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"Ich schreibe doch kein Buch zur Unterhaltung! Ich schreibe aus Rache." Das wilde, provokative persönliche und gesellschaftliche Fazit des Josef Bierbichler.
Bauer und Schauspieler, Politiker und Philosoph, Lover und Widerständler: Bierbichler ist vom bayerischen Stamm der Brecht & Valentin & Achternbusch. Fest verwurzelt in seinem inzwischen legendären Gasthaus "Zum Fischmeister" im dörflichen Ambach am "Würmsee", wählt er diesen Ort auch als Schauplatz seines Buches. Hier, im weitläufigen Obstgarten, lebt Kaspar, sein alter ego, der im Verlauf des Jahres eine unvorstellbare Metamorphose…mehr

Produktbeschreibung
"Ich schreibe doch kein Buch zur Unterhaltung! Ich schreibe aus Rache."
Das wilde, provokative persönliche und gesellschaftliche Fazit des Josef Bierbichler.

Bauer und Schauspieler, Politiker und Philosoph, Lover und Widerständler: Bierbichler ist vom bayerischen Stamm der Brecht & Valentin & Achternbusch. Fest verwurzelt in seinem inzwischen legendären Gasthaus "Zum Fischmeister" im dörflichen Ambach am "Würmsee", wählt er diesen Ort auch als Schauplatz seines Buches.
Hier, im weitläufigen Obstgarten, lebt Kaspar, sein alter ego, der im Verlauf des Jahres eine unvorstellbare Metamorphose erlebt: Nach dem Verlust der Sprache und der Explosion seines Hirns entwickelt er sich - tief in die Erde gepflanzt und mit Hilfe mancher Flasche Obstler - zu einem Fleischbaum, als der er sich mit dem Ich des Erzählers zu einem neuen Wesen vereinigen wird. - Ein Buch der radikalen Fragen: an das Theater, an die Gesellschaft - und nicht zuletzt an sich selbst. Ein merkwürdiges, einzigartiges Buch: keine Autobiographie, erzählt es dennoch das Leben und Liebesleben des Autors. Kein Essay über Politik, Ästhetik und Theater, dennoch erhellen Bierbichlers Diskurse die Wirklichkeit. Kein Roman, obwohl die sprachmächtig-barocke und phantastische Geschichte Kaspars in der äußersten Fiktion gipfelt. "Bierbichler ist in seinem ersten Buch ein Grantler vor dem Herrn, ein auf bewundernswerte Weise schlechtgelaunter Kerl, der mit seinen apodiktischen Urteilen oft ins Herz der Dinge trifft."
(Der Tagesspiegel, Berlin)
Autorenporträt
Josef Bierbichler , geboren 1948 in Ambach am Starnberger See, ist einer der großen und das deutsche Theater prägenden Schauspieler. Er war "Mein Herbert" in dem Stück seines Freundes Achternbusch, er war Müllers "Philoktet", Marthalers "Faust" und Lopachin in Zadeks "Kirschgarten". Er spielte in Michael Hanekes Filmen "Code Inconnu" und "Das weiße Band", in Jan Schüttes Film "Abschied" den alten Brecht sowie in Hans Steinbichlers "Winterreise". 2011 erschien sein Roman "Mittelreich".
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.11.2001

Sepp und Sisyphus
Josef Bierbichlers Holz der Gerechten / Von Irene Bazinger

Es ärgere ihn ganz gewaltig, erklärt der Schauspieler Josef Bierbichler, wenn er in den Medien immer wieder mit noch so lobend gemeinten Attributen aus der Tierwelt bedacht werde. Zwar ist er fraglos tatsächlich ein Kerl von einem Mann, aber als Elefant oder Bär, als grobschlächtiges Fabelwesen mit Pranken und Tatzen und Stiernacken möchte er sich doch nicht bezeichnet sehen. Jetzt hat Bierbichler, der sich viele fremde Texte famos zu eigen gemacht hat, selbst ein Buch geschrieben. Es heißt "Verfluchtes Fleisch" und wird ihm wohl weitere lobende Fauna-Vergleiche einbringen: Denn er entpuppt sich darin als ein wahrer Dinosaurier, aber nicht im Sinn eines verknöcherten Kriechmonstrums, sondern als Vertreter der aussterben Gattung von Sinn- und Form- und Lebenskünstlern, die lieber "Widerkäuer" sind - statt "Wiederkäuer".

Der 1948 in Ambach geborene Bauernsohn, dem die Eltern einen Gasthof am Starnberger See vererbten, besuchte erst eine Hotelfach- und dann die Otto-Falckenberg-Schule. Bald spielte er auf allen wichtigen Bühnen zwischen Hamburg und Wien, bis Ende der achtziger Jahre war er der wichtigste Akteur in den Filmen Herbert Achternbuschs.

So ungewöhnlich wie der Darsteller zeigt sich nun auch der Autor Josef Bierbichler: Keine blitzblanke Autobiographie hat er verfaßt, keine glatte Chronologie seiner bewegten Karriere mit ein bißchen Weihrauch an jeder Station. Ohne Rücksicht auf Freund und Feind, ein provokantes Lästermaul und streitbarer Dickschädel, zieht der überzeugte Nonkonformist ein persönliches wie gesellschaftliches Fazit. Manches in dem legt es nahe, den Ich-Erzähler mit dem Autor gleichzusetzen. Jedoch gibt es zwischen im Faktischen fußenden Gedankenskizzen und manchmal kryptisch knappen Erörterungen rein fiktionale Einschübe, in denen sich Bierbichler in reichlich krude Phantasmen versteigt und dem Erzähler ein Alter ego namens Kaspar an die Seite stellt, dem es ziemlich übel ergeht.

"Ich muß nicht mehr ernst genommen werden", konstatiert er einmal und entwickelt aus dieser Freiheit bestürzende Visionen wie gescheite Monologe. Oder wird genießerisch von einer flüchtigen Idee mitgerissen und kümmert sich nicht um deren Haltbarkeit: "Ich sage es jetzt auch nur, weil es mir gerade eingefallen ist und weil es mir deshalb gefällt. Morgen schon gefällt es mir vielleicht nicht mehr."

Bierbichler legt sein erstes Buch so an, wie er möglicherweise seine Rollen einstudiert. "Was bin ich denn nun wirklich?" fragt er und danach, wie weit die Wahrheit gerade dann entfernt ist, "wenn man ihr besonders nahe gekommen zu sein glaubt". Lose aufgereiht, läßt er zwischen den Polen der tastenden Ich-Erkundung und dem klaren Blick aufs große Ganze viel Platz: für pubertäre Melancholien und bissige Gesellschaftsbetrachtungen, für Kollegenschelte, biographische Anmerkungen, Kindheitserinnerungen und Weibergeschichten. Er lobt Regisseure wie Marthaler, Peymann, Zadek oder Schlingensief (dem er, was er hier nicht erwähnt, 1998 sein Preisgeld für den Gertrud-Eysoldt-Ring schenkte). Die meisten Theaterleute hält er allerdings für "Hofnarren der Demokratie", die sich nur zu gern beim Fernsehen prostituieren: "Die Gagen für die Einschaltquoten sind der Judaslohn für den Verrat an der Kunst."

Doch auch draußen vor der Kantinentür findet der hellwache Zeitgenosse reichlich Anlässe für herzblut-zornesrote Kulturkritik: "Ich schreibe doch kein Buch zur Unterhaltung! Ich schreibe aus Rache." Mit nahezu barocker Eloquenz fällt er über die Achtundsechziger her, die Auschwitz mit dem Kosovo verwechseln, über die Spaßgesellschaft und ihre "Kaulquappen des Neoliberalismus", über Kapitalismus im allgemeinen und Globalisierung im besonderen.

Wie einen Rettungsversuch aus dieser Misere plant das literarische Gegenüber des Erzählers seine Demission als Mensch. Kaspar verliert Sprache und Verstand und wird, im Obstgarten eingepflanzt, zum Baum. Der Erzähler verschmilzt mit dem Baum durch eine vorher beim Europäischen Patentamt angemeldete "Autoxenotransplantation": Mann und Natur, Fleisch und Holz wachsen zusammen, und wenn sie niemand gefällt hat, spazieren sie als "ER-ICH" respektive Erich durch die Weltgeschichte: Ein Traum, eine Rolle, eine (Alb-)Traumrolle vielleicht? "Ich heiße Sepp", schreibt Bierbichler, "und das ist der Spitzname von Sisyphus."

Josef Bierbichler: "Verfluchtes Fleisch". Verlag der Autoren, Frankfurt am Main 2001. 280 S., geb., 38,- DM.

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»So ungewöhnlich wie der Darsteller zeigt sich nun auch der Autor Josef Bierbichler: Keine blitzblanke Autobiographie hat er verfaßt, keine glatte Chronologie seiner bewegten Karriere mit ein bißchen Weihrauch an jeder Station. Ohne Rücksicht auf Freund und Feind, ein provokantes Lästermaul und streitbarer Dickschädel, zieht der überzeugte Nonkonformist ein persönliches wie gesellschaftliches Fazit [...] Viel Platz für pubertäre Melancholien und bissige Gesellschaftsbetrachtungen, für Kollegenschelte, biographische Anmerkungen, Kindheitserinnerungen und Weibergeschichten.« -- Irene Bazinger, Frankfurter Allgemeinen Zeitung

»Ein wild wucherndes, grimmiges, rätselhaftes, mythisches und visionäres Lebens- und Theaterbuch, in dem man die Gedanken knirschen hört.« -- Süddeutsche Zeitung
"Ein wild wucherndes, grimmiges, rätselhaftes, mythisches und visionäres Lebens- und Theaterbuch, in dem man die Gedanken knirschen hört."
Süddeutsche Zeitung