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Ha Jins neuer großer Roman über einen Literaturprofessor, der nach einem Schlaganfall "verrückt" geworden zu sein scheint, und seinen Studenten Jian, der, während er ihn pflegt, unfreiwillig erkennen muss, in welchem Zwiespalt sich das menschliche Dasein bewegt.
»Alle waren überrascht, als Professor Yang im Frühjahr 1989 einen Schlaganfall erlitt.« Mit diesem Satz beginnt der Student Jian den Bericht über die Zeit, in der seine Welt sich zu verrücken begann. Jeden Tag wacht Jian am Krankenbett seines Lehrers und angesehenen Literaturprofessors der Universität in Shanning.
Was zunächst
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Produktbeschreibung
Ha Jins neuer großer Roman über einen Literaturprofessor, der nach einem Schlaganfall "verrückt" geworden zu sein scheint, und seinen Studenten Jian, der, während er ihn pflegt, unfreiwillig erkennen muss, in welchem Zwiespalt sich das menschliche Dasein bewegt.
»Alle waren überrascht, als Professor Yang im Frühjahr 1989 einen Schlaganfall erlitt.« Mit diesem Satz beginnt der Student Jian den Bericht über die Zeit, in der seine Welt sich zu verrücken begann. Jeden Tag wacht Jian am Krankenbett seines Lehrers und angesehenen Literaturprofessors der Universität in Shanning.

Was zunächst aussieht wie eine einfache, wenn auch ungelegene Pflichterfüllung, wird zunehmend rätselhaft, ja gefährlich, als Herr Yang plötzlich beginnt, wirres Zeug von sich zu geben: unsichtbare Peiniger fleht er um Gnade an, er singt Revolutionslieder, schwärmt von einer Geliebten mit Brüsten wie Pfirsiche, rezitiert Stellen aus Dantes 'Göttlicher Komödie', beschimpft seine Familie, seine Kollegen und das Hochschulsystem, in dem ein Gelehrter nichts weiter sei als ein Vieh auf der Schlachtbank. Seine gerade fertiggestellte Übersetzung des Brechtschen Theaterstücks 'Der gute Mensch von Sezuan' ruht hingegen unbeachtet auf der Fensterbank.

Ist seinProfessor nicht mehr ganz richtig im Kopf oder spricht er im Wahn gar die Wahrheit?

Während Jian damit beschäftigt ist, den geheimnisvollen Äußerungen einen Sinn zu entlocken, ziehen sich nicht nur die Wolken über Beijing und den protestierenden Studenten auf dem Platz des Himmlischen Friedens zusammen, auch in Jians Fakultät nimmt das grausame Spiel um die Macht seinen Lauf ...
Autorenporträt
Jin, Ha
Ha Jin (eigtl.Xuefei Jin) wurde 1956 in der nordchinesischen Stadt Jinzhou geboren, wo sein Vater, ein Offizier, stationiert war. Mit 14 trat er in die Volksbefreiungsarmee ein.1977 wurden die im Zuge der Kulturrevolution geschlossenen Universitäten wieder eröffnet und Ha Jin begann an der Heilonjiang Universität Englisch zu studieren. Er wechselte einige Jahre später an die Shandong Universität, wo er seine Frau Lisha Bian kennen lernte, eine Mathematikdozentin. 1985 ging er in die USA, um an der Brandeis University in Waltham zu promovieren.1987 begann er Gedichte in englischer Sprache zu verfassen, seit 1989 auch literarische Prosa. Er hat seit 1993 eine Professur für Englische Literatur an der Emory University inne und lebt mit seiner Frau und seinem Sohn Wen in der Nähe von Atlanta. Seit 1997 ist er amerikanischer Staatsbürger. Von den Eltern seiner Frau, die Ärzte bei der Armee waren, hörte er die Geschichte eines Militärarztes, der 18 Jahre auf seine Scheidung wartete. Anfang der Neunziger begann er 'Warten' zu schreiben. Für diesen ersten (Lang-)Roman erhielt er 1999 den National Book Award for Fiction (Frühere Preisträger: William Gaddis, Annie Proulx, Louis Begley, Joyce Carol Oates, Don DeLillo, u.a.) sowie den PEN/Faulkner Award 2000, den höchstdotierten amerikanischen Literaturpreis, den vor ihm u.a. T. C. Boyle, Philip Roth und Michael Cunningham erhielten. Der Roman war auch für den Pulitzerpreis nominiert. Nur zwei Schriftsteller, deren Muttersprache nicht Englisch ist, haben vor Ha Jin in der fünfzigjährigen Geschichte des National Book Award den Fiction-Preis erhalten: Isaac Bashevis Singer und Jerzy Kosinski.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.01.2005

