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An einem heißen Augusttag wird beim Schlachthof von Mestre die Leiche eines Mannes in Frauenkleidung entdeckt. Ein Travestit, getötet nach Streitigkeiten mit seinen Freiern? Commissario Brunetti nimmt die Ermittlungen auf. Die amerikanische Autorin Donna Leon legt ihren dritten in Venedig spielenden "Brunetti"-Roman vor. Sie deckt darin einen besonders eklatanten Fall bürgerlicher Doppelmoral auf, sowie Korruptheiten im politischen System, wie sie heutzutage überall anzutreffen sind.

Produktbeschreibung
An einem heißen Augusttag wird beim Schlachthof von Mestre die Leiche eines Mannes in Frauenkleidung entdeckt. Ein Travestit, getötet nach Streitigkeiten mit seinen Freiern? Commissario Brunetti nimmt die Ermittlungen auf. Die amerikanische Autorin Donna Leon legt ihren dritten in Venedig spielenden "Brunetti"-Roman vor. Sie deckt darin einen besonders eklatanten Fall bürgerlicher Doppelmoral auf, sowie Korruptheiten im politischen System, wie sie heutzutage überall anzutreffen sind.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.02.1996

Staunen ist eine Tugend
Prosecco für die Polizei: Donna Leons "Venezianische Scharade"

Donna Leons erste venezianische Leiche lag noch stilvoll in der Künstlergarderobe des Teatro La Fenice, das Frackhemd mit Zyankali-Kaffee bekleckert. Die zweite schwamm, schon etwas weniger elegant, mit dem Gesicht nach unten im Kanal und hatte eine Stichwunde zwischen den Rippen. Den dritten Fall des Commissario Brunetti läßt die amerikanische Krimiautorin, die seit über zehn Jahren in Venedig lebt, auf einem Gelände beginnen, das vom morbiden Zauber der Lagunenstadt weit entfernt scheint und doch gleich vor der Haustür liegt: Bei den Schlachthäusern des Industriemolochs Mestre, auf blut- und giftgetränktem Boden, wird in brütender Augusthitze ein Toter in Frauenkleidern gefunden, von seinen Mördern derartig zugerichtet, daß die Identifizierung Probleme bereitet. Brunetti, ebenso pflichtbewußt wie urlaubsreif, ermittelt zunächst in der Transvestiten- und Stricherszene, muß sich aber alsbald durch jenen Sumpf aus politischer Korruption, Geldgier und Doppelmoral kämpfen, der in Italien spielende Kriminalromane so reichlich mit realitätsnahem Stoff versorgt.

Offensichtlich hat Donna Leon einiges vom italienischen Autorenduo Fruttero und Lucentini gelernt, dessen Kommissar Santamaria im einschlägigen Milieu eine tadellose, nicht zu ernste Figur machte. Andererseits verkörpert Guido Brunetti, dem von seiner wachsenden Gemeinde bereits der Rang eines Maigret zugesprochen wird, einen neuen, eigenständigen Typus im Reigen seiner Kollegen: In ihm sind mediterrane Lebensart und amerikanische Italien-Nostalgie, altmodische Moralität und zeitgemäße political correctness zu einem Charakter verschmolzen, der ungemein vertrauenerweckend wirkt.

Der Commissario haßt "hartgesottene Bullen", behandelt seine Untergebenen rücksichtsvoll und seinen eitlen, arroganten Vorgesetzten mit Nachsicht; er bewahrt die Ruhe im Umgang mit Kleinkriminellen und erlaubt sich angesichts von Gewalttaten eine berufsuntypische Empfindsamkeit. Im Privatleben ist dieser nach weiblichem Geschmack konzipierte Polizist ein zärtlicher Gatte und Familienvater sowie ein "Mann des Fleisches", der gern ißt und trinkt, aber selbstverständlich nicht raucht. Ehefrau Paola, die trotz Uni-Job bravourös am Herd steht und trotz adliger Herkunft aufgeklärt-liberale Ansichten vertritt, lehrt ihren Guido, Verständnis für Minderheiten zu entwickeln, was ihm in seiner Arglosigkeit nicht immer leichtfällt: Lange staunt er, nachdem er in den entsprechenden Kreisen recherchiert hat, über die Verbreitung bestimmter sexueller Vorlieben und muß dann bei der abendlichen Tacitus-Lektüre feststellen: "Transvestiten überall."

Die Grenzen der Toleranz aber sind beim Anblick der "halbnackten Touristen" erreicht, die Venedig im Sommer bevölkern und den korrekt gekleideten Kommissar "sehnsüchtig an die erzwungene Bescheidenheit in islamischen Gesellschaften" denken lassen. Brunettis Verhältnis zu seiner Heimatstadt ist - und das weist ihn eindeutig als Geschöpf einer Wahl-Venezianerin aus - ein sentimentalisches, das leidenschaftliches Fußgängertum ebenso einschließt wie ökologisches Engagement, stets neue Ergriffenheit bei der Rückkehr in die atemraubende Kulisse der Serenissima und heftigen Widerwillen gegen die Conquista der Busreisenden.

Gleichwohl mag auch Donna Leon auf touristische Serviceleistungen nicht ganz verzichten: Gern schweift sie von der Krimihandlung ab, um etwa das kunstgerechte Öffnen einer Flasche Prosecco oder das Rezept für eine Insalata Caprese zu erläutern. Der trickreiche und zugleich handfeste Plot um die Machenschaften einer sogenannten "Lega della Moralità" freilich beweist, daß ihre Vertrautheit mit den Landessitten sich nicht auf Kulinarisches beschränkt. Fatal ist nur, daß das Brunetti-Fieber (Fall Nummer vier folgt auf dem Fuße) noch mehr Neugierige in ihre Lieblingsstadt locken dürfte. KRISTINA MAIDT-ZINKE

Donna Leon: "Venezianische Scharade. Commissario Brunettis dritter Fall." Roman. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Monika Elwenspoek. Diogenes Verlag, Zürich 1996. 373 S., geb., 39,- DM.

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"Carry on, Guido Brunetti, and carry on writing, Donna Leon!"(NDR) "He is a civilian, human guardian of law and order; the centuries-old mistrust of the Italians towards their government is no stranger to him. His way of dealing with taxation laws, dubious items of evidence and a hierarchy which consists of idiots is characterised by common sense and a certain nonchalance. In fact, he would far rather be with his neglected wife and adolescent children... Involuntarily, a picture of a forty-year-old Marcello Mastroianni with a bit of padding comes to mind."(Die Presse) "Currently the Commissario with the most charisma."(The Guardian)