Deutschland, 1941. Auf einem Fliegerhorst in Brandenburg geht Alfredo Guzman seiner Arbeit nach - als Gynäkologe im Dienst des Führers. Wie es dazu gekommen ist, erstaunt ihn, sobald er darüber nachdenkt. Eines Tages wird hoher Besuch erwartet: Fliegerheld Ernst Udet hat sich angesagt. Auf dem Empfang zu seinen Ehren bringt sich Guzman in Turbulenzen, die ihn zur Flucht zwingen, gleich am nächsten Morgen. Nur: wohin? Überraschenderweise hilft ihm Udet, nach Venezuela zu entkommen, von wo Guzmans Vater stammte. So wird die Flucht vor dem Deutschen Reich zugleich zur Suche nach einer Vergangenheit, die hinter dem Schleier von Familienlegenden liegt.Es stellen sich dem Ich-Erzähler, der von seinem Vater und dessen Vater erzählt, entscheidende Fragen: Was tun in einer Zeit, die Haltung verlangt, wenn man wenig hat, dafür aber Sehnsucht und die Begabung, ganz im Augenblick aufzugehen? Was geschieht, wenn man sich der Welt nicht mit Prinzipien nähert, sondern sich einfach überwältigen,davontreiben lässt? Die Reise, auf die Jochen Jung seinen Protagonisten in einer kühnen Mischung aus Dichtung und Wahrheit schickt, ist voller überraschender Wendungen (und Einsichten), sie führt um die halbe Welt - und mitten ins Zentrum der eigenen Existenz.
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Kristina Maidt-Zinke preist dieses als "kleinen Roman" publizierte Buch als "Epos von beträchtlichen Dimensionen" und ist trotzdem erfreut, dass ihr der Riesenwälzer, den Jochen Jung aus der Geschichte hätte machen können, "erspart geblieben" ist. "Venezuela" ist ein "kurioser, komischer und kluger" Roman, der "fast schwerelos" Erfindung mit historischer Wahrheit mischt, schwärmt die Rezensentin. Der Vater des Erzählers, ein Gynäkologe mit venezuelanischen Vorfahren, der als Stabsarzt eines Fliegerhorsts der Wehrmacht arbeitet, desertiert wegen eines aufgeflogenen Verhältnisses zu einer Offiziers-Ehefrau nach Venezuela und trifft dort auf seinen verschollen geglaubten Vater. Dieser versucht in der "realhistorischen" Colonia Tovar seine rassistischen "Wahnvorstellungen von der Reinerhaltung deutschen Blutes" durchzusetzen, erklärt die Rezensentin. Dem "kleinen Roman" fehle es wahrhaftig an nichts, schwärmt sie, obwohl so manches, wie beispielsweise ein Brief des Gynäkologen an den Vater, nicht ausformuliert wird. "Elegant und schwungvoll" führe Jung seine Leser durch Zeiten und Orte und "ein paar menschliche Abgründe", jubelt Maidt-Zinke.
© Perlentaucher Medien GmbH
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