Die Yanomami, eines der letzten Steinzeitvölker der Erde, zogen in den letzten Jahren geradezu magnetisch Wissenschaftler, Journalisten und Politiker an. Aber viele von ihnen haben die Indianer mißbraucht, statt sie zu schützen. Diese aufsehenerregende Anklage erhebt Patrick Tierney, und er belegt sie durch jahrelange Recherchen.
So haben beispielsweise amerikanische Mediziner die Indianer gegen eine Masernepidemie behandelt - die sie zuvor zu Forschungszwecken selbst ausgelöst hatten. Das Ergebnis waren Hunderte von Toten. Aber damit nicht genug: Amerikanische Anthropologen schürten von außen Konflikte unter den Yanomami, um blutige Gemetzel filmen zu können und die These von den `wilden Kriegern` medienwirksam verbreiten zu können. Und willfährige Journalisten zeichneten nur zu gerne ein falsches Bild des Steinzeitvolkes.
Das Fazit Tierneys: genau die Forscher, die angetreten waren, die Ureinwohner zu schützen, mißbrauchten und mißhandelten sie. Laut Spiegel "in Ausmaß schierer Kriminalität und Korruption ohne Beispiel in der Geschichte der Anthropologie".
So haben beispielsweise amerikanische Mediziner die Indianer gegen eine Masernepidemie behandelt - die sie zuvor zu Forschungszwecken selbst ausgelöst hatten. Das Ergebnis waren Hunderte von Toten. Aber damit nicht genug: Amerikanische Anthropologen schürten von außen Konflikte unter den Yanomami, um blutige Gemetzel filmen zu können und die These von den `wilden Kriegern` medienwirksam verbreiten zu können. Und willfährige Journalisten zeichneten nur zu gerne ein falsches Bild des Steinzeitvolkes.
Das Fazit Tierneys: genau die Forscher, die angetreten waren, die Ureinwohner zu schützen, mißbrauchten und mißhandelten sie. Laut Spiegel "in Ausmaß schierer Kriminalität und Korruption ohne Beispiel in der Geschichte der Anthropologie".
"Primitive" Völker
Die Lust der sich für zivilisiert haltenden Menschen, sogenannte "primitive" Völker zu erforschen, speist sich aus vielen Quellen: Da ist der wohlige Schauer des Horrors angesichts der angeblich archaischen Grausamkeit diese "Primitiven". Da ist der Wunsch, nicht ausgelebte sexuelle Perversionen an Menschen ausüben zu können, denen keine Menschenrechte zuerkannt werden. Schließlich ist da die eigene, aufgestaute pure Grausamkeit, die sich an Menschen auslassen kann, die wehrlos sind. Denen weder Rechte noch Würde zuerkannt werden.
Selbstverständlich findet das alles - seit Jahrhunderten - unter dem Deckmantel der Forschung, des Altruismus und der Barmherzigkeit statt. Oder aber der Aufklärung, dem Wunsch, die Humanität der Zivilisation in diese Völker zu tragen.
Yanomami
Eines der letzten unter steinzeitlichen Bedingungen lebenden Völker sind die Yanomami. Ihre Heimat sind die Ufer des Amazonas. Sie wurden erst jüngst zu Opfern grausamer wissenschaftlicher Experimente und eines ungezügelten journalistischen Voyeurismus. Patrick Tierney, ein amerikanischer Anthropologe, der zuletzt über die Opferstätten der Inkas forschte, deckt in seinem neuen Buch Verrat am Paradies beispiellose Verbrechen an den Yanomami auf. Ungesühnte Verbrechen von Anthropologen, Medizinern, Verhaltensforschern, Missionaren und Journalisten.
Das Buch beginnt mit den "Entdeckern" der Yanomami: Napoleon Chagnon und Charles Brewer. Beide hatten die ersten Indiodörfer 1964 auf einer Expedition im Amazonasgebiet entdeckt und weitbeachtete Dokumentarfilme gedreht, die in der Folgezeit viele Preise gewannen. Tierney schildert, wie diese Filme zustande kamen, und welche Aufmerksamkeit die archaischen Populationen der Yanomami daraufhin erfuhren. Aber, wie Brewer zugab: "Jedesmal, wenn wir mit ihnen in Kontakt treten, verderben wir sie." Dies ist nicht nur in kultureller Hinsicht richtig, sondern auch in medizinischer. Denn, Krankheiten wie Masern oder Grippe, die für uns in der Regel kein Lebensrisiko darstellen, verursachen unter den Yanomami lebensgefährliche Epidemien. Um diese erforschen zu können, nahmen Epidemiologen es schon mal in Kauf, Keime und Viren einzuschleppen und deren Wirkung zu beobachten. Massensterben waren nicht selten die Folge. Aber nicht nur Mediziner setzten die Ureinwohner bewusst Risiken aus oder verhinderten sei nicht. Auch Missionare. So antwortete ein protestantischer Missionar auf die Frage, ob es ihm Wert sei, von 200 Eingeborenen durch eine von ihm eingeschleppte Krankheit 199 Tote zu riskieren, um einen einzigen vor der Hölle zu bewahren, mit einem klaren Ja. Auch Verhaltensforscher kannten keine Hemmungen, auf Kosten von Menschenleben auf Forschungsergebnisse zu kommen. Von kommerziellen Goldsuchern ganz zu schweigen.
