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Fanny, eine geschiedene Mitdreißigerin, verbringt ihren Urlaub in einem Landhaus in der Nähe eines schwedischen Sees. Neben der Beschäftigung mit der eigenen Vergangenheit und einer Sommerliebe in der Gegenwart, erforscht sie dort die Vergangenheit der früheren Bewohner des Hauses und reimt sich mit viel Fabulierlust eine immer verwegenere - vielleicht sogar mögliche - Familiengeschichte zusammen.

Produktbeschreibung
Fanny, eine geschiedene Mitdreißigerin, verbringt ihren Urlaub in einem Landhaus in der Nähe eines schwedischen Sees. Neben der Beschäftigung mit der eigenen Vergangenheit und einer Sommerliebe in der Gegenwart, erforscht sie dort die Vergangenheit der früheren Bewohner des Hauses und reimt sich mit viel Fabulierlust eine immer verwegenere - vielleicht sogar mögliche - Familiengeschichte zusammen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.08.1998

Die Kaffeetrinkerin
Ulrike Längles Beschreibungswut · Von Kristina Maidt-Zinke

Wen überkäme in solchen Zeiten nicht zuweilen das Verlangen nach einer Literatur, die uns biedermeierliche Geruhsamkeit zurückbringt? Es muß diese Sehnsucht gewesen sein, vermischt mit der Begierde, große Namen im Munde zu führen, die einige Rezensenten veranlaßt hat, die Österreicherin Ulrike Längle als Stifter-Figur der deutschen Gegenwartsprosa zu bejubeln. Ein gleichmäßig gedämpfter Erzählton und eine buchhalterische Liebe zum Detail machen sie für jene Enthusiasten schon zur Erbin des landschaftsmalenden "sanften Unmenschen" (Arno Schmidt), der vor hundertdreißig Lenzen in Linz aus dem Leben schied. Ja, wenn das so einfach wäre - was könnte der Herbst der Literaturgeschichte für ein prächtiger Nachsommer sein!

Allerdings stiftet Ulrike Längle im Leser ein Phlegma von beträchtlichem Erholungswert, wenn sie ihre Romanheldin Fanny, die mild depressive Verlagsangestellte ohne besondere Kennzeichen, ein Sommerhaus im mittelschwedischen Hämby für vier oder fünf ereignisarme Ferienwochen in Besitz nehmen läßt. Der sedative Trick der Autorin besteht darin, Gegenstände und Vorgänge des Alltags mit gnadenlos langem Atem aufzuzählen und zu beschreiben, ohne sich dabei um erzählerische Ökonomie oder sprachlichen Glanz zu scheren. Hier dürfen die Dinge für sich selbst sprechen, unabhängig davon, ob sie etwas zu sagen haben oder nicht.

Das liest sich zum Beispiel so: "Fanny begann nun, ihre Morgentoilette zu verrichten. Sie rieb sich mit einem Waschlappen ab, den sie mit dem eiskalten Wasser von Hämby befeuchtet hatte, und rubbelte sich mit einem Frotteehandtuch trocken, das an einem Haken neben dem Fenster hing und steif wie ein Brett war. Der Tag versprach schön zu werden, so schlüpfte sie in ihren gelben Badeanzug, der schon viele Sommer am Mittelmeer gesehen hatte und ganz ausgebleicht war, und zog eine schwarze Hose und ein langes, blaukariertes Hemd darüber an. Das Kaffeewasser kochte. Fanny blickte noch einmal in den Wandschrank und fand einen Dauerfilter mit Goldeinsatz und einen Trichter. Sie setzte den Trichter auf einen kleinen blauen Krug, der offenbar für Milch gedacht war, gab den Dauerfilter in den Trichter und schüttete das Kaffeepulver hinein. Dann stellte sie die Herdplatte wieder auf Null und goß Wasser auf. Sie blickte sich suchend nach einem Toaster um, fand aber keinen..."

Hier blicken auch wir uns suchend nach einem koffeinhaltigen Getränk um, denn nun heißt es wach bleiben, sind wir doch inzwischen dem Zweck der Übung auf den Trichter gekommen: Der bedächtige Umgang mit den Requisiten des nordischen Landlebens erzeugt die kontemplative Stimmung, in der Fanny das Scheitern ihrer Ehe mit dem Philosophiedozenten Egon rekapitulieren kann.

Aber während Ulrike Längles stiller Beschreibungseifer sich um das Interieur der altmodischen Sommervilla oder das Sortiment eines Dorfladens unter dokumentarischem Aspekt durchaus verdient macht, ist Fannys Innenleben samt Egon-Reminiszenzen weniger geeignet, in dieser Ausführlichkeit breitgetreten zu werden. Kostprobe: "Eigentlich war das mit Egon von Anfang an schiefgelaufen. Sie hatte einen anderen Freund gehabt, als sie Egon kennenlernte, Florian, der in Salzburg studierte und den sie eigentlich heiraten wollte, wie man sich das mit achtzehn so vorstellt. Aber seit sie Egon kannte, fand sie Florian nicht mehr so anziehend. Sie hatte ständig ein schlechtes Gewissen. Florian gegenüber, weil sie diese langen Spaziergänge mit Egon machte, Egon gegenüber, weil sie ihm von Florian zwar erzählt hatte, aber nicht mit ihm Schluß machte, nun, da sie Egon kannte..."

Egon entpuppt sich später als Hypochonder, wird dadurch jedoch nicht ergiebiger. Auch spielerische Spekulationen über die früheren Bewohner des Feriendomizils, die "Vermutungen über die Liebe in einem fremden Haus", mit denen die Urlauberin sich von ihrem Kummer abzulenken sucht, sind weder abend- noch buchfüllend. Deshalb verordnet die Autorin ihrer Heldin Fanny zwei Affären quasi per Rezept, eine konkret vollzogene mit dem jungen Nachbarn Martin ("Martins Kopf kam wieder über ihren", heißt es da etwa, wie unkleidsam das auch ausgesehen haben mag) und eine potentielle mit Herrn Lundberg, dem Besitzer des Hauses.

Wer bis dahin so etwas wie Ironie hinter Ulrike Längles entwaffnender Simplizität vermutet hat, gerät bei ihren Dialogen ins Grübeln: Allzu peinvoll erinnert die Hartnäckigkeit, mit der sie ihre Figuren immer dort etwas "meinen" läßt, wo sie etwas sagen oder äußern, an Literatur der dilettantischeren Art. Fanny jedenfalls reist in gehobener Stimmung ab. "Sie wußte zwar nicht, wie alles weitergehen sollte, aber es war ihr wohler als bei ihrer Ankunft." So wird zum guten Schluß sogar noch Sinn - ja, genau: gestiftet.

Ulrike Längle: "Vermutungen über die Liebe in einem fremden Haus". Roman. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 1998. 223 S., geb., 34,- DM.

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