Nicht-Regierungs-Organisationen engagieren sich seit der Konferenz für Umwelt und Entwicklung (UNCED 1992 in Rio de Janeiro) verstärkt in der transnationalen Politik. In einer Sondergeneralversammlung (SVG) der Vereinten Nationen sollen die Beschlüsse und Maßnahmen überprüft werden, die in dem fünfjährigen Konferenzmarathon zu den Themen Umwelt, Entwicklung und Soziales seitdem gefällt bzw. ergriffen wurden. Dieser Nachbereitungsgipfel wird in dem vorliegenden Sammelband zum Anlaß genommen, kritische Reflexionen über die politischen Newcomer und deren Netzwerke anzustellen. Unterschiedliche Theoriestränge werden bemüht und Analysen ausgewählter Fallbeispiele geliefert, um die politisch praktische Relevanz von Nicht-Regierungs-Organisationen zu beleuchten und Deutungsperspektiven zu entwickeln.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.09.1997Hinweis
INITIATIVEN. Einer der schlimmsten Neologismen der letzten Jahre ist die "Nicht-Regierungs-Organisation". Doch wie sonst wollte man eine Institution nennen, die staatliche Aufgaben wie Umweltschutz oder Wohlfahrtspflege übernimmt, ohne ein politisches Mandat zu besitzen? Als "Bürgerinitiativen" kann man sie nicht immer beschreiben - eine Organisation wie Greenpeace, die "NRO" par excellence, gleicht in ihrer elitären Mitgliederauswahl (man muß hier scharf zwischen Aktivisten und Spendern unterscheiden) eher einem mittelalterlichen Orden als einem Bestandteil der modernen Zivilgesellschaft.
Nichts ist hier zu spüren von der Gleichheit des "Citoyens", die Elmar Altvater, einer der Herausgeber von "Vernetzt und verstrickt", in seinem Beitrag zu diesem Sammelband über Nicht-Regierungs-Organisationen als Gegensatz zum klassengeprägten "Bourgeois" beschwört. Bei aller demokratischen Fragwürdigkeit vieler dieser Organisationen ist ihr gesellschaftlicher Nutzen unbestritten - vor allem im Hinblick auf eine globale Gesellschaft. Erst das Engagement vieler privater Initiativen hat unsere Aufmerksamkeit auf Mißstände gelenkt, deren Beseitigung zwar nie in dem rigiden Tempo vonstatten zu gehen scheint, das die jeweilige NRO für wünschenswert hält, doch für deren Abschaffung dann oftmals bereits Rezepte parat sind, auf die die zuständige "Regierungsorganisation" zurückgreifen kann. Zumal bisweilen auch Bestandteile der Administration ihre Erfahrungen in NROs einbringen können.
Einige Beispiele dazu finden sich in diesem Sammelband: Städtebünde, Arbeitsgemeinschaften von Behörden. Vor allem Entwicklungsländer erkennen in diesen halboffiziellen Kontakten eine Chance. Spätestens, wenn die Brühe auch dem Maharadscha in den Ärmel läuft, wird er sich um die Reinhaltung der Gewässer seines Staates kümmern. Wenn ihm dabei nicht "das offizielle Ausland", sondern eine NRO helfen kann, entspricht das obendrein seinem Verständnis von Souveränität. (Elmar Altvater, Achim Brunnengräber, Markus Haake, Heike Walk [Hrsg.]: "Vernetzt und verstrickt". Nicht-Regierungs-Organisationen als gesellschaftliche Produktivkraft. Westfälisches Dampfboot, Münster 1997. 350 S., br., 39,80 DM) apl
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INITIATIVEN. Einer der schlimmsten Neologismen der letzten Jahre ist die "Nicht-Regierungs-Organisation". Doch wie sonst wollte man eine Institution nennen, die staatliche Aufgaben wie Umweltschutz oder Wohlfahrtspflege übernimmt, ohne ein politisches Mandat zu besitzen? Als "Bürgerinitiativen" kann man sie nicht immer beschreiben - eine Organisation wie Greenpeace, die "NRO" par excellence, gleicht in ihrer elitären Mitgliederauswahl (man muß hier scharf zwischen Aktivisten und Spendern unterscheiden) eher einem mittelalterlichen Orden als einem Bestandteil der modernen Zivilgesellschaft.
Nichts ist hier zu spüren von der Gleichheit des "Citoyens", die Elmar Altvater, einer der Herausgeber von "Vernetzt und verstrickt", in seinem Beitrag zu diesem Sammelband über Nicht-Regierungs-Organisationen als Gegensatz zum klassengeprägten "Bourgeois" beschwört. Bei aller demokratischen Fragwürdigkeit vieler dieser Organisationen ist ihr gesellschaftlicher Nutzen unbestritten - vor allem im Hinblick auf eine globale Gesellschaft. Erst das Engagement vieler privater Initiativen hat unsere Aufmerksamkeit auf Mißstände gelenkt, deren Beseitigung zwar nie in dem rigiden Tempo vonstatten zu gehen scheint, das die jeweilige NRO für wünschenswert hält, doch für deren Abschaffung dann oftmals bereits Rezepte parat sind, auf die die zuständige "Regierungsorganisation" zurückgreifen kann. Zumal bisweilen auch Bestandteile der Administration ihre Erfahrungen in NROs einbringen können.
Einige Beispiele dazu finden sich in diesem Sammelband: Städtebünde, Arbeitsgemeinschaften von Behörden. Vor allem Entwicklungsländer erkennen in diesen halboffiziellen Kontakten eine Chance. Spätestens, wenn die Brühe auch dem Maharadscha in den Ärmel läuft, wird er sich um die Reinhaltung der Gewässer seines Staates kümmern. Wenn ihm dabei nicht "das offizielle Ausland", sondern eine NRO helfen kann, entspricht das obendrein seinem Verständnis von Souveränität. (Elmar Altvater, Achim Brunnengräber, Markus Haake, Heike Walk [Hrsg.]: "Vernetzt und verstrickt". Nicht-Regierungs-Organisationen als gesellschaftliche Produktivkraft. Westfälisches Dampfboot, Münster 1997. 350 S., br., 39,80 DM) apl
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