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Die Stimme, die den Roman trägt, spricht aus dem Tagebuch von Leila. Nach Italien war die junge Frau gekommen, um Design zu studieren, doch sie wurde zur Prostitution gezwungen. Nach drei Jahren kehrt sie tot in einem Sarg auf der Fähre mit ihrem Vater nach Hause zurück. Ihr Schicksal bringt die vielen Geschichten zusammen, die sich kreuzen: ihre, die von Soraja, Elena, Laura und all den anderen Mädchen, die ein und dasselbe Los vereint.Elvira Dones hat einen rohen und aufschlussreichen Roman über die albanische Mafia und den Frauenhandel geschrieben, bei dem deutlich wird, dass es nichts zu…mehr

Produktbeschreibung
Die Stimme, die den Roman trägt, spricht aus dem Tagebuch von Leila. Nach Italien war die junge Frau gekommen, um Design zu studieren, doch sie wurde zur Prostitution gezwungen. Nach drei Jahren kehrt sie tot in einem Sarg auf der Fähre mit ihrem Vater nach Hause zurück. Ihr Schicksal bringt die vielen Geschichten zusammen, die sich kreuzen: ihre, die von Soraja, Elena, Laura und all den anderen Mädchen, die ein und dasselbe Los vereint.Elvira Dones hat einen rohen und aufschlussreichen Roman über die albanische Mafia und den Frauenhandel geschrieben, bei dem deutlich wird, dass es nichts zu romantisieren gibt. Hier wird von einer Gesellschaft erzählt, die vom Wandel überfordert ist, von Träumen, die auf den Bürgersteigen Europas zerbröckeln, von Schicksalen, deren kleinstes Detail bedeutsam ist, vom skrupellosen Kampf um Geld, von der grausamen Ausbeutung der Frauen, der grenzenlosen Gewalt, dem Aussterben jedes ethischen Handelns und von kleinen Inseln der Liebe und Selbstermächtigung. In Albanien hat "Verbrannte Sonne" heftige Diskussionen ausgelöst.
Autorenporträt
Elvira Dones, geboren in Durrës, wuchs in Tirana (Albanien) auf. Sie schreibt auf Albanisch und Italienisch und hat sieben Romane und zwei Erzählbände veröffentlicht, mehrere Drehbücher geschrieben und eine Reihe Dokumentarfilme gedreht. Ihr vielfach ausgezeichnetes Werk ist in mehrere Sprachen übersetzt. Heute lebt und arbeitet sie im Tessin. Nach "Hana" und "Kleiner sauberer Krieg", aus dem Italienischen übertragen von Adrian Giacomelli, erscheint jetzt ihr früherer Roman "Verbrannte Sonne", aus dem Albanischen übersetzt von Florian Kienzle.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensentin Christiane Pöhlmann goutiert zumindest den "Mut" der in Albanien geborenen Schriftstellerin Elvira Dones, die in diesem im Original bereits 2000 erschienenen Roman von Kinderhandel, Schlepperbanden, Korruption und Zwangsprostitution erzählt. Damit hat es sich aber leider auch schon, denn die Geschichte, in der die tote Leila aus dem Sarg heraus davon erzählt, wie sie von der albanischen Mafia zur Prostitution gezwungen und schließlich ermordet wird, fährt so viele Figuren auf und reiht derart viele "Horrorszenarien" aneinander, dass Pöhlmann bald Überblick und Mitgefühl verliert. Schwülstige Passagen und der "naive" Ton der Erzählerin tragen außerdem nicht gerade zur Leselust bei, schließt die Rezensentin.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.03.2021

Gerüttelt, nicht geschürt
Albanische Mafia, italienische Zwangsprostitution: Der Roman "Verbrannte Sonne" von Elvira Dones

Albanien hat den Vereinigten Staaten noch nie den Krieg erklärt. Der Film, in dem das doch geschieht, "Wag the Dog - Wenn der Schwanz mit dem Hund wedelt" von 1997, mag vielleicht das Oral-Office-Debakel um Bill Clinton samt Bombardierung des Iraks vorweggenommen haben, doch damit hatte sich nach aktuellem Kenntnisstand das Prophetische erschöpft. Selbst im Film stellt der Krieg nur eine riesige Alternativwirklichkeit dar, inszeniert von einem Filmmogul, um von einem Sexualvergehen des Präsidenten kurz vor den Wahlen abzulenken. Dafür muss lediglich ein großäugiges Mädchen mit Katze im Arm durchs Bild huschen, und schon erhält die Welt bestes Infotainment, weiß sie doch rein gar nichts von Albanien. Und will wohl auch gar nichts wissen.

Im Roman "Verbrannte Sonne" von Elvira Dones ist es noch schlimmer. "Haben Sie eine Ahnung davon, was in Ihrem Land gerade passiert?", fragt da ein italienischer Polizist den albanischen Vater der toten Leila kurz vor der Überführung des Leichnams: "Krieg, alles steht in Flammen." Es ist März 1997, der Lotterieaufstand tobt in Albanien, der sich ursprünglich gegen Korruption und Betrug richtet, schon bald aber in bürgerkriegsähnliche Unruhen umschlägt. Offenbar nimmt der Italiener an, nicht einmal ein Albaner wisse über das eigene Land Bescheid ...

"Wenn ich nicht so traurig wäre, wäre ich glücklich." Mit dieser Aussage beginnt Leila ihren Bericht. Da liegt sie schon im Sarg, ermordet von der albanischen Mafia. Diese Totenstimme gilt es erst einmal zu schlucken. Leilas Sicht bleibt eine der wenigen Konstanten in diesem Roman und wird ergänzt um ihre Tagebuchaufzeichnungen. Sie war mit ihrem Freund Mitte der neunziger Jahre von Albanien über das Meer nach "Dortoben" gekommen, was nicht etwa das Paradies meint, sondern eben Italien. Albanien wird konsequent als "Dortunten" bezeichnet, und im "Dortoben" leben schon etliche "Dortuntige", die jungen Männern gern den Rat geben, "mitsamt der Verlobten hierherzukommen". Die Frauen erwartet ein bitterböses Erwachen. Sie werden durch Schläge, Vergewaltigung und Ermordung von Angehörigen in Albanien gezwungen, als Prostituierte zu arbeiten, während die Männer sich als Handlanger oder Strippenzieher entpuppen.

Leila ist voller Träume aufgebrochen und wollte studieren. Als Tote hält sie die Enttäuschung fest: "Eine Zeitlang wird man den Mörder einer Prostituierten suchen, dann wird man alles zu den Akten legen. Es lohnt sich nicht." Die Totenstimme Leilas ergänzen ihre Tagebuchaufzeichnungen sowie schlaglichtartig zahllose Einzelschicksale. Die meisten Frauen bringen unbedingte Integrationsbereitschaft mit. "Sie würde jetzt ausländisch werden", nimmt sich eine vor, "kultiviert, wie die hiesigen Frauen", und ihre zukünftige Tochter "würde neben der Sprache Dortuntens die hiesige Sprache sprechen". Hätte sich der Roman auf weniger Figuren konzentriert, hätten sich die Biographien wahrscheinlich psychologisch zuspitzen lassen. So aber spult Elvira Dones einzig Horrorszenen ab.

Dies ließe sich als Versuch interpretieren, das Systemhafte der Gewalt und Zwangsprostitution darzustellen, doch will Dones eben keine Sozialreportage vorlegen. Sie lädt ihren Text nicht nur mit der Totenstimme auf, sondern gestaltet die Arglosigkeit der Frauen durch einen naiven Ton. Will eine Albanerin sich tapfer zeigen, heißt es: "Aber es ist der Verstand, der diese Entscheidung trifft, das HERZ hingegen ist an rationalen Dingen nicht beteiligt." Die Mutter eines albanischen Zuhälters weiß: "Frauen waren schon mit ihrer Geburt verloren, was konnte ihnen noch Schlimmes zustoßen?" Immerhin gibt es für sie selbst Rettung, denn sie "hatte den SOHN, Gott sei Dank", und er hat im Dortoben Karriere gemacht, "ihr liiieber kleiner Goldjunge".

Dieser Schwulst rüttelt nicht auf, schürt keine Empathie und facht den eigenen Informationsdrang nicht an. Als gegen Ende des Textes eine Frau auf die Diktatur unter Enver Hoxha zu sprechen kommt, geht das fast ebenso unter wie die Auseinandersetzung einiger Untermotze, die gern Obermotz anstelle des Obermotzes werden möchten.

Elvira Dones wurde 1960 geboren und kommt vom Film, das ist sicher. Ferner, dass sie Albanien 1988 verlassen hat und mittlerweile in der Schweiz lebt. Dann aber beginnt die Unsicherheit. Gelegentlich heißt es, sie schreibe grundsätzlich auf Italienisch, doch die deutsche Ausgabe ist aus dem Albanischen übersetzt. Der Roman erschien bereits 2000, ist also nicht durch die MeToo-Bewegung inspiriert. Der Schweizer Verlag, der ihn herausgebracht hat, ist auf südosteuropäische Literatur spezialisiert. Mit Kinderhandel, Schlepperbanden, Geldwäsche und organisierter Bettelei verhandelt Dones mutig brisante Themen, und ihre Romanhandlung verschließt auch nach einer darin geschilderten Razzia nicht die Augen vor der Wirklichkeit: "Man hatte eine großangelegte Aktion gestartet, um die Bosse zu fassen, ins Netz gegangen sind aber nur die kleinen und ein paar mittlere Fische." Doch ihren Ton hat Elvira Dones in diesem Roman nicht gefunden. So bleibt wieder einmal festzuhalten: Das Gegenteil von gut ist gut gemeint.

CHRISTIANE PÖHLMANN

Elvira Dones: "Verbrannte Sonne". Roman.

Aus dem Albanischen von Florian Kienzle. INK PRESS, Zürich 2020. 440 S., br., 23,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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