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Aram Mattioli erzählt die Geschichte Nordamerikas zwischen 1700 und 1900 aus der Sicht der "First Peoples". Eingehend ergründet er die politischen Motive aller Seiten im erbarmungslosen Kampf um den Kontinent, der zur Vernichtung der Lebensformen und der Kultur der Indianer führte.
Umfassend erzählt und deutet Aram Mattioli die Geschichte der Indianer und ihrer Vernichtung vom 18. Jahrhundert bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts. Anschaulich schildert er die globalen Ereignisse vor dem Hintergrund aller zentralen Zeiterscheinungen. Eindringlich beschreibt er den langen und gewaltsamen…mehr

Produktbeschreibung
Aram Mattioli erzählt die Geschichte Nordamerikas zwischen 1700 und 1900 aus der Sicht der "First Peoples". Eingehend ergründet er die politischen Motive aller Seiten im erbarmungslosen Kampf um den Kontinent, der zur Vernichtung der Lebensformen und der Kultur der Indianer führte.

Umfassend erzählt und deutet Aram Mattioli die Geschichte der Indianer und ihrer Vernichtung vom 18. Jahrhundert bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts. Anschaulich schildert er die globalen Ereignisse vor dem Hintergrund aller zentralen Zeiterscheinungen. Eindringlich beschreibt er den langen und gewaltsamen Prozess der Kolonisierung durch die weißen Siedler. Zugleich bezieht er stets die Sicht der "Besiegten" gleichberechtigt in die Betrachtung mit ein und zeigt eindrucksvoll, wie indianische Nationen ganz unterschiedlich auf die Landnahme reagierten. Daneben kommen die kulturellen Leistungen der Indianer ebenso zur Sprache wie die großen sozialen Umwälzungen und die vielfältigen Lebensformen. Inpackenden Szenen beschreibt der Autor die entscheidenden Kämpfe und zeichnet treffende Porträts der einfachen Menschen wie der großen politischen Akteure. Ein anregendes und brisantes Buch über die Verwandlung der amerikanischen Welt, das nicht nur auf die Vergangenheit, sondern auch auf die Gegenwart ein neues Licht wirft.
Autorenporträt
Aram Mattioli, geboren 1961, lehrt als Professor für Neueste Geschichte an der Universität Luzern. Er studierte an der Universität Basel Geschichte und Philosophie. International bekannt wurde er durch seine Forschungen zum faschistischen Italien. Seit Jahren beschäftigt er sich mit der Geschichte des indianischen Nordamerika. Er schreibt u.a. für DIE ZEIT.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.03.2017

Auf der falschen Seite der Geschichte

Die großen Erzählungen vom Vordringen der Zivilisation haben eine dunkle Seite: Aram Mattioli berichtet, wie die Welt der Indianer Nordamerikas ausgelöscht wurde.

Als sich die aufständischen britischen Kolonien in Amerika am 4. Juli 1776 für unabhängig erklärten, warfen sie König George III. in der langen Liste seiner Untaten auch vor, er habe versucht, die "erbarmungslosen indianischen Wilden" auf die Bewohner der Grenzregionen zu hetzen. Die Indianer würden bekanntlich im Krieg wahllos töten, "ohne Unterschied von Alter, Geschlecht und Stand". Die von George Washington kommandierte Kontinentalarmee kämpfte während des Unabhängigkeitskriegs nicht nur gegen die Briten, sondern auch gegen deren indianische Alliierte. Zum Vorgehen gegen feindliche Irokesen schrieb Washington im Mai 1779 an den General John Sullivan: Das Ziel sei die "totale Zerstörung und Verwüstung" ihrer Siedlungen. Die Unabhängigkeitserklärung, merkt Aram Mattioli an, habe "die Indianer kurzerhand auf die falsche Seite der Geschichte" gestellt. Die Wurzeln und die Folgen dieser Entscheidung schildert der Schweizer Historiker in seinem Buch.

Die Ansiedlung der Europäer in Amerika ging für die Indianer mit Krankheit, Krieg und dem Ende ihrer vertrauten Lebensweise einher. Für das achtzehnte Jahrhundert betont Mattioli den Kontrast zwischen den Handelsbeziehungen, die Franzosen und Indianer in der Great-Lakes-Region geknüpft hatten, und dem aggressiven Landhunger der Engländer. Im Siebenjährigen Krieg zwischen Frankreich und England töteten oder entführten die Delawares, Shawnees und Mingos die neuen Siedler im Westen der englischen Kolonien und brannten ihre Blockhütten nieder.

Das besiegte Frankreich trat jedoch 1763 im Frieden von Paris seine amerikanischen Gebiete ab. Die Indianer standen somit allein den abermals westwärts drängenden englischen Siedlern gegenüber, die sich nicht davon aufhalten ließen, dass George III. die Appalachen als Siedlungsgrenze festlegte. König und Indianer wurden in den Kolonien beide als Widersacher wahrgenommen, die es zu überwinden galt.

Das Buch ist dem Untertitel nach "Eine Geschichte der Indianer Nordamerikas" von 1700 bis 1910. "Die indianische Seite ernst zu nehmen bedeutet, die Geschichte Nordamerikas neu zu denken", erklärt Mattioli vorab. Außerdem erläutert er die Schwierigkeiten der Aufgabe, "die nordamerikanische Geschichte konzeptionell und terminologisch zu dekolonisieren". Aber in Fragen der Gewichtung bleibt er bisweilen hinter den eigenen Ansprüchen zurück. So erfährt man, dass der deutsche Einwanderer Johann Jakob Astor vor seiner Karriere als Pelzhändler eine "Amerikanerin aus einer wohlhabenden Kaufmannsfamilie" heiratete oder der für Wild-West-Shows berühmte William Cody ("Buffalo Bill") mit einem Sohn von Zar Alexander II. in den Great Plains auf die Jagd ging. Dagegen heißt es bei Red Cloud oder Sitting Bull bloß, dass sie zu Häuptlingen "aufstiegen". Da hätten Details zu Stammesstrukturen erfreut, damit der angestrebte Blick auf Indianer "als selbständig handelnde Subjekte" gelingen könnte.

"Verlorene Welten" steht in der Tradition der revisionistischen Frontiergeschichte. Statt vom triumphalen Weg der Zivilisation gen Westen zu erzählen, dokumentiert sie immer deutlicher und differenzierter die Frontiergewalt. Aufschlussreich ist Mattiolis Darstellung der Situation in Kalifornien und den Great Plains. Mit dem Goldrausch von 1848/49 begann in Kalifornien der Zustrom von Hunderttausenden, die schnell reich zu werden hofften. Die Indianer hatten sich von ihrer Jagdbeute und von Wildpflanzen ernährt. Doch die Neuankömmlinge machten ihnen die natürlichen Ressourcen streitig und beanspruchten das Land für sich. Überfälle und Viehdiebstähle von Indianern wurden zum Anlass für Vergeltungsangriffe genommen. Peter Burnett, der erste Gouverneur Kaliforniens, sprach von einem "Ausrottungskrieg".

Im Round Valley etwa organisierten Siedler eine Strafaktion gegen Yuki-Indianer. Hunderte Yukis wurden 1859/60 umgebracht. Danach stellte der Anführer der monatelangen Kampagne dem Staat Kalifornien eine Rechnung über die Morde. Der Staat zahlte, und zwar nicht nur in diesem Fall. Die Kosten solcher Milizeinsätze wurden Kalifornien wiederum aus Washington erstattet. Zwischen 1846 und 1871 seien vermutlich in keiner anderen amerikanischen Region so viele Massaker an Indianern verübt worden wie in Kalifornien, resümiert Mattioli.

In den Great Plains ermöglichte erst die Einführung des Pferds aus Europa eine Lebensweise, die das populäre Indianerbild bis heute prägt. Die berittene Bisonjagd bestimmte die Existenz nomadischer Stämme wie der Comanche im Süden oder der Lakota-Sioux im Norden. Bisons waren für die Ernährung ebenso zentral wie für die Spiritualität. Konflikte entstanden daraus, dass die Routen der Goldsucher und Siedler durch die Jagdgründe führten. Frieden sollte der Vertrag von Fort Laramie (1868) bringen, der das Große Sioux-Reservat schuf und staatliche Hilfe zusicherte. Allerdings spaltete der Vertrag die Sioux in die Reservatsbewohner und die Traditionalisten wie Sitting Bull oder Crazy Horse, die weiterhin als Nomaden leben wollten und Widerstand leisteten.

Die Schlacht am Little Bighorn (1876) war ein letzter Sieg der Sioux und Cheyenne. Aber die entscheidende Niederlage der Nomaden bestand darin, dass die Bisons, die einst zu Millionen durch die Great Plains zogen, im späten neunzehnten Jahrhundert fast ausgerottet wurden, um die große Nachfrage nach Bisonleder zu befriedigen. Nach dem Untergang ihrer gesamten Welt blieb den Plainsindianern nur das Reservatsleben in Abhängigkeit vom Staat.

THORSTEN GRÄBE

Aram Mattioli: "Verlorene Welten". Eine Geschichte der Indianer Nordamerikas 1700-1910.

Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2017. 464 S., Abb., geb., 26,- [Euro].

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»Das großartige Buch Aram Mattiolis erzählt die Geschichte Amerikas aus der Perspektive der Indianer ... von einer Katastrophe, die nicht aufgehalten, sondern über Jahrhunderte hinweg forciert wurde, handelt das Buch ... Sentimental ist es nie, nur traurig und empörend und erhellend ... Aram Mattioli sagt kein Wort zu viel ... er beschreibt nur, was geschah, und das reicht, um sich mit dem Gedanken zu plagen, dass die moderne Welt in ihren Ursprüngen rassistisch ist.« Eberhard Rathgeb, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 30.04.2017 Eberhard Rathgeb Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung 20170430