Auf Jacob Taubes kam ich über Norbert Bolz, dessen Art zu denken ebenso weit scheint wie jene seines Lehrers und mit jener von Carl Schmitt verglichen werden könnte. Henning Ritter schreibt beeindruckt über Carl Schmitt: „Eine Mischung von altmodischer Höflichkeit und anarchischer Freiheit im
Gespräch. Er wirkte nicht wie ein Professor, sondern wie ein Künstler, der ein uferloses Werk erläutert.“…mehrAuf Jacob Taubes kam ich über Norbert Bolz, dessen Art zu denken ebenso weit scheint wie jene seines Lehrers und mit jener von Carl Schmitt verglichen werden könnte. Henning Ritter schreibt beeindruckt über Carl Schmitt: „Eine Mischung von altmodischer Höflichkeit und anarchischer Freiheit im Gespräch. Er wirkte nicht wie ein Professor, sondern wie ein Künstler, der ein uferloses Werk erläutert.“ Er brachte immer wieder höchst originelle Gesichtspunkte ins Gespräch ein ebenso wie dies Jacob Taubes zweifellos konnte, ein jüdischer Denker aus Galizien, der wenig Schriftliches hinterließ, dafür aber umso mehr Ideen und Gedanken, ein Ideenhändler und Menschenfänger.
Henning Ritter skizziert die Denker Carl Schmitt, Jacob Taubes, Klaus Heinrich, Isaiah Berlin und Hans Blumenberg, die er im Haus seines Vaters, des Professors Joachim Ritter, kennen- und schätzen lernte.
Jacob Taubes nimmt von den 107 Seiten immerhin 40 Seiten ein, er war es, warum ich dieses Buch erwarb. Die Schilderungen von Henning Ritter faszinieren, sie zeigen das Bild des Menschen Jacob Taubes, der alles und noch mehr denken wollte, alle Aspekte einer Sache un-ideologisch spannend fand.
Taubes ermunterte seine Schüler zum Denken ohne Scheuklappen, zum Infrage stellen und neu denken ohne Berührungsängste. Wollte man es negativ sehen, war er ein Mensch, der immer beeindrucken, interessant sein wollte. Im positiven Sinne war er ein echter Wissenschaftler, der über Zweifel und Versuchungen weiter kommen wollte. Er wollte alles drehen und wenden, erkennen und Bücher las er , um „den einen Satz oder das eine Wort zu finden, in dem das Wesentliche eines Buches kondensiert war.“
Weites, unerhörtes, vorurteilsfreies Denken war für Taubes ein Synonym für jüdisches Denken, für theologisches Denken. „Alle säkulare Philosophie hatte für ihn eine antitheologische Spitze, dies es abzubrechen galt: Denn sie wollte den Menschen als von Natur aus gutes Wesen hinstellen, sie war, selbst wenn sie vom radikal Bösen sprach, eine Leugnung des Bösen.“
Taubes war ein Meister des Gesprächs, seine unsagbar lebenssprühenden Sujets faszinieren bis heute, er wusste seine Zuhörer zu fesseln, egal bei welchen Themen. „Geist sollte beleben, sonst nichts, uns so wurde es die Mission von Jacob Taubes, solche geistige Erregtheit zu übermitteln.
Carl Schmitt formulierte seine Sichtweise der damaligen Universitäten, de er von ich-bezogenen Priestern durchzogen sah. „Die Kanzel wurde zum Katheter für philosophische und moralische Vorlesungen. Dann wandelte sich das Katheter zur Bühne, in dem die Bühne zur moralischen Anstalt und die moralische Anstalt zur Bühne wurde.“ Er sah drei bürgerliche Gesichter zusammenkommen, die den geistigen Typus der Zeit charakterisierten: das eines Predigers, eines Professors und eines Schauspielers. Heute würde man meinen, dass sich diese Menschen auch in der Politik und im Journalismus finden, ihre Kunst besteht darin, moraliingetränkte Sichtweisen zu versprühen, um Macht auszuüben.
Ebenso spannend wie Jacob Taubes sind die Ausführungen Ritters zu Carl Schmitt, Klaus Heinrich, Isaiah Berlin und Hans Blumenberg. Von allen Begegnungen wird man nachdenklich gestimmt und höchst angeregt. Im Anschluss an dieses Buch lese ich von Jerry Z. Muller: Professor der Apokalypse, die vielen Leben des Jacob Taubes.