In der langen, seit der Antike herrührenden Tradition der Verführung ist in den 1970er Jahren die ›Pick-Up‹-Szene entstanden, die das Ansprechen, Flirten und Verführen von Frauen systematisch reflektiert. Das Anliegen dafür ist kein Geringes: Mit der vielfach angenommenen Krise von Männern und Männlichkeit brauchte es Versicherungsstrategien im Umgang mit dem ›anderen‹ Geschlecht. ›Pick-Up‹ lautete der Name eines ambivalenten Phänomens, das von einigen als sexistisch und übergriffig kritisiert, von anderen als ermächtigend und sensibilisierend verteidigt wird. Ole Karnatz legt eine der intensivsten Untersuchungen dieser Szene und ihrer Inhalte vor. Basierend auf Interviews, Beobachtungen und Textanalysen, entwirft er mehrere Interpretationen des Phänomens und begreift die Pick-Up-Szene zugleich als ein Produkt der Wissensgesellschaft: Dort, wo subjektive Einschätzungen und Wissenschaften auf Kommunikationsplattformen zusammenkommen, entsteht mehr als nur eine verschworene Gemeinschaft. Wissenssoziologisch betrachtet, geht es um den Einsatz ganz verschiedener Quellen zur Herstellung neuen Wissens in Form von Ratgebern, Texten, Übungen, Anleitungen – sowie der dazugehörigen Diskurse um die Einsetzbarkeit und Sinnhaftigkeit derselben. ›Pick-Up‹ kann, wie andere soziale Phänomene auch, als ein Wissenssystem betrachtet werden, das paradigmatisch für unsere Rezeption von Neuem und Alten im 21. Jahrhundert steht. (https://www.primatverlag.de/buecher/karnatz-2019-pick-up-verfuehrung/)