Marktplatzangebote
2 Angebote ab € 58,00 €
  • Broschiertes Buch

Die reichste, raffinierteste Zivilisation der Welt geht an ihrer eigenen Unzulänglichkeit zugrunde, die Metropole versinkt im Chaos, die letzte Stunde des Imperiums hat geschlagen. Der europäische Fantasie kreist bis auf den heutigen Tag um diesen Geschichtsmythos. Ob es um den Untergang des Abendlandes geht oder um den allerletzten Science-Fiction-Film aus Hollywood - immer ist es die römische Geschichte, die als Modell und Folie dient. Ihre klassische, nie übertroffene Darstellung, ein nie übertroffenes Meisterwerk der Historiographie, stammt von Edward Gibbon. "Die Geschichte", schrieb er…mehr

Produktbeschreibung
Die reichste, raffinierteste Zivilisation der Welt geht an ihrer eigenen Unzulänglichkeit zugrunde, die Metropole versinkt im Chaos, die letzte Stunde des Imperiums hat geschlagen. Der europäische Fantasie kreist bis auf den heutigen Tag um diesen Geschichtsmythos.
Ob es um den Untergang des Abendlandes geht oder um den allerletzten Science-Fiction-Film aus Hollywood - immer ist es die römische Geschichte, die als Modell und Folie dient.
Ihre klassische, nie übertroffene Darstellung, ein nie übertroffenes Meisterwerk der Historiographie, stammt von Edward Gibbon. "Die Geschichte", schrieb er vor mehr als zweihundert Jahren, " ist kaum mehr als ein Register aller Verbrechen, Torheiten und Katastrophen des Menschengeschlechts." Sein Lebenswerk entfaltet diesen Gedanken. Heute, da nur eine einzige imperiale Weltmacht geblieben ist, und angesichts neuer Fundamentalismen, ist es aktueller denn je.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.11.2003

Der Gentleman läßt bitten
Edward Gibbons Epochenwerk übers römische Imperium ist neu übersetzt / Von Uwe Walter

Der Titel des Werkes, im Original "The History of the Decline and Fall of the Roman Empire", ist sprichwörtlich geworden; selbst wer heutzutage keine Vorstellung mehr vom römischen Reich hat, weiß doch dies, daß es untergegangen ist. Historisch-kausale und geistesgeschichtliche Studien zu diesem Thema füllen eine kleine Bibliothek. Aber Edward Gibbon ist mit seiner differenzierten Schilderung der Transformation dieses Reiches - ein Untergang, der vom zweiten nachchristlichen Jahrhundert bis zur Eroberung von Byzanz im Jahre 1453 dauerte, kann nur eine solche sein - kaum für den Dornröschen-Traum späterer Gelehrter in Haftung zu nehmen, die hofften, im Wald die einzige und wahre Ursache für Verfall und Untergang des römischen Imperiums finden und wachküssen zu können.

Für Gibbon, der mit Recht eher darüber erstaunt war, daß das Reich so lange bestanden hat, ergab sich aus dem Zerbrechen des politischen Körpers zuerst im Westen, dann auch im Osten vielmehr ein Bild neuer Gesellschaften, Gesetze, Sitten und neuen Glaubens und Aberglaubens, mithin ein lebendiger Zusammenhang, der in seinen verschiedenen Stadien eher beschrieben denn aus bestimmten Voraussetzungen oder gar einzelnen Ursachen erklärt werden konnte und mußte.

Als Thesenbuch wahrgenommen, erregte das zwischen 1776 und 1788 in sechs Bänden publizierte Werk noch lange nach dem Tode des Autors im Jahre 1794 heftigen Widerspruch zumal bei den Kirchen aller Konfessionen, aber gelesen wurde Gibbon, weil er viel mehr bot, als in den berühmten Kapiteln vierzehn und fünfzehn über die Ausbreitung des Christentums an kritischen Richtigstellungen und hintersinnigen Sottisen ausgebreitet war. Und so provozierend diese knapp zweihundert Seiten in einer Zeit, als die Kämpfer für und wider den Glauben von tiefster Überzeugung angetrieben wurden, auch erscheinen mochten, so modern nehmen sie sich im Rückblick aus, nicht nur wegen der deutlichen Reduzierung der bis dahin angenommenen Opferzahlen bei den Christenverfolgungen. Seit Gibbon war es möglich, die Geschichte des Christentums als Teil der allgemeinen und der Sozialgeschichte Europas zu schreiben. Die eigene Glaubensüberzeugung des Autors konnte dabei keine Rolle mehr spielen, und konsequenterweise folgte Gibbon keiner der vielen Aufforderungen, sich in dieser Hinsicht zu erkennen zu geben. Er war viel zu sehr Historiker, um Agnostikern und Klerikalen auf den Platz des Kampfes um die letzte Wahrheit zu folgen.

Alle ironische Polemik gegen Mönche und Märtyrer und gegen die Differenz von Sollen und Sein beim kirchlichen Personal verstellte ihm daher nie die Einsicht, wie rasch die Christianisierung des Reiches unumkehrbar geworden war und welche Kräfte dadurch auch freigesetzt wurden. Gibbons distanzierte, ja kritische Schilderung von Kaiser Julians aussichtslosem Versuch der Restauration eines philosophisch geläuterten Heidentums irritierte denn prompt viele betont aufgeklärte Leser. Auch zum verfeinerten Lebensstil, der "unter dem gehässigen Namen Luxus von den Moralisten jedes Zeitalters scharf angeprangert" worden sei, hatte der Historiker-Gentleman nur Differenziertes zu sagen.

Die methodologische Sonderstellung des Werkes ergab sich zum guten Teil aus pragmatischen Entscheidungen. Der Autodidakt Gibbon wählte eine leidlich gut dokumentierte Epoche der Geschichte, bediente sich der Sammlungen und Studien von Altertumsforschern und dogmatisch gebundenen Kirchenhistorikern, ließ sich von Voltaire, Montesquieu und den soziologischen Erkenntnissen der schottischen Aufklärung inspirieren und nutzte seine - nicht sehr gründlichen - Erfahrungen als Milizoffizier und Parlamentsabgeordneter. Aber die geistigen, schriftlichen und lebensweltlichen Quellen zu identifizieren sagt fast nichts über das Werk aus. Anders gewendet: Die von Common sense geprägte Synthese war viel mehr als die Summe ihrer Voraussetzungen. Was Gibbon in einer Fußnote dem Verfasser einer gelehrten Abhandlung über die Wanderung der Germanen bescheinigte, hätte mit gleichem Recht in den Spiegel gesprochen sein können: Nur selten finde man eine so glückliche Verbindung von Altertumsforscher und Philosophen. Aber eine Generation nach Gibbon erblickte die Geschichtswissenschaft bei ihrer Selbsterfindung den archimedischen Punkt in der Quellenkritik und drängte die leitenden Ideen in die Implizitheit des Selbstverständlichen ab. So wurden Niebuhr und Ranke die Helden des Urknalles einer strengen Disziplin, Gibbon dagegen fand sich der Vorgeschichte zugeschlagen und zum bloß geistreichen Kompilator unkritisch gesammelter Gelehrsamkeit erklärt.

Philologen aus der Schule Karl Lachmanns mußten in der Tat seufzen, wenn sich Gibbon in der Fußnote zu einer der bis heute meistdiskutierten Tacitus-Stellen gegen die gängige Lesart entschied und dabei nur "Sinn und Verstand, Justus Lipsius und einige Manuskripte" auf seiner Seite wußte. Seine Einsicht, daß eine noch so glänzende Idee ohne Wert bleibt, wenn sie nicht durch Belege untermauert werden kann, daß aber ebenso eine Anhäufung von Fakten keine Geschichte ergibt und daß schließlich die Zivilisation mit ihren Bestandteilen Gesetz, Religion und Handel ein ergiebigerer Gegenstand ist als Kriege und diplomatische Rochaden, all dies schlug keine Funken, weil "Decline and Fall" als wissenschaftlich antiquiertes Meisterwerk der historischen Literatur galt. Die auf der Höhe seiner Zeit entwickelte Verbindung von gelehrter Historie und philosophischer Geschichte blieb als Antwort ungehört, weil die Fragen der neuen Wissenschaft inzwischen anders lauteten.

Selbstverständlich kann und sollte man "Decline and Fall", das zu den Klassikern der englischen Literatur zählt, auch ganz anders als nur wissenschaftsgeschichtlich lesen, etwa als Beitrag zur aktuellen Imperiendebatte und zur moralischen Redimensionierung von Geschichte oder einfach als vielschichtig-ironisches Lesevergnügen, mit wunderbaren Sätzen wie: "Die verschiedenen in der römischen Welt herrschenden Kulte galten sämtlich dem Volk als gleich wahr, den Philosophen als gleich falsch und der Obrigkeit als gleich nützlich."

Die Voraussetzungen für alle denkbaren Lektüren sind mit der nun vorliegenden Edition gegeben. Sie enthält die erste Hälfte des Gesamtwerkes, bis 476 nach Christus reichend, und setzt die einst mit Kassettenausgaben von Theodor Mommsen und Ferdinand Gregorovius begonnene Tradition des Verlags würdig fort. Die Neuübersetzung von Michael Walter ist sehr gut lesbar, vermittelt aber zugleich einen treffenden Eindruck vom variationsreichen Stil Gibbons. Walter Kumpmann hat die für das Verständnis von Gibbons Historiographie unentbehrlichen Fußnoten nach der verbreiteten wissenschaftlichen Ausgabe J. B. Burys übersetzt, Wilfried Nippel für den auch sonst sehr nützlichen Anhangsband auf knapp hundert Seiten eine gediegene Einführung zu Autor und Werk beigesteuert. In einer Zeit, die das Wort Bildung auf den Namen Schwanitz buchstabiert, zeugt diese erschwingliche Edition eines europäischen Grundbuchs von geradezu revolutionärem Mut.

Edward Gibbon: "Verfall und Untergang des römischen Imperiums". Bis zum Ende des Reiches im Westen. Aus dem Englischen von Michael Walter und Walter Kumpmann. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2003. 6 Bände in Kassette. 2270 S., br., Subskr.-Preis bis 31. Januar 2004 68,- [Euro] , danach 78,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

"Lange Zeit sah Edward Gibbons berühmtes Buch aus wie der klare Verlierer im Wettstreit geschichtswissenschaftlicher Methodik. Man hat es viel gepriesen und kaum weniger gelesen, jedoch mangelt es an dem, was der Geschichtsschreibung zum Fetisch wurde, der Quellenkritik - und also war Gibbon nicht mehr als Vorgeschichte der eigenen Disziplin. Das beginnt man, wie der Rezensent Uwe Walter feststellt, inzwischen differenzierter zu sehen - und zwar mit Recht. Denn durch die neue, "sehr gut lesbare" Übersetzung (bisher nur des ersten, auch schon sechs Bände umfassenden Teils) biete sich nun die Gelegenheit, festzustellen, dass sich in Gibbon die nur selten anzutreffende "glückliche Verbindung von Altertumsforscher und Philosophen" findet. Und ein "vielschichtig-ironisches Lesevergnügen" sei das Werk obendrein. Die Fußnoten, übersetzt nach der wissenschaftlichen englischen Ausgabe machen einen, so Walter, schlauer - für die "gediegene Einführung zu Autor und Werk", die den Bänden gleichfalls beigegeben ist, gilt dasselbe.

© Perlentaucher Medien GmbH"