Jeder Krise wohnt eine Chance inne In den Tagen, bevor dieses Buch in Druck ging, liefert Google News beim Suchbegriff „Krise“ 230.000 Ergebnisse. Die TOP 5 der aktuellen Krisen sind VW-Krise, Griechenland-Krise, Abgas-Krise, Antibiotika-Krise und FIFA-Blatter-Krise. Google braucht für das Ergebnis genau 0,35 Sekunden. Die Betroffenen und Beteiligten der Krisen brauchen für Lösungen ganz sicher sehr viel mehr Zeit als den Bruchteil nur einer Sekunde. Doch die Erfahrung zeigt, dass jeder Krise mindestens eine Chance innewohnt, auch wenn sie anfangs noch nicht – und häufig ganz lange nicht – gesehen wird. Zumindest so lange nicht, so lange auf die Krise, die Hindernisse, die aktuellen Schwierigkeiten geblickt wird. Den Blick auf die Lücke richten Vor einigen Jahren hat mir ein Rennfahrer seinen entscheidenden Trick verraten: „Wenn es eng wird, dann schaue nicht auf das Hindernis, sondern richte den Blick auf die Lücke. Das musst Du trainieren, wieder und immer wieder. Damit es, wenn Du es brauchst, instinktiv abläuft, einfach so – ganz ohne Überlegen.“ Seitdem beherzige ich das nicht nur beim Autofahren, sondern in sehr vielen Situationen. Auch in Krisen, im Business und beim Verhandeln. Im Business sprechen wir nicht immer gleich von Krisen, schon eher von Problemen. Doch Probleme können sich leicht zu Krisen entwickeln. Vor allem dann, wenn Probleme nicht entschlossen und konsequent angegangen werden. Häufig liegt das dann auch am Blick. Der starre Blick auf das Problem versperrt dann den Blick auf die Lösung. Je mehr von Problemen gesprochen wird, umso größer werden sie in der Regel auch – und umso mehr verschwindet dahinter die Lösung. Manche reden von Problemen, andere denken in Lösungen Vor, während und nach Verhandlungen ist das ganz genauso. Da gibt es Menschen, die sehen vor einer Verhandlung Schwierigkeiten und Probleme, von denen während der Verhandlung nicht einmal 10 Prozent auftauchen. Nach der Verhandlung war es dann wahrscheinlich nur Glück – oder der Verhandlungsgegner hat es schlicht ver- 11 gessen, dass die Probleme (noch) nicht auf den Tisch kamen. Dabei können Sie schon im Vorfeld und mit der passenden Gesprächseröffnung für den von Ihnen gewünschten Ausgang der Verhandlung sehr viel tun. Denken Sie einfach an das EVA-Prinzip „Eingabe – Verarbeitung – Ausgabe“ aus der EDV. Erstaunlicher weise funktionieren wir Menschen ganz ähnlich wie Computer. Nur was in das System eingegeben wird, kann im System verarbeitet und am Ende als Ergebnis der Verarbeitung ausgegeben werden. Wird das System Computer oder Mensch mit Problemen gefüttert, kommen Probleme heraus. Geben Sie Lösungen ein, werden Sie Lösungen erhalten. Verhandeln ist interaktives Verarbeiten wechselseitiger Ein- und Ausgabe Nehmen Sie zum Beispiel James Bond. Während seiner Einsätze werden ihm fast ständig neue Probleme präsentiert, und er findet zuverlässig die passende Lösung dazu. Häufig abenteuerlich und oft seiner Zeit voraus. Doch wenn Sie sich die alten Filme anschauen, dann werden Sie erkennen, wie oft uns die Wirklichkeit schon eingeholt hat. Bei Verhandlungen ist es ganz ähnlich. Eigentlich ist Verhandeln so alt wie die Menschheit und doch entwickelt es sich ständig weiter. Die neue Generation professioneller Verhandler wird schon in Studium und Lehre darauf vorbereitet. Immer mehr Hochschulen bieten „Verhandeln und Verkaufen“ an. Die Verhandlungen laufen heute in der Regel ruhiger und weniger emotional ab, doch ruhige Wasser sind tief, auch in Verhandlungen. Das bekommen derzeit viele alte Hasen der Verhandlungskunst bitter zu spüren. „Die Töne werden leiser, doch härter“, sagte mir neulich ein erfahrener Verhandler. Gerade das macht Verhandeln auch so reizvoll: Sie können jeden Tag besser werden. Feilschen als eine besondere Art des Verhandelns ist zwar weltweit verbreitet, doch in Europa ist es seltener und oft wird mit dem Begriff „Festpreis“ ausgedrückt, dass Feilschen unerwünscht ist. Tatsache ist jedoch auch, dass mit keiner anderen Tätigkeit innerhalb so kurzer Zeit so viel Geld verdient oder verloren werden kann, wie mit Verhandeln. Im Wintersemester mache ich mit Studierenden gerne folgende Praxisübung: Auf dem Weihnachtsmarkt sollen drei Artikel eingekauft werden, jedoch nicht ohne 12 Vorwort zu feilschen. Jeder Studierende darf maximal zehn Euro ausgeben und muss mindestens zehn NEIN kassieren. Denn ohne NEIN gehen wir nie über die Grenze und ohne Grenzüberschreitung wissen wir nie, wo die Grenze wirklich ist. Wissen, wo die Grenze ist, auch die eigene, hilft in jeder Verhandlung, sei es auf dem Weihnachtsmarkt, um Gehalt, bei Auto- oder Hauskauf. Denn Verhandeln folgt ähnlich Mathematik bestimmten Regeln und Systematiken. Und diese Regeln und Systematiken gelten immer und überall. Das bedeutet, wenn es auf dem Weihnachtsmarkt funktioniert, dann funktioniert es auch als Arbeitnehmer mit dem Chef und als Einkäufer oder Verkäufer im Business. Die 20 ultimativen Verhandlungstipps lesen Sie ab Seite 14. David gegen Goliath ist noch heute Realität in vielen Bereichen der Wirtschaft, denken Sie nur an die Zulieferer der Autoindustrie oder die Lieferanten der Handelskonzerne. Nestlé als größter Lebensmittelkonzern macht in Deutschland einen Umsatz von grob 4 Mrd. Euro und die Edeka mit ca. 48 Mrd. Euro ungefähr zwölfmal so viel. Auch hier bestimmt der große Goliath das Spiel und die Spielregeln und der kleinere David kann nur bestehen, wenn er die Spielregeln geschickt für sich auslegt. Noch mehr als beim normalen Verhandeln gilt es hier, andere Dinge zu tun als bisher und vor allem Dinge anders zu tun als alle anderen. Einen Ausblick auf Verhandeln! Wie David Goliath besiegt finden Sie auf Seite 82. Ausgereizt scheinen einige Systeme und Vorgehensweisen in Wirtschaft und Alltag, dennoch wird eisern daran festgehalten und vieles wird verstärkt und nimmt noch weiter an Fahrt auf. Auf der Suche nach der naheliegenden Lösung beschreiten viele einen Weg, den unzählige andere schon vor ihnen gegangen sind und der, wenn überhaupt, nur kurzfristigen Erfolg brachte. Ausgereizt! Wie wir uns gegenseitig die Butter vom Brot nehmen zeigt ab Seite 90 mit Annahmen wie „Was wäre wenn“ und „Nur mal angenommen“ wie es wäre, wenn es Alternativen gäbe.Haben Sie das auch schon so oder so ähnlich erlebt? Zum Kauf eines neuen Autos nehmen Sie Ihre Frau und Ihre Kinder mit. Schließlich ist der Erwerb eines Wagens eine besondere Anschaffung, die ebenso die Familie betrifft. Beim Autohändler finden Sie das passende Fahrzeug. Aus den Medien haben Sie erfahren, dass starke Preisnachlässe möglich sind. Nach einem einleitenden Informationsgespräch beginnen Sie, mit dem Autoverkäufer zu verhandeln. Ihre Argumentation scheint Wirkung zu zeigen. Als der Verkäufer zum Abschluss bereit ist, platzt eines Ihrer Kinder mit der Bemerkung in das Gespräch, dass Opa ein Drittel der Kaufsumme übernehmen wird. Daraufhin bekommt das Verhandlungsgespräch eine neue Dynamik, die Ihnen zum Nachteil wird. Das ist eine typische Verhandlungspanne, wie sie immer wieder passiert. Zwar ist dieses Beispiel aus dem privaten Bereich, jedoch ereignen sich solche Patzer ebenso häufig und täglich in der Wirtschaft. Es wird einfach zu oft unüberlegt in Verhandlung gegangen. Selbst Verhandlungsprofis, also Menschen, zu deren Beruf das Verhandeln gehört, unterlaufen solche kleinen Unachtsamkeiten mit enormen Auswirkungen. Dabei ist fachlich selten etwas einzuwenden. Die Informationen sind bestens vorbereitet, jedoch wird eine entscheidende Frage außer Acht gelassen und die steht weit vor dem eigentlichen Verhandlungsmoment: „Wer soll bei dem Verhandlungsgespräch überhaupt Informationen bekommen? Wer nicht? Und wenn ja, welche Informationen soll derjenige erhalten?“ Was bedeutet Verhandeln? Um diese Frage zu beantworten, ist es empfehlenswert, sich generell bewusst zu machen, was „Verhandeln“ bedeutet. Das klingt im ersten Moment simpel, jedoch habe ich in meiner langjährigen Berufspraxis festgestellt, dass „Verhandeln“ oft nur unter dem Aspekt des Verkaufens gesehen wird. Verhandelt wird ständig und überall. Einmal wird etwas offen erörtert, beim anderen Mal verläuft eine Verhandlung eher verdeckt. Es wird im Privaten verhandelt, wie Mutter mit Kind, Kind mit Opa oder unter Freunden, aber ebenso ist die Verhandlung wesentlicher Bestandteil der Ökonomie. Neben Geschäftsabschlüssen setzt man sich über Arbeitszeiten, Urlaub, Dienstwagen, Arbeitsplatz bedingungen, Sonderkonditionen usw. auseinander. 17 Dieses breite Spektrum der Verhandlungsfelder und -möglichkeiten gilt es, sich zu verdeutlichen. Dabei geht es immer darum, die eine Seite hat etwas, was die andere Seite gern hätte oder auch vermeiden möchte. Es sind also mindestens zwei Parteien an einer Verhandlung beteiligt. Ich unterscheide zwischen dem „Wir-Team“ und dem „Team der Anderen“. Das ist eine Basisfestlegung, die vor allen anderen Überlegungen eindeutig definiert werden muss. An dieses Kalkül schließt sich die nächste Fragestellung: „Wer ist in unserem Team? Wer davon braucht welche Informationen?“ Verhandeln ist Teamarbeit Es geht darum, Personen zu involvieren, die zu einem Gesprächsthema kompetent etwas beitragen bzw. die Sache fachlich unterstützen können. Dazu gehören durchaus Menschen, die zuarbeiten und damit indirekt Teil der Verhandlungsmannschaft sind. Sie erhalten später Informationen für sinnvolle und zielführende Arbeitsaufträge. Unter diesen Gesichtspunkten ist die Frage nach dem „Wir-Team“ zu betrachten und entsprechend danach zu handeln. Sie merken schon, diese Überlegungen, die im Vorfelde beginnen, erinnern an ein „Brainstorming“. Genau das ist der Punkt. Um sich die Gedanken besser verdeutlichen zu können, empfehle ich Ihnen aufzuschreiben, wer zu Ihrem „Wir-Team“ gehören soll. Es gibt jedoch einige Stolpersteine, die dabei zu beachten sind. Dazu gehört beispielsweise „Wer NICHT im Wir-Team vertreten sein soll.“