Revolution im Unterbewußten
Der chinesische Exilautor Ha Jin blickt hinter die Seelenfassade

In der chinesischen Stadt Shanning erleidet der Literaturprofessor Yang 1989 einen Schlaganfall. Sein Student Jian Wan wird von der lokalen kommunistischen Partei dazu bestellt, sich um den Kranken zu kümmern. Die Krankheit verändert den Professor dramatisch. Er bombardiert seinen Studenten mit literarischen Rezitationen, kommunistischen Parolen und unglaublich erscheinenden Andeutungen aus seinem Privatleben. Die wirren Ausbrüche wecken die Neugier des Studenten: Was spielte sich hinter der Fassade des scheinbar unpolitischen, erfolgreichen, maßvollen Gelehrtenlebens ab? Darum geht es in Ha Jins Roman "Verrückt".

Die Frage nach dem möglichen Doppelleben des Professors erzeugt Spannung, aber Ha Jins Prosa schlachtet den möglichen Thriller-Effekt nicht aus. Im Gegenteil gehört es zu deren Stärke und Schwäche zugleich, daß auf melodramatische Wirkungen vollkommen verzichtet wird. Der Roman bewegt sich langsam vorwärts und verläßt sich, wie schon sein erfolgreicher Vorgänger "Warten", auf die nüchterne Beschreibung von Dingen und Vorgängen. Das Vorgehen verlangsamt das Erzähltempo, dessen Zunahme man sich gelegentlich wünscht. Zugleich aber verdichtet sich so der Eindruck der Authentizität: Ha Jins schnörkellose Schreibweise besitzt Dokumentarcharakter.

Konsequent und redlich geht der Erzähler den Möglichkeiten zum großen Effekt aus dem Weg: Selbst in der Auflösung und Erklärung für die Reden des Kranken treten schließlich keine solitären, krimihaften Sensationen zutage, sondern ein Geflecht vieler einzelner traumatischer Erlebnisse, die ein ganzes Leben unter Verschluß gehalten wurden.

Der Professor durchlebt auf dem Krankenbett noch einmal die Demütigungen und Folter, die er während der Kulturrevolution erdulden mußte. Doch in einer Verkehrung der tatsächlichen Situation sieht er sich in der Phantasie als glühender Kommunist. Auch die Pein seines Privatlebens - eine glücklose Ehe und eine nicht weniger schmerzvolle Liebschaft - treten zutage. Wie auch schon in "Warten" verknüpft Ha Jin erneut eine ungelöste private Situation mit dem Hintergrund politischer Unterdrückung.

Offenheit ist weder im privaten noch im öffentlichen Leben möglich; die Lüge wird zur Überlebensnotwendigkeit. Nur die mit der Krankheit des Professors einhergehende geistige Verwirrung bringt die Wahrheit zum Vorschein. Die Unmöglichkeit und das Tabu, sie auszusprechen, ziehen sich wie ein roter Faden durch den Text: Die Wahrheit schafft sich nur im Wahnsinn Raum, das Leben hinter der Fassade hat keinen Platz in der Normalität. Dabei wird die Lüge nicht als moralisch verwerflich dargestellt; notiert wird nur das Leidenspotential, das sie schafft.

Der Student, ein unausgeprägter, molluskenhaft bleibender Charakter, fungiert als einziger Zeuge dieses Leidens. Dabei verändert er sich. Am Krankenbett seines Professors beginnt er seinen geplanten Lebensweg als Wissenschaftler in Frage zu stellen. Er schenkt dessen Reden im Wahn mehr Glauben als dessen in Zeiten der Gesundheit verkündeten Lehren und