Die Geschichte der Anthropologie liest sich wie ein Handbuch der Grausamkeiten und der Menschenverachtung. Daß sich daran bis heute nichts geändert hat, zeigt das erschütternde und engagierte Buch Tierneys. In jahrelangen Recherchen hat er das Material dafür zusammengetragen. Es ist bei aller Genauigkeit und wissenschaftlicher Aufrichtigkeit im besten Sinne unakademisch und gut lesbar, ohne je mit der Lust des Lesers an Sensationen zu spielen.
(Andreas Rötzer)
Die Lust der sich für zivilisiert haltenden Menschen, sogenannte "primitive" Völker zu erforschen, speist sich aus vielen Quellen: Da ist der wohlige Schauer des Horrors angesichts der angeblich archaischen Grausamkeit diese "Primitiven". Da ist der Wunsch, nicht ausgelebte sexuelle Perversionen an Menschen ausüben zu können, denen keine Menschenrechte zuerkannt werden. Schließlich ist da die eigene, aufgestaute pure Grausamkeit, die sich an Menschen auslassen kann, die wehrlos sind. Denen weder Rechte noch Würde zuerkannt werden.
Selbstverständlich findet das alles - seit Jahrhunderten - unter dem Deckmantel der Forschung, des Altruismus und der Barmherzigkeit statt. Oder aber der Aufklärung, dem Wunsch, die Humanität der Zivilisation in diese Völker zu tragen.
Yanomami
Eines der letzten unter steinzeitlichen Bedingungen lebenden Völker sind die Yanomami. Ihre Heimat sind die Ufer des Amazonas. Sie wurden erst jüngst zu Opfern grausamer wissenschaftlicher Experimente und eines ungezügelten journalistischen Voyeurismus. Patrick Tierney, ein amerikanischer Anthropologe, der zuletzt über die Opferstätten der Inkas forschte, deckt in seinem neuen Buch Verrat am Paradies beispiellose Verbrechen an den Yanomami auf. Ungesühnte Verbrechen von Anthropologen, Medizinern, Verhaltensforschern, Missionaren und Journalisten.
Das Buch beginnt mit den "Entdeckern" der Yanomami: Napoleon Chagnon und Charles Brewer. Beide hatten die ersten Indiodörfer 1964 auf einer Expedition im Amazonasgebiet entdeckt und weitbeachtete Dokumentarfilme gedreht, die in der Folgezeit viele Preise gewannen. Tierney schildert, wie diese Filme zustande kamen, und welche Aufmerksamkeit die archaischen Populationen der Yanomami daraufhin erfuhren. Aber, wie Brewer zugab: "Jedesmal, wenn wir mit ihnen in Kontakt treten, verderben wir sie." Dies ist nicht nur in kultureller Hinsicht richtig, sondern auch in medizinischer. Denn, Krankheiten wie Masern oder Grippe, die für uns in der Regel kein Lebensrisiko darstellen, verursachen unter den Yanomami lebensgefährliche Epidemien. Um diese erforschen zu können, nahmen Epidemiologen es schon mal in Kauf, Keime und Viren einzuschleppen und deren Wirkung zu beobachten. Massensterben waren nicht selten die Folge. Aber nicht nur Mediziner setzten die Ureinwohner bewusst Risiken aus oder verhinderten sei nicht. Auch Missionare. So antwortete ein protestantischer Missionar auf die Frage, ob es ihm Wert sei, von 200 Eingeborenen durch eine von ihm eingeschleppte Krankheit 199 Tote zu riskieren, um einen einzigen vor der Hölle zu bewahren, mit einem klaren Ja. Auch Verhaltensforscher kannten keine Hemmungen, auf Kosten von Menschenleben auf Forschungsergebnisse zu kommen. Von kommerziellen Goldsuchern ganz zu schweigen.
Die Geschichte der Anthropologie liest sich wie ein Handbuch der Grausamkeiten und der Menschenverachtung. Daß sich daran bis heute nichts geändert hat, zeigt das erschütternde und engagierte Buch Tierneys. In jahrelangen Recherchen hat er das Material dafür zusammengetragen. Es ist bei aller Genauigkeit und wissenschaftlicher Aufrichtigkeit im besten Sinne unakademisch und gut lesbar, ohne je mit der Lust des Lesers an Sensationen zu spielen.
(Andreas Rötzer)