachhaltig von antiken Themen beherrscht. Ob diese aber, wie oft behauptet wurde, erst über den Umweg über die Bühne in die Malerei gefunden haben, darf bezweifelt werden. In konzisen Exkursen zur "Opera seria" sowie zum Verhältnis von Librettistik, Kostüm, Schauspielkunst und Bühnenbild zur Malerei gelingt es der Autorin hier erstmals, die jeweils eigene Konsistenz der Gattungen überzeugend zu betonen.
Gewiss haben die Bühnenbildtypen der Bibienas auf die Maler der Architekturprospekte gewirkt. Die "Loggia", seit Veronese bevorzugter Schauplatz der Bild-Erzählungen, war kanonischer Bestandteil auch der Opernbühnen. Zugleich aber lässt sich an den Fresken der Tiepolos in der Villa Valmarana bei Vicenza beispielhaft verfolgen, wie Bühnenkonventionen durch die Maler durchaus bewusst reflektiert wurden, die gleichwohl von den jeweils besonderen Bedingungen ihrer Effektsuche bestimmt blieben. Es war ja gerade die immer vermutete, nie wirklich belegte weitgehende Abhängigkeit der Malerei von der Bühnenpraxis, die die folgenreiche Charakterisierung der venezianischen Malerei als pure Dekorationskunst sanktioniert hat. Noch Tiepolos monumentaler Zyklus im Palazzo Labia, der das hier neu erschlossene Panorama historischer Bildthemen glanzvoll beschliesst, fiel diesem Verdikt zum Opfer.
Das fast abrupte Abreißen der historischen Bild-Erzählungen in Venedig nach 1760 hat viele Ursachen. Wirtschaftliche Schwäche ließ kapitale Kunstaufträge seltener zu; andere Gattungen und Formate, voran die Genremalerei, gelangten zu neuer Popularität. Vor allem aber war es die seit der Mitte des achtzehnten Jahrhunderts mit erhöhtem Nachdruck gestellte Frage nach der Tauglichkeit der Allegorie als verlässliche Form künstlerischen Ausdrucks, die mit der drastischen Abnahme historisch-allegorisch, rhetorisch argumentierender Gemälde beantwortet wurde.
Gottdanks Studie zu Venedigs antiken Bildhelden würdigt eine "Zwischenzeit", die der ikonografisch argumentierenden Kunstgeschichte gleichsam abhanden gekommen war. Der wirkliche Genuss an dieser geglückten Wiederentdeckung eines nicht nur in Farbigkeit und himmlischer Pinselführung virtuosen Jahrhunderts der venezianischen Malerei wird allenfalls durch den angestrengt flotten Schreibstil der Autorin beeinträchtigt. Dessen Sprachklischees und populistischen Modernismen führen nicht nur ständig zu wirklich schiefen Bildern. Vielmehr erhöhen sie zugleich wieder merklich die Distanz zu einer Epoche, der man sich doch durch den intellektuellen Zugriff der Argumentation für Momente nahe zu sein glauben durfte.
Andrea Gottdank: "Venedigs antike Helden". Die Darstellung der antiken Geschichte in der venezianischen Malerei von 1680 bis 1760. Kunstwissenschaftliche Studien, Band 79. Deutscher Kunstverlag, München 1999. 288 S., 43 Abb., geb., 148,- DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Venedig, so der Rezensent Andreas Beyer, sei eine der wenigen italienischen Städte, die sich nicht auf die Antike zurückführen könne. Und doch habe gerade Venedig als Republik sich als Nachfolger Roms empfunden. In diesem Kontext sei die "spezifische Historienmalerei" Venedigs besonders im 17. und 18. Jahrhundert als "enorme Kompensationsleistung" zu verstehen, auch als eine Art Rechtfertigung der alten venezianischen Adelsfamilien, die gegenüber dem neuen Geldadel ihre Wurzeln in der Antike betonen wollten. Aber auch der neue Adel suchte nach diesen Wurzeln. Gottdanks Buch sei, trotz einer "angestrengt flotten" Sprache als "geglückte Wiederentdeckung" dieser weithin verkannten Kunst zu betrachten. Besonders würdigt Beyer, dass Gottdank die Eigenständigkeit der Malerei gegenüber den Bühnenbildern der Opern klar stelle, an denen sie sich inspirierte.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH