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Alzheimer - die erfundene Krankheit
»Alzheimer« ist keine Krankheit. Sie ist ein Phantom. Ein gezielt geschaffenes Konstrukt, mit dem sich Ängste schüren, Forschungsmittel mobilisieren, Karrieren beschleunigen, Gesunde zu Kranken erklären und riesige Märkte für Medikamente schaffen lassen.
Ärzte, Wissenschaftler und Pharmafirmen verheißen »epochale Schritte« in der Erforschung des grausamen Leidens, sie versprechen endlich »Gewissheit« bei der Diagnose und »neue therapeutische Strategien« gegen den Gedächtnisverfall. Doch hinter all den Verheißungen steckt ein fundamentaler
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Produktbeschreibung
Alzheimer - die erfundene Krankheit

»Alzheimer« ist keine Krankheit. Sie ist ein Phantom. Ein gezielt geschaffenes Konstrukt, mit dem sich Ängste schüren, Forschungsmittel mobilisieren, Karrieren beschleunigen, Gesunde zu Kranken erklären und riesige Märkte für Medikamente schaffen lassen.

Ärzte, Wissenschaftler und Pharmafirmen verheißen »epochale Schritte« in der Erforschung des grausamen Leidens, sie versprechen endlich »Gewissheit« bei der Diagnose und »neue therapeutische Strategien« gegen den Gedächtnisverfall. Doch hinter all den Verheißungen steckt ein fundamentaler Schwindel.

Dieses Buch enthüllt, wie aus einem rätselhaften Sonderfall eine neue »Volkskrankheit« wurde. Es zeigt auf, warum bis heute niemand eine präzise Diagnose stellen - und deshalb auch niemand zielgerichtete Tests oder Therapien entwickeln kann. Die »Angst vor dem Vergessen« trifft den Nerv alternder Gesellschaften: Millionen Menschen schlucken Mittel, die den Verfall des Hirns bremsen sollen. Nie wurde bewiesen, dass sie etwas nützen. Denn viele klassische »Alzheimer-Symptome« sind in Wahrheit die Folge von Fehlernährung oder Depressionen, von Durchblutungsstörungen oder anderen Leiden - oder aber Nebenwirkungen jenes Medikamentencocktails, den viele Hochbetagte täglich schlucken. »Alzheimer« ist in den meisten Fällen kein unausweichliches Schicksal. Ob und wann ein Mensch daran erkrankt, ist auch und vor allem eine Frage der Bildung - und des Lebensstils.
Autorenporträt
Cornelia Stolze, geboren 1966, Diplom-Biologin und Wissenschaftsjournalistin, lebt in Hamburg. Seit Mitte 1990 schreibt sie als freie Autorin und Redakteurin über Medizin und Psychologie sowie über die Tricks, mit denen sich Forscher, Ärzte und Pharmafirmen in unserem Gesundheitssystem selbst bedienen. Sie arbeitet u.a. für Die Zeit, den Stern, die Süddeutsche Zeitung, GEO, Spiegel Online und die Financial Times Deutschland. Nach Abschluss ihres Studiums war sie Pressereferentin am Max-Delbrück-Centrum in Berlin-Buch sowie am Max-Planck-Institut für Biochemie in Martinsried. Für verschiedene Forschungsinstitute konzipiert und realisiert sie populärwissenschaftliche Broschüren sowie Websites, u.a. zu den Themen Hirnforschung und Neurowissenschaften sowie Stammzellenforschung und Systembiologie.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.12.2011

Warum Präzision in der Medizin nicht die Regel sein kann
Etwas zu lange schwarze Listen: Cornelia Stolze versucht sich an der Wahrheit über die Alzheimererkrankung

Allein der Begriff "Alzheimer" erzielt in Suchmaschinen rund 85 Millionen Treffer. Nur vor einem Tumor haben die Menschen noch mehr Angst. In Deutschland leben inzwischen mehr als 1,3 Millionen Alzheimerkranke und ihre wachsende Zahl bedroht unser Sozialsystem. Geht es nach der Biologin und Journalistin Cornelia Stolze, so enthält dieses bedrohliche Szenario mehr Desinformation als Aufklärung. Schuld daran sei ein Kartell aus medizinischen Experten, der Pharmaindustrie und Medizingeräteherstellern, die daran sowohl wissenschaftliche Anerkennung als auch Geld verdienen möchten, flankiert von willigen PR-Leuten und korrumpierten Selbsthilfegruppen.

Zweifelsohne legt die Autorin den Finger zu Recht in viele Wunden, was Diagnose und Therapie der Erkrankung Alzheimer betrifft. So wirft allein schon die Definition Fragen auf. Denn ob die Eiweißablagerungen im Gehirn Ursache oder Folge des geistigen Abbaus sind, ist letztlich nicht geklärt. "Alzheimerplaques" finden sich auch bei denen, die nicht verwirrt sind und deren Gedächtnis intakt ist. Zudem gibt es zahlreiche Formen von Demenz, die nicht leicht auseinander zu halten sind. Selbst jene Kriterien, anhand derer man überhaupt eine Demenz von anderen Hirnerkrankungen abgrenzen soll, sind mitunter wenig griffig. "Unspezifisch" heißt das im Fachjargon.

Stolze macht klar, warum Methoden der Früherkennung - mittels Nachweis von Biomarkern im Blut oder Gehirnbildern - das Attribut "präzise" nicht verdienen. Der Leser lernt verstehen, wie sich dieser Mangel an Präzision kombiniert mit einem Mangel an Kompetenz dennoch zu Geld machen lässt. So verspricht etwa der "BrainCheck Precision Plus" am privatärztlich organisierten Medizinischen Präventions Centrum Hamburg (MPCH) "Klarheit" zu schaffen. Dessen Direktor besitzt allerdings keine einschlägige Ausbildung als Psychiater oder Neurologe, wie Stolze herausfand. Sie zeigt auf, wie sich mittels finanzieller und personeller Verquickungen des MPCH mit dem Hamburger Universitätsklinikum in Eppendorf die Reputation der einen und die ökonomischen Vorteile der anderen wechselseitig befruchten.

Gleichfalls dürftig sind die Erfolge der "Antidementiva", Substanzen, die die Hirnleistung verbessern sollen. Erhellend für das Verständnis von Medikamentenkarrieren ist das Beispiel Memantin. Das Mittel wurde bereits gegen so unterschiedliche Leiden wie Diabetes, Parkinson und Spastische Lähmungen in Stellung gebracht, derzeit wird seine Wirkung gegen Demenz postuliert, die Substanz ist indes in der Fachwelt sehr umstritten. Stolze erläutert, wie einzelne Psychiater und Neurologen einerseits an Reputation gewinnen, wenn sie sich als Forscher einem Mittel zuwenden, sie andererseits dann als Experten dessen Durchsetzung befördern können. Vor allem die Wortführerschaft in Organisationen wie der "Hirnliga" macht ihnen die Autorin zum Vorwurf. Sind diese Bündnisse doch von eben jenen Pharmafirmen finanziert, die diejenigen Medikamente herstellen, deren vermehrte Verschreibung von solchen Vereinen propagiert wird. Dementsprechend "schwarz" fällt die im Buch veröffentlichte Liste der Ärzte aus, die in Deutschland die Leitlinien der Demenz-Therapie formuliert und ihre Verquickungen mit der Industrie nicht offen gelegt haben.

So verdienstvoll jedoch der Versuch ist, anhand der Alzheimererkrankung manche Machenschaften aufzudecken, so wenig ändert dies daran, dass diese Demenz, anders als der Buchtitel suggeriert, dennoch eine Krankheit ist und kein lediglich aufgebauschtes Artefakt. Die Diagnose schafft man nicht ab, nur weil sie oft nicht richtig gestellt wird. Klar ist, dass die meisten Hausärzte damit überfordert sind, eine Demenz richtig einzuordnen. Klar ist auch, dass viele ältere Patienten zu viele Substanzen erhalten, und ihre Verwirrung sich bessern würde, ließe man diese Medikamente weg. Oft handelt es sich dabei gerade um Mittel, die zur Verbesserung der Hirnleistung verschrieben werden. Umso bedauerlicher ist, dass im Buch unterschiedslos sogar jene Autoren in schlechtes Licht geraten, die ihrerseits die übermäßige Verschreibung von Psychopharmaka etwa in Altersheimen anprangern.

Verwirrend sind nicht zuletzt die Hinweise auf behandelbare Demenzformen, weil sie falsche Akzente setzen, erkennbar am Beispiel des Normdruck-Hydrozephalus: eine Ansammlung von Hirnwasser, die sich operativ angehen lässt. Das nährt die falsche Hoffnung, eine Vielzahl von Demenzen ließen sich beheben, täte man nur das Richtige. Unlängst wurde die Zahl der reversiblen Demenzen, die bei angemessener Therapie wieder zurückgehen, auf rund neun Prozent beziffert. Die alternativen Demenzdiagnosen sind ihrerseits nebulös und werden ebenfalls von Interessengruppen gepusht. Wie konsistent ist die Erklärung, dass der Hirndruck beim "Normdruck"-Hydrozephalus erhöht sein soll? Dass diese Diagnose von jenen favorisiert wird, die operieren wollen, statt Medikamente zu empfehlen, lässt allenfalls die Wahl zwischen zwei Übeln.

Die eine Unschärfe durch die andere zu ersetzten, ist keine echte Lösung. Das gilt auch für die vorgeschlagenen Strategien gegen das Vergessen, deren Wirksamkeit nicht besser belegt ist als jene der inkriminierten Medikamente und Vorsorgeuntersuchungen. Nicht zu rauchen, gesünder zu essen, nicht dick zu werden und nicht einsam zu leben - das klingt höchst plausibel, müsste allerdings genauso streng auf Stichhaltigkeit überprüft werden.

Wenn überdies methodisch kritisiert wird, dass etwa der Wert einer frühzeitigen Diagnostik und Tablettentherapie deshalb nicht auszumachen ist, weil nicht klar definierbar ist, wann Demenz eigentlich beginnt ist und ob sie aufschiebbar ist, dann leiden auch Studien zur Ernährungsprophylaxe an diesem Dilemma. Nicht zu reden von finanziellen Interessen einschlägiger Anbieter. Der so gern und auch im Buch bemühte "Okinawa life-style" gegen Demenz wird nämlich ebenfalls mit Hilfe von Korallen-Kalzium-Kapseln in bare Münze umgesetzt. Zu bedauern ist schließlich, dass die gesamte Palette psychosozialer Hilfen für Alzheimerkranke und ihre Angehörigen keinerlei Erwähnung findet.

MARTINA LENZEN-SCHULTE

Cornelia Stolze: "Vergiss Alzheimer". Die Wahrheit über eine Krankheit, die keine ist.

Kiepenheuer & Witsch, Köln 2011. 245 S., geb., 18,99 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensent Martina Lenzen-Schulte möchte der Autorin gar nicht ihr Verdienst absprechen, auf die unguten Verquickungen von Pharmaindustrie und Ärzten hinzuweisen, die sich mit Alzheimer befassen. Dieses Kartell, meint sie, ist schlimm genug und seine Methoden vor allem profitgeleitet. Die Beispiele, die die Biologin und Journalistin Cornelia Stolze bringt, zeigen der Rezensentin die Spirale aus Reputationsgewinn und Lobbyarbeit für die Pharmaindustrie, in die Ärzte schnell geraten. Allerdings gewinnt Lenzen-Schulten mitunter den Eindruck, dass die Autorin die Demenz als solche infragestellt. Überdies erscheinen ihr Stolzes Verdächtigungen gegen Ärzte und Autoren zu wenig differenziert und ihre Hinweise auf alternative Heilmethoden allzu kritiklos. Auch in diesem Bereich gebe es schließlich jede Menge Aufklärungsbedarf, meint die Rezensentin.

© Perlentaucher Medien GmbH
»Das Buch der Journalistin sensibilisiert [...], sich zweite Meinungen einzuholen und vor allem auf den eigenen Körper und seine Reparaturmechanismen zu vertrauen.« Märkische Allgemeine 20111119