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War das KPD-Verbot verfassungswidrig? Die unglaubliche Antwort von Josef Foschepoths neuem Buch lautet: Ja! Weil das Verfahren zur Feststellung der Verfassungswidrigkeit der KPD selbst verfassungswidrig war. Das gesamte Verfahren ist von Anfang an zwischen der Exekutive und der Judikative, der Bundesregierung und dem Bundesverfassungsgericht strategisch, taktisch und inhaltlich abgestimmt worden. Es gab keine getrennten Gewalten mehr, sondern nur noch einen Staat, der unter dem Druck der Bundesregierung darauf bestand, dass die KPD verboten wurde. In einem umfangreichen Dokumentarteil werden…mehr

Produktbeschreibung
War das KPD-Verbot verfassungswidrig? Die unglaubliche Antwort von Josef Foschepoths neuem Buch lautet: Ja! Weil das Verfahren zur Feststellung der Verfassungswidrigkeit der KPD selbst verfassungswidrig war. Das gesamte Verfahren ist von Anfang an zwischen der Exekutive und der Judikative, der Bundesregierung und dem Bundesverfassungsgericht strategisch, taktisch und inhaltlich abgestimmt worden. Es gab keine getrennten Gewalten mehr, sondern nur noch einen Staat, der unter dem Druck der Bundesregierung darauf bestand, dass die KPD verboten wurde. In einem umfangreichen Dokumentarteil werden die bislang unter Verschluss gehaltenen hochbrisanten Dokumente, die die zentrale These des Buches eindrucksvoll belegen, erstmals der Forschung und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Der "Staatsprozess" gegen die KPD war das größte, längste und umstrittenste Parteiverbotsverfahren in der Geschichte der Bundesrepublik. Nach fast fünfjähriger Prozessdauer verkündete das Bundesverfassungsgericht am 17. August 1956 das Urteil. Die KPD, alle Neben- und Nachfolgeorganisationen wurden verboten, ihr Vermögen eingezogen. Der größte Teil wurde vom Bundesinnenministerium zur Finanzierung des Vollzugs des KPD-Verbots in Anspruch genommen. Der Rest in Höhe von 4,83 Mio. DM wurde 1976/77 der Conterganstiftung für behinderte Menschen überwiesen.

Als Instrument des Kalten Bürgerkriegs, verfolgt im Westen, gesteuert vom Osten, lebte die illegale Partei bis 1969 weiter. Als weder die Bundesregierung, noch die SED an einer Wiederbelebung der KPD interessiert waren, verständigten sich beide Seiten auf die Gründung und Duldung einer neuen kommunistischen Partei, die DKP. Damit war der Weg zu einer neuen Ost- und Deutschlandpolitik der SPD-geführten Bundesregierung geöffnet, das Ende des Kalten Bürgerkriegs in Sicht. Das KPD-Verbot ist ein Schlüsselereignis der deutsch-deutschen Geschichte zwischen 1949 und 1969. Dem Erfolgsautor von "Überwachtes Deutschland" ist erneut ein bahnbrechendes Buch gelungen. Es vermittelt eine Fülle neuer Erkenntnisse und Einsichten zur Wirkmächtigkeit des Nationalsozialismus, zur Entstehung eines neuen Nationalismus, zur notwendigen Unterscheidung von Kaltem Krieg und Kaltem Bürgerkrieg, zur Bedeutung einer deutsch-deutschen Beziehungsgeschichte und nicht zuletzt zur Frage der Rechtsstaatlichkeit der Bundesrepublik Deutschland.
Autorenporträt
Foschepoth, Josef
Prof. Dr. Josef Foschepoth, früher Universität Freiburg, ist Historiker und Publizist. 2012 erschien sein aufsehenerregendes Buch »Überwachtes Deutschland«, das inzwischen in der 5. Auflage und in zwei Sonderauflagen erschienen ist.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.02.2018

Das Kind mit dem Bade ausgeschüttet
Eine gewagte Interpretation des Verbotsverfahrens gegen die KPD in den fünfziger Jahren

Ein Grundproblem von Parteiverboten in parlamentarischen Demokratien besteht darin, dass man sie nicht braucht, solange die fraglichen Parteien zu schwach sind, um die Verfassung zu bedrohen. Sobald diese Parteien jedoch stark und für eine freiheitliche Ordnung gefährlich werden, sind Verbote kaum mehr durchzusetzen. Das Dilemma stellte sich in der Frühzeit der Bundesrepublik angesichts einer vom Nationalsozialismus totalitär überformten Gesellschaft mit einer von Krieg und Niederlage politisch apathischen Bevölkerung besonders scharf, weil sich eine demokratische Ordnung erst allmählich einspielte, das Parteiensystem noch im Fluss war und die Siegermächte wichtige Eingriffsrechte behielten.

In dieser Gemengelage beantragte die Bundesregierung unter Konrad Adenauer beim erst kurz zuvor eingerichteten Bundesverfassungsgericht am 16. November 1951 zwei Parteiverbote: gegen die neonazistische Sozialistische Reichspartei (SRP) und gegen die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD). Der erste Antrag war nicht zuletzt dem Druck der Alliierten geschuldet, die jedes Aufkeimen eines parteimäßig organisierten Neonazismus im Keim ersticken wollten. Der zweite Antrag entsprach einem in Bevölkerung und Regierung tief verwurzelten Antikommunismus und dem verbreiteten Gefühl, aus dem Osten auf vielfältige Weise - auch durch Umtriebe von Kommunisten in der Bundesrepublik - bedroht zu werden.

Beides galt in der Forschung bisher meist als Ausdruck jenes antitotalitären Grundkonsenses der Adenauer-Ära, der sich gegen Extremisten von rechts und links richtete. Der Freiburger Historiker Josef Foschepoth entwickelt in einer fast 500 Seiten starken, mit umfangreichem Dokumentenanhang versehenen Studie eine andere Sichtweise. In seinen Augen war das Verfahren gegen die KPD - im Gegensatz zum SRP-Verbot - "durch und durch verfassungswidrig". Das Ausrufezeichen im Titel verrät: Der Historiker agiert nicht als um Ausgewogenheit bemühter Richter, sondern als Staatsanwalt in einem Prozess, in dem statt der KPD nun Adenauer, die Bundesregierung und das Verfassungsgericht auf der Anklagebank sitzen.

Für Foschepoth bildete nicht der Antitotalitarismus, sondern ein "nationalistischer", ja "totalitärer Antikommunismus" den Gründungskonsens der Bundesrepublik. Die Regierung habe mit ihrem Antrag das Ziel verfolgt, "nach dem misslungenen Versuch, den Kommunismus durch einen Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion auszurotten, gewissermaßen in einem zweiten Anlauf, dieses Mal mit den Mitteln des Rechtsstaats wenigstens im Westen Deutschlands dem Kommunismus den Garaus zu machen". Das Verfassungsgericht sei dem nicht entgegengetreten, sondern der Regierung gegen alle Grundsätze der Gewaltentrennung zu Diensten gewesen.

Obwohl der Autor so gründlich wie niemand zuvor neben den SED- und KPD-Beständen auch die Akten des Bundeskanzleramtes, des Innen- und Justizministeriums, des Verfassungsschutzes und sogar des lange Zeit für seine Verschlossenheit berüchtigten Bundesverfassungsgerichts ausgewertet hat, bleibt er überzeugende Belege für diese gewagten Behauptungen schuldig. Die KPD erscheint hier als eine durch den Widerstand gegen Hitler geadelte und nach 1945 überwiegend auf die respektable Vertretung lokaler Interessen von Arbeitern beschränkte, weitgehend einflusslose Milieupartei. Ihre konsequente Ausrichtung auf die Interessen und Prinzipien der stalinistischen Kaderpartei SED wird erwähnt, findet aber kaum Niederschlag in der Gesamtbewertung.

Ausführlich schildert Foschepoth die NS-Verstrickung des ersten Verfassungsgerichtspräsidenten Hermann Höpker-Aschoff, der sich als Abteilungsleiter in der sogenannten Haupttreuhandstelle Ost an der Ausplünderung Polens beteiligt hatte. Daraus leitet Foschepoth die Vermutung ab, Höpker-Aschoff habe den Beginn des Verfahrens gegen die KPD bewusst verzögert, weil er fürchten musste, im Verhandlungsverlauf vom SED-Regime öffentlich bloßgestellt zu werden. Die Spekulation mag zutreffen oder nicht (einen handfesten Quellenbeleg bleibt Foschepoth schuldig), als Nachweis einer Indienstnahme des Gerichts durch die Bundesregierung taugt sie kaum. Denn Höpker-Aschoff versuchte ja, die Regierungspläne zu hintertreiben oder wenigstens hinauszuzögern.

Warum nicht nur das Zustandekommen des Prozesses, sondern auch dessen Ablauf verfassungswidrig gewesen sei, begründet Foschepoth vor allem mit inoffiziellen Vorabsprachen zwischen Regierung und Gericht. Das als "streng geheim" klassifizierte Protokoll eines Treffens zwischen Erwin Stein, dem für den Prozess verantwortlichen Berichterstatter im Ersten Senat des Gerichts, und einem Regierungsrat aus dem Innenministerium ist im Anhang abgedruckt. Aus ihm geht hervor, dass in der Tat wichtige Verfahrensfragen bis hin zur Auswahl von Sachverständigen und Zeugen im Vorhinein abgestimmt wurden.

Im Kern läuft Foschepoths Vorwurf auf das hinaus, was Hans-Peter Schwarz - mit ungleich wohlwollenderem Grundton - schon vor mehr als 35 Jahren als politische "Feinsteuerung des Prozesses" charakterisiert hatte. Adenauer erscheint auch in Foschepoths Darstellung weniger als Kommunistenfresser denn als Taktiker, der ohne größere Skrupel mal auf Beschleunigung des Verfahrens drängte und mal auf Verzögerung, etwa um vor einer Landtagswahl der SPD keine Stimmen von Kommunisten zuzuführen oder um die französische Linke vor der Abstimmung über den EVG-Vertrag nicht zusätzlich gegen die Bonner Regierung in Wallung zu bringen.

Das KPD-Verfahren genügte, wenn man heutige, verfassungsgerichtlich entwickelte Anforderungen zugrunde legt, kaum mehr höchsten rechtsstaatlichen Ansprüchen. Das war weniger als zehn Jahre nach dem Untergang der NS-Diktatur, die von den meisten Deutschen bis zum Ende widerspruchslos ertragen wurde, auch nicht zu erwarten, zumal im Angesicht einer teils realen, teils empfundenen kommunistischen Bedrohung, die wenigstens bis zu Stalins Tod 1953 auch totalitäre Züge trug.

Dementsprechend war die deutsche Spielart des Antitotalitarismus von einer Mischung aus still akzeptiertem Antinazismus und lautstarkem, mitunter schrillem Antikommunismus geprägt. Zu einer Zeit, als kaum ein NS-Verbrecher fürchten musste, vor einem deutschen Gericht angeklagt zu werden, wurden Zehntausende Verfahren gegen Kommunisten wegen Hoch- und Landesverrat angestrengt.

Die Bundesrepublik in der Ära Adenauer deswegen ihrerseits als "totalitär" zu denunzieren, wie Foschepoth es tut, dazu gibt das KPD-Verbot keinen Anlass. Es half, eine gute Institutionenordnung zu konsolidieren und ein (partei)politisches System zu stabilisieren, das bald gefestigt genug war, um seit 1968 wieder eine kommunistische Partei (die DKP) zu ertragen und nach 1990 sogar die SED-Nachfolgepartei zu integrieren.

DOMINIK GEPPERT.

Josef Foschepoth: Verfassungswidrig! Das KDP-Verbot im Kalten Bürgerkrieg.

Vandenhoeck&Ruprecht, Göttingen 2017, 492 S., 40,- [Euro].

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