Verdis "Aida", 1871 in Kairo uraufgeführt, gehört zu den wirkungsvollsten Werken des Opernrepertoires. Die Geschichte der verschleppten äthiopischen Königstochter, die an ihrer Liebe zu dem befeindeten ägyptischen Feldherrn Radames festhält, hat unser Bild vom Ägypten der Pharaonen maßgeblich beeinflusst. Auf allen großen Bühnen der Welt sind regelmäßig "Aida"-Inszenierungen zu erleben; eine Vielzahl prominenter Interpreten hat sich Verdis so farb- und kontrastreicher Partitur angenommen. Der Operndramaturg Detlef Giese spürt der Stoff- und Entstehungsgeschichte des Werkes nach und beleuchtet seine charakteristischen musikalischen Aspekte.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.10.2013Lasst Pfeile sprechen zwischen Göttervater und Schildjungfer
Ein gutes Konzept mit individueller Handschrift umgesetzt: Eine neue Reihe von knapp gehaltenen einführenden Opernbüchern kann sich sehen lassen
Mit "Fidelio" und "Don Giovanni" begann der Rowohlt Verlag 1981 zusammen mit Ricordi aus Mailand die Reihe der "rororo Opernbücher" zu publizieren. Die von Attila Csampai und Dietmar Holland herausgegebenen Bände schlossen damals die Lücke zwischen den zwangsläufig kursorischen Artikeln eines Opernführers und eher spezialisierten Programmheftessays zu einer bestimmten Produktion. Die Bände versammelten neben einem kompletten, auch zweisprachigen Textbuch vertiefende Essays verschiedener Autoren zur Entstehung der jeweiligen Oper, zu Musik, Drama und Rezeptionsgeschichte. Die Abbildungen brachten historische Bühnenbild-Zeichnungen und Beispiele anspruchsvoller Theaterfotografie.
Gut dreißig Jahre später - die rororo-Bände sind inzwischen nicht mehr lieferbar - bringen nun zwei Verlage eine neue Opernbuchreihe mit dem Titel "Opernführer kompakt" heraus. Dem moderaten Preis ist wohl geschuldet, dass diesmal das Libretto fehlt. Es werden vor allem jene Leser vermissen, die sich selbst ein Bild vom Handlungsverlauf machen möchten. Doch das Konzept der neuen Reihe, die es mittlerweile bereits auf zehn Titel bringt, sieht vor, vielfältige Informationen über das Werk zusammenzutragen und nur hin und wieder aus dem Textbuch zu zitieren. So gilt es also, sich der Führung der Autoren zu überlassen, und tatsächlich stößt man dabei immer wieder auf überraschende Einsichten.
Die Bände sind klar gegliedert, nacheinander werden der Komponist im Spiegel seiner Zeit, die Entstehungsgeschichte und das Sujet des Werks samt seinen literarischen Vorlagen traktiert. Eine synoptische Tabelle der politischen, kulturellen und biographischen Gleichzeitigkeiten ordnet das Werk ein; in Silke Leopolds Band zu "La Traviata" liest sie sich sogar wie eine packende Verdichtung historischer Ereignisse.
Herzstück der Bände ist das Kapitel "Musikalische und dramaturgische Gestaltung". Ihm fällt das größte Gewicht zu, und hier haben die Autoren Gelegenheit, bei einem "Streifzug durch die Partitur" tiefer einzusteigen in Machart und Seele des Werks. Mit jedem Notenbeispiel wird man hier dichter an die musikalische Dramaturgie herangeführt. Aber auch für Leser, die das Notenlesen nicht beherrschen, dürfte sich die Unmittelbarkeit des wörtlichen Zitats erschließen, wenn der Notentext mit Gesangsversen in kurzen, charakteristischen Ausschnitten eingeblendet wird.
So ist das entsprechende Kapitel im Band zu "Aida" zugleich leicht und dicht geschrieben. Auch der "Traviata"-Band hebt glücklicherweise stark auf die Musik ab; hier geht explizit um die Wirkung "emotional direkter" Melodien. Bei der Lektüre findet man leicht zu den musikalischen Zitaten zurück. Im Werkführer zu Wagners "Tristan und Isolde" findet sich erst im Anhang eine Auflistung von 32 Leitmotiven, von B wie Blickmotiv bis Z wie Zornmotiv. Diese Entscheidung wirkt nicht ganz glücklich, gerade weil Robert Maschkas musikdramaturgische Analyse durchaus anspruchsvoll ausfällt.
Eine schematische Darstellung der Figurenkonstellationen mag von manchem Leser als hilfreich empfunden werden. Doch beschriftete Pfeile zwischen Figurennamen erlauben eigentlich nur allereinfachste Aussagen wie "a liebt b" oder "b verrät c". Die Beziehung zwischen Wotan und Brünnhilde aber ist wohl doch etwas komplizierter, so dass der Autor Volker Mertens in seinem ansonsten sehr gut lesbaren Band über den "Ring des Nibelungen" zu einigen uneleganten Behelfsformulierungen über, unter und neben den Pfeilen greifen muss. Wenn Nothung, das Schwert, in der Grafik zur "Walküre" in den Mittelpunkt rückt, kristallisiert sich zwar ein beachtenswerter Aspekt heraus. Doch zumeist führen die sprachlichen Zwangsvereinfachungen in die Sackgasse.
Lohnend sind die anregenden und kurz gehaltenen Einleitungen. Manche Autoren beginnen mit einer persönlichen Rückblende, etwa auf ihre erste Begegnung mit der Oper, oder mit einer bestimmten Inszenierung. Oder die Einleitung ist, wie im Band zu "La Traviata", auf einen bedeutenden Film bezogen, in diesem Fall auf Luchino Viscontis "Der Leopard" (1963), der Ausschnitte aus Verdis Musik zitiert und ebenso für die gesellschaftlichen Umbrüche im italienischen Einigungsprozess des neunzehnten Jahrhunderts steht wie der Komponist selbst. Im Film schwingt noch Viscontis Auseinandersetzung mit "La Traviata" nach, die er 1955 an der Mailänder Scala inszeniert hatte mit Maria Callas als Violetta.
Die Mischung aus klarer Gliederung und individueller Autorenhandschrift ist es, die die Reihe "Opernführer kompakt" attraktiv macht. Klarer Aufbau, Glossar und farbige Bildausstattung, auch mit Beispielen aktueller Inszenierungen, sprechen für eine niedrige Einstiegsschwelle, vertiefende Analysen und Querverbindungen zu Musik, Theater und Film erfreuen aber auch die Kenner.
ANJA-ROSA THÖMING
Detlef Giese:
"Verdi: Aida".
Bärenreiter/Henschel Verlag, Kassel 2012. Opernführer kompakt. 135 S., br., 14,95 [Euro].
Michael Horst: "Puccini: Tosca".
Bärenreiter/Henschel Verlag, Kassel 2012. Opernführer kompakt. 136 S., br., 14,95 [Euro].
Volker Mertens: "Wagner: Der Ring des Nibelungen".
Bärenreiter/Henschel Verlag, Kassel 2013. Opernführer kompakt. 215 S., br., 19,95 [Euro].
Robert Maschka: "Wagner: Tristan und Isolde".
Bärenreiter/Henschel Verlag, Kassel 2013. Opernführer kompakt. 135 S., br., 14,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Ein gutes Konzept mit individueller Handschrift umgesetzt: Eine neue Reihe von knapp gehaltenen einführenden Opernbüchern kann sich sehen lassen
Mit "Fidelio" und "Don Giovanni" begann der Rowohlt Verlag 1981 zusammen mit Ricordi aus Mailand die Reihe der "rororo Opernbücher" zu publizieren. Die von Attila Csampai und Dietmar Holland herausgegebenen Bände schlossen damals die Lücke zwischen den zwangsläufig kursorischen Artikeln eines Opernführers und eher spezialisierten Programmheftessays zu einer bestimmten Produktion. Die Bände versammelten neben einem kompletten, auch zweisprachigen Textbuch vertiefende Essays verschiedener Autoren zur Entstehung der jeweiligen Oper, zu Musik, Drama und Rezeptionsgeschichte. Die Abbildungen brachten historische Bühnenbild-Zeichnungen und Beispiele anspruchsvoller Theaterfotografie.
Gut dreißig Jahre später - die rororo-Bände sind inzwischen nicht mehr lieferbar - bringen nun zwei Verlage eine neue Opernbuchreihe mit dem Titel "Opernführer kompakt" heraus. Dem moderaten Preis ist wohl geschuldet, dass diesmal das Libretto fehlt. Es werden vor allem jene Leser vermissen, die sich selbst ein Bild vom Handlungsverlauf machen möchten. Doch das Konzept der neuen Reihe, die es mittlerweile bereits auf zehn Titel bringt, sieht vor, vielfältige Informationen über das Werk zusammenzutragen und nur hin und wieder aus dem Textbuch zu zitieren. So gilt es also, sich der Führung der Autoren zu überlassen, und tatsächlich stößt man dabei immer wieder auf überraschende Einsichten.
Die Bände sind klar gegliedert, nacheinander werden der Komponist im Spiegel seiner Zeit, die Entstehungsgeschichte und das Sujet des Werks samt seinen literarischen Vorlagen traktiert. Eine synoptische Tabelle der politischen, kulturellen und biographischen Gleichzeitigkeiten ordnet das Werk ein; in Silke Leopolds Band zu "La Traviata" liest sie sich sogar wie eine packende Verdichtung historischer Ereignisse.
Herzstück der Bände ist das Kapitel "Musikalische und dramaturgische Gestaltung". Ihm fällt das größte Gewicht zu, und hier haben die Autoren Gelegenheit, bei einem "Streifzug durch die Partitur" tiefer einzusteigen in Machart und Seele des Werks. Mit jedem Notenbeispiel wird man hier dichter an die musikalische Dramaturgie herangeführt. Aber auch für Leser, die das Notenlesen nicht beherrschen, dürfte sich die Unmittelbarkeit des wörtlichen Zitats erschließen, wenn der Notentext mit Gesangsversen in kurzen, charakteristischen Ausschnitten eingeblendet wird.
So ist das entsprechende Kapitel im Band zu "Aida" zugleich leicht und dicht geschrieben. Auch der "Traviata"-Band hebt glücklicherweise stark auf die Musik ab; hier geht explizit um die Wirkung "emotional direkter" Melodien. Bei der Lektüre findet man leicht zu den musikalischen Zitaten zurück. Im Werkführer zu Wagners "Tristan und Isolde" findet sich erst im Anhang eine Auflistung von 32 Leitmotiven, von B wie Blickmotiv bis Z wie Zornmotiv. Diese Entscheidung wirkt nicht ganz glücklich, gerade weil Robert Maschkas musikdramaturgische Analyse durchaus anspruchsvoll ausfällt.
Eine schematische Darstellung der Figurenkonstellationen mag von manchem Leser als hilfreich empfunden werden. Doch beschriftete Pfeile zwischen Figurennamen erlauben eigentlich nur allereinfachste Aussagen wie "a liebt b" oder "b verrät c". Die Beziehung zwischen Wotan und Brünnhilde aber ist wohl doch etwas komplizierter, so dass der Autor Volker Mertens in seinem ansonsten sehr gut lesbaren Band über den "Ring des Nibelungen" zu einigen uneleganten Behelfsformulierungen über, unter und neben den Pfeilen greifen muss. Wenn Nothung, das Schwert, in der Grafik zur "Walküre" in den Mittelpunkt rückt, kristallisiert sich zwar ein beachtenswerter Aspekt heraus. Doch zumeist führen die sprachlichen Zwangsvereinfachungen in die Sackgasse.
Lohnend sind die anregenden und kurz gehaltenen Einleitungen. Manche Autoren beginnen mit einer persönlichen Rückblende, etwa auf ihre erste Begegnung mit der Oper, oder mit einer bestimmten Inszenierung. Oder die Einleitung ist, wie im Band zu "La Traviata", auf einen bedeutenden Film bezogen, in diesem Fall auf Luchino Viscontis "Der Leopard" (1963), der Ausschnitte aus Verdis Musik zitiert und ebenso für die gesellschaftlichen Umbrüche im italienischen Einigungsprozess des neunzehnten Jahrhunderts steht wie der Komponist selbst. Im Film schwingt noch Viscontis Auseinandersetzung mit "La Traviata" nach, die er 1955 an der Mailänder Scala inszeniert hatte mit Maria Callas als Violetta.
Die Mischung aus klarer Gliederung und individueller Autorenhandschrift ist es, die die Reihe "Opernführer kompakt" attraktiv macht. Klarer Aufbau, Glossar und farbige Bildausstattung, auch mit Beispielen aktueller Inszenierungen, sprechen für eine niedrige Einstiegsschwelle, vertiefende Analysen und Querverbindungen zu Musik, Theater und Film erfreuen aber auch die Kenner.
ANJA-ROSA THÖMING
Detlef Giese:
"Verdi: Aida".
Bärenreiter/Henschel Verlag, Kassel 2012. Opernführer kompakt. 135 S., br., 14,95 [Euro].
Michael Horst: "Puccini: Tosca".
Bärenreiter/Henschel Verlag, Kassel 2012. Opernführer kompakt. 136 S., br., 14,95 [Euro].
Volker Mertens: "Wagner: Der Ring des Nibelungen".
Bärenreiter/Henschel Verlag, Kassel 2013. Opernführer kompakt. 215 S., br., 19,95 [Euro].
Robert Maschka: "Wagner: Tristan und Isolde".
Bärenreiter/Henschel Verlag, Kassel 2013. Opernführer kompakt. 135 S., br., 14,95 [Euro].
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