Aus dem viele tausend Briefe umfassenden Bestand im Nachlaß des Dichters Peter Hacks hat Rainer Kirsch eine umfangreiche Auswahl der Briefe von Hacks an Schriftstellerkollegen getroffen, chronologisch geordnet und knapp kommentiert.Unter den Adressaten sind u. a Bertolt Brecht, Hans Magnus Enzensberger, Robert Gernhardt, Stefan Heym, Stephan Hermlin, Wieland Herzfelde, Hermann Kant, Erich Kästner, James Krüss, Thomas Mann, Heiner Müller, Peter Weiss, Arnold Zweig. Die Briefe, durchweg originell und sachkundig, sind chronologisch angeordnet und kurz kommentiert. Sie zeigen den Dichter geist- und lustvoll bei seiner Arbeit und in der Kommunikation über poetische, politische, aber auch private Probleme. Gleichzeitig erzählen die aus einem Zeitraum von mehr als 50 Jahren stammenden Briefen auch eine kleine Biographie des 2003 gestorbenen Autors.
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 30.03.2007Was ich bin? Ein Klassiker natürlich!
Formvollendung, Ulbricht-Treue: Peter Hacks in seinen Briefen und Essays
Wie wird man ein Klassiker? Vor allem durch die Anstrengungen dessen, den der Ehrgeiz dahin treibt. Es kommt aber zugleich auf viele kleine und manchmal große Gesten und Gefälligkeiten an, die das Projekt gelingen lassen. Man beobachte Schiller, wie er daran arbeitet, sich Goethe angenehm zu machen. Es gelang.
Begabung auf dem Feld, auf dem einer für immer zu glänzen bestrebt ist, gehört natürlich auch dazu. Exquisite Begabung für Drama und Prosa, zuletzt auch für Gedichte kann man Peter Hacks nicht absprechen. Eher schon mag man ein ironisches Projekt darin erblicken, der Klassiker der DDR zu werden, was einschloss, es für alle Lande zu sein, soweit die deutsche Zunge reicht: In einem Gespräch mit der Zeitung Junge Welt, das in seinen „Politischen Schriften” aus den Jahren 1988 bis 2003 abgedruckt ist, bemerkt Hacks: „Die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts gehört einfach Thomas Mann und Brecht. Thomas Mann gehört die Prosa und Brecht das Drama und die Lyrik. Was ich Ihnen als Vermutung anbiete, ist, daß die zweite Hälfte Arno Schmidt und mir gehört. Arno Schmidt für die Prosa, mir für Dramatik und Lyrik.” Bemerkenswert an dieser Vermutung ist, dass sie gar nicht so falsch ist. Man kann sie sogar bescheiden nennen, zieht man in Betracht, wie faszinierend Hacks Prosastil in seinen Essays ist.
Das Ende der Revolution
Was Hacks‘ Gewissheit, ein Klassiker zu werden, allerdings im Wege steht, ist die Tatsache, dass die DDR seinen Erwartungen nicht gerecht geworden ist. Dies ist, ohne eine Spur von Selbstkritik, das Hauptthema der politischen Schriften mit dem selbstbewussten Titel „Am Ende verstehen sie es”: Die DDR-Politiker nach Ulbricht haben die DDR verraten, zuvor hatten die Politiker der Sowjetunion, die auf Stalin folgten, den Kommunismus in der Sowjetunion, ja, im ganzen Ostblock verraten.
Nie konnte Hacks vergessen, dass Brecht, zu dem er, aus München kommend, in den fünfziger Jahren gegangen war, über die Rede Nikita Chruschtschows auf dem XX. Parteitag der KPdSU – die Abrechnung mit Stalin – „in fast hysterische Begeisterung geraten” war. In einem stellenweise bewegenden Briefwechsel mit dem Historiker Kurt Gossweiler beklagen beide das ihrer Ansicht nach entstellte Stalin-Bild seither und suchen Boden zu gewinnen für eine Geschichtsschreibung, in der das Ende des ersten Anlaufs zum Sozialismus bereits vierzig Jahre nach der Großen Oktoberrevolution beginnt: mit dem Sieg des Revisionismus zuerst in Russland, dann viel später im Mutterland des Marxismus. Hauptschlag: die Absetzung – Hacks spricht von der politischen Ermordung – Walter Ulbrichts.
Wer dies für Verirrungen eines verbitterten alten Mannes hält, wird belehrt durch die „Briefe an Schriftsteller”, die Hacks über 55 Jahre geschrieben hat und die nun zum größeren Teil in einer – leider schwach kommentierten – Ausgabe von Rainer Kirsch vorliegen. Es beginnt, ein würdiger Eingang , mit einem Brief an Thomas Mann, dem der gerade zwanzigjährige Hacks eine Universitätsarbeit über „Lotte in Weimar” zusendet , wozu der Kommentar des Empfängers mitgeteilt wird, diese Arbeit sei „das Gescheiteste”, was ihm „über das Buch vor Augen gekommen” sei. Klassiker unter sich.
Wobei es freilich nicht immer so harmonisch zugeht. Der nächste hier abgedruckte Brief ist schon an Bert Brecht gerichtet. Als dieser auf die Frage des nun promovierten Verehrers, ob es gut sei, „in die Ostzone zu gehen” (1951 !), nicht in dem gewünschten Sinne Ratschlag erteilt, antwortet Hacks elegant , aber im Postskriptum doch auch mit jenem Witz, der Gekränktheit überspielt und eine graziöse Pointe setzt: „Meine mitgesandten Manuskripte haben Sie nicht eigens erwähnt. Wenn das auch ein Rat war, werde ich ihn auch nicht befolgen.” Freunde wurden die beiden nie, das ahnt man hier schon. Aber das Vergnügen, das der Leser an solchen Wendungen haben kann, wiederholt sich bei der Lektüre dieses Buchs unzählige Male.
Kurz darauf war Hacks in der Ostzone. Man wird ihm rasch beigebracht haben, dass sie nicht Ostzone, sondern DDR heiße. Und schon wenige Jahre später war er, wie ein Austausch offener Briefe mit Hans Magnus Enzensberger aus Anlass von dessen Gedichtband „die verteidigung der wölfe” zeigt, ganz der ihre. Enzensberger hat dabei eine gute Figur gemacht, aber das muss man in seinem Essayband „einzelheiten” nachlesen, denn Antworten druckt Kirsch heute durchweg so wenig, wie die Enzensbergers damals in Ost-Berlin gedruckt wurden. Frivoler Höhepunkt in der Artikulation der Liebe zur neuen Heimat ist hier die Versicherung „auf mein Wort, daß ich lieber ein Jahr in einer beliebigen Strafanstalt der DDR zubringe als ein halbes Jahr in Straubing oder in Tegel oder wo immer in Westdeutschland Sie wollen.”
Aber als Enzensberger schließlich die Revolution zu denken begann und ein Stichwortgeber der 68er Generation wurde, war dies Hacks auch nicht willkommen. „Die 68er Revolution war”, schrieb er im August 2000 an Gossweiler, „eine proimperialistische Revolution”. Und: „Die furchtbarsten aller Ex-68er, die Imperialisten Clinton und Schröder, waren 68er nicht nur dem Alter, auch der politischen Facon nach.”
Aber im Übrigen war Hacks ein so intelligenter wie nobler Briefschreiber. Er hielt Freundschaft mit alten Freunden (Heinar Kipphardt, James Krüss ), ermutigte junge Autoren, ohne ihnen falsche Hoffnungen zu machen oder über ihre Schwächen hinwegzusehen (Christoph Hein, Rudi Strahl), machte Betriebspolitik ohne Verbissenheit, wie seine Briefe an und über Friedrich Dieckmann zeigen, und suchte die Verbindung mit Leuten, die er für annähernd seinesgleichen hielt (Robert Gernhardt, Peter Rühmkorf). Ein Schreiben an Arno Schmidt aus dem Jahr 1960 enthält den unbefangenen Satz: „Ich habe das Bedürfnis, Sie von meiner Existenz in Kenntnis zu setzen und Ihnen ein paar Komplimente zu machen.”
Alles klingt immer ein wenig von oben herab gesprochen. Kein Zweifel, lieber hätte Hacks die Gesellschaft als Fürst besser gemacht denn als DDR-Bewohner. Dass er ein DDR-Bewohner war, hielt ihn allerdings nicht davon ab, wie ein Fürst zu leben. Allerdings lebte Hacks als Fürst, der auf den Fortschritt setzt, und Fortschritt hieß für ihn auch: die Molekularbiologie wird mit allen Krankheiten fertig, die Atomphysik löst das Energieproblem.
Stil und Stalinismus
Was bei all dem konsterniert, ist die Unirritierbarkeit seines Bekenntnisses zum Kommunismus stalinistischer Prägung, seiner Verehrung für Ulbricht. Seine Gewissheit, die eigenen politischen Überzeugungen beruhten auf Einsichten, die wissenschaftlich gesichert und von bürgerlicher Seite zumal unangreifbar seien, wirkt nicht erst heute komisch. Enzensberger warf er in grenzenloser Liebenswürdigkeit letztlich nur Unkenntnis vor, das reichte ihm. Es herrscht die fugenlose instrumentelle Vernunft. Da trifft aber auch andrerseits zu, was Hannah Arendt zur totalitären Herrschaft notiert, dass diese nämlich kraft ihres Anspruchs, Politik als Wissenschaft oder als überlegene Weltanschauung anzubieten, oft gerade die besten Köpfe aus den Eliten anzieht. Wenn Hannah Arendt die späte Sowjetunion und die DDR nach dem Sturz Ulbrichts nicht mehr als totalitäre Staaten ansah, so bestätigte sie damit die Enttäuschung, die Hacks erlebte. Für Honecker wäre Hacks nicht „nach drüben” gegangen.
Hacks Werke liegen derzeit in 15 Bänden vor. Wer sie alle, zumal die Kinderbücher, nach wie vor sehr gern hat, muss sich als Freund schöner Literatur nicht genieren. Hacks kann ein Klassiker werden – wenn auch nicht der Klassiker, der er werden wollte. JÜRGEN BUSCHE
PETER HACKS: Verehrter Kollege. Briefe an Schriftsteller. Herausgegeben von Rainer Kirsch. Eulenspiegel Verlag, Berlin 2006. 367 Seiten, 19,80 Euro.
PETER HACKS: Am Ende verstehen sie es. Politische Schriften 1988-2003. Herausgegeben von André Thiele und Johannes Oehme. Mit einem Vorwort von Hans Heinz Holz. Eulenspiegel Verlag, Berlin 2006. 234 Seiten, 14,90 Euro.
Der Schriftsteller Peter Hacks (1928-2003) in einer Aufnahme aus dem Jahr 1972 Foto: Cinetext/LB
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Formvollendung, Ulbricht-Treue: Peter Hacks in seinen Briefen und Essays
Wie wird man ein Klassiker? Vor allem durch die Anstrengungen dessen, den der Ehrgeiz dahin treibt. Es kommt aber zugleich auf viele kleine und manchmal große Gesten und Gefälligkeiten an, die das Projekt gelingen lassen. Man beobachte Schiller, wie er daran arbeitet, sich Goethe angenehm zu machen. Es gelang.
Begabung auf dem Feld, auf dem einer für immer zu glänzen bestrebt ist, gehört natürlich auch dazu. Exquisite Begabung für Drama und Prosa, zuletzt auch für Gedichte kann man Peter Hacks nicht absprechen. Eher schon mag man ein ironisches Projekt darin erblicken, der Klassiker der DDR zu werden, was einschloss, es für alle Lande zu sein, soweit die deutsche Zunge reicht: In einem Gespräch mit der Zeitung Junge Welt, das in seinen „Politischen Schriften” aus den Jahren 1988 bis 2003 abgedruckt ist, bemerkt Hacks: „Die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts gehört einfach Thomas Mann und Brecht. Thomas Mann gehört die Prosa und Brecht das Drama und die Lyrik. Was ich Ihnen als Vermutung anbiete, ist, daß die zweite Hälfte Arno Schmidt und mir gehört. Arno Schmidt für die Prosa, mir für Dramatik und Lyrik.” Bemerkenswert an dieser Vermutung ist, dass sie gar nicht so falsch ist. Man kann sie sogar bescheiden nennen, zieht man in Betracht, wie faszinierend Hacks Prosastil in seinen Essays ist.
Das Ende der Revolution
Was Hacks‘ Gewissheit, ein Klassiker zu werden, allerdings im Wege steht, ist die Tatsache, dass die DDR seinen Erwartungen nicht gerecht geworden ist. Dies ist, ohne eine Spur von Selbstkritik, das Hauptthema der politischen Schriften mit dem selbstbewussten Titel „Am Ende verstehen sie es”: Die DDR-Politiker nach Ulbricht haben die DDR verraten, zuvor hatten die Politiker der Sowjetunion, die auf Stalin folgten, den Kommunismus in der Sowjetunion, ja, im ganzen Ostblock verraten.
Nie konnte Hacks vergessen, dass Brecht, zu dem er, aus München kommend, in den fünfziger Jahren gegangen war, über die Rede Nikita Chruschtschows auf dem XX. Parteitag der KPdSU – die Abrechnung mit Stalin – „in fast hysterische Begeisterung geraten” war. In einem stellenweise bewegenden Briefwechsel mit dem Historiker Kurt Gossweiler beklagen beide das ihrer Ansicht nach entstellte Stalin-Bild seither und suchen Boden zu gewinnen für eine Geschichtsschreibung, in der das Ende des ersten Anlaufs zum Sozialismus bereits vierzig Jahre nach der Großen Oktoberrevolution beginnt: mit dem Sieg des Revisionismus zuerst in Russland, dann viel später im Mutterland des Marxismus. Hauptschlag: die Absetzung – Hacks spricht von der politischen Ermordung – Walter Ulbrichts.
Wer dies für Verirrungen eines verbitterten alten Mannes hält, wird belehrt durch die „Briefe an Schriftsteller”, die Hacks über 55 Jahre geschrieben hat und die nun zum größeren Teil in einer – leider schwach kommentierten – Ausgabe von Rainer Kirsch vorliegen. Es beginnt, ein würdiger Eingang , mit einem Brief an Thomas Mann, dem der gerade zwanzigjährige Hacks eine Universitätsarbeit über „Lotte in Weimar” zusendet , wozu der Kommentar des Empfängers mitgeteilt wird, diese Arbeit sei „das Gescheiteste”, was ihm „über das Buch vor Augen gekommen” sei. Klassiker unter sich.
Wobei es freilich nicht immer so harmonisch zugeht. Der nächste hier abgedruckte Brief ist schon an Bert Brecht gerichtet. Als dieser auf die Frage des nun promovierten Verehrers, ob es gut sei, „in die Ostzone zu gehen” (1951 !), nicht in dem gewünschten Sinne Ratschlag erteilt, antwortet Hacks elegant , aber im Postskriptum doch auch mit jenem Witz, der Gekränktheit überspielt und eine graziöse Pointe setzt: „Meine mitgesandten Manuskripte haben Sie nicht eigens erwähnt. Wenn das auch ein Rat war, werde ich ihn auch nicht befolgen.” Freunde wurden die beiden nie, das ahnt man hier schon. Aber das Vergnügen, das der Leser an solchen Wendungen haben kann, wiederholt sich bei der Lektüre dieses Buchs unzählige Male.
Kurz darauf war Hacks in der Ostzone. Man wird ihm rasch beigebracht haben, dass sie nicht Ostzone, sondern DDR heiße. Und schon wenige Jahre später war er, wie ein Austausch offener Briefe mit Hans Magnus Enzensberger aus Anlass von dessen Gedichtband „die verteidigung der wölfe” zeigt, ganz der ihre. Enzensberger hat dabei eine gute Figur gemacht, aber das muss man in seinem Essayband „einzelheiten” nachlesen, denn Antworten druckt Kirsch heute durchweg so wenig, wie die Enzensbergers damals in Ost-Berlin gedruckt wurden. Frivoler Höhepunkt in der Artikulation der Liebe zur neuen Heimat ist hier die Versicherung „auf mein Wort, daß ich lieber ein Jahr in einer beliebigen Strafanstalt der DDR zubringe als ein halbes Jahr in Straubing oder in Tegel oder wo immer in Westdeutschland Sie wollen.”
Aber als Enzensberger schließlich die Revolution zu denken begann und ein Stichwortgeber der 68er Generation wurde, war dies Hacks auch nicht willkommen. „Die 68er Revolution war”, schrieb er im August 2000 an Gossweiler, „eine proimperialistische Revolution”. Und: „Die furchtbarsten aller Ex-68er, die Imperialisten Clinton und Schröder, waren 68er nicht nur dem Alter, auch der politischen Facon nach.”
Aber im Übrigen war Hacks ein so intelligenter wie nobler Briefschreiber. Er hielt Freundschaft mit alten Freunden (Heinar Kipphardt, James Krüss ), ermutigte junge Autoren, ohne ihnen falsche Hoffnungen zu machen oder über ihre Schwächen hinwegzusehen (Christoph Hein, Rudi Strahl), machte Betriebspolitik ohne Verbissenheit, wie seine Briefe an und über Friedrich Dieckmann zeigen, und suchte die Verbindung mit Leuten, die er für annähernd seinesgleichen hielt (Robert Gernhardt, Peter Rühmkorf). Ein Schreiben an Arno Schmidt aus dem Jahr 1960 enthält den unbefangenen Satz: „Ich habe das Bedürfnis, Sie von meiner Existenz in Kenntnis zu setzen und Ihnen ein paar Komplimente zu machen.”
Alles klingt immer ein wenig von oben herab gesprochen. Kein Zweifel, lieber hätte Hacks die Gesellschaft als Fürst besser gemacht denn als DDR-Bewohner. Dass er ein DDR-Bewohner war, hielt ihn allerdings nicht davon ab, wie ein Fürst zu leben. Allerdings lebte Hacks als Fürst, der auf den Fortschritt setzt, und Fortschritt hieß für ihn auch: die Molekularbiologie wird mit allen Krankheiten fertig, die Atomphysik löst das Energieproblem.
Stil und Stalinismus
Was bei all dem konsterniert, ist die Unirritierbarkeit seines Bekenntnisses zum Kommunismus stalinistischer Prägung, seiner Verehrung für Ulbricht. Seine Gewissheit, die eigenen politischen Überzeugungen beruhten auf Einsichten, die wissenschaftlich gesichert und von bürgerlicher Seite zumal unangreifbar seien, wirkt nicht erst heute komisch. Enzensberger warf er in grenzenloser Liebenswürdigkeit letztlich nur Unkenntnis vor, das reichte ihm. Es herrscht die fugenlose instrumentelle Vernunft. Da trifft aber auch andrerseits zu, was Hannah Arendt zur totalitären Herrschaft notiert, dass diese nämlich kraft ihres Anspruchs, Politik als Wissenschaft oder als überlegene Weltanschauung anzubieten, oft gerade die besten Köpfe aus den Eliten anzieht. Wenn Hannah Arendt die späte Sowjetunion und die DDR nach dem Sturz Ulbrichts nicht mehr als totalitäre Staaten ansah, so bestätigte sie damit die Enttäuschung, die Hacks erlebte. Für Honecker wäre Hacks nicht „nach drüben” gegangen.
Hacks Werke liegen derzeit in 15 Bänden vor. Wer sie alle, zumal die Kinderbücher, nach wie vor sehr gern hat, muss sich als Freund schöner Literatur nicht genieren. Hacks kann ein Klassiker werden – wenn auch nicht der Klassiker, der er werden wollte. JÜRGEN BUSCHE
PETER HACKS: Verehrter Kollege. Briefe an Schriftsteller. Herausgegeben von Rainer Kirsch. Eulenspiegel Verlag, Berlin 2006. 367 Seiten, 19,80 Euro.
PETER HACKS: Am Ende verstehen sie es. Politische Schriften 1988-2003. Herausgegeben von André Thiele und Johannes Oehme. Mit einem Vorwort von Hans Heinz Holz. Eulenspiegel Verlag, Berlin 2006. 234 Seiten, 14,90 Euro.
Der Schriftsteller Peter Hacks (1928-2003) in einer Aufnahme aus dem Jahr 1972 Foto: Cinetext/LB
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Die "schwache Kommentierung" von Peter Hacks "Briefen an Schriftsteller" sowie den Umstand, dass der Band die Antworten der Briefpartner ausspart, scheint Jürgen Busche wegstecken zu können angesichts der Freude, die ihm die von Rainer Kirsch herausgegebene Korrespondenz aus 55 Jahren macht. Witz und Eleganz in der "Artikulation der Liebe zur neuen Heimat" des in die DDR übergesiedelten Hacks wechseln für Busche mit Intelligenz und Noblesse, etwa wenn es um die Ermutigung junger Autorenkollegen oder die "Betriebspolitik ohne Verbissenheit" geht. Für die Unbeirrbarkeit, mit der Hacks, auch in seinen Briefen, dem "Kommunismus stalinistischer Prägung" gehuldigt hat, will sich der Rezensent hingegen nicht begeistern. Über derartiges Walten "fugenloser instrumenteller Vernunft" kann er nur lachen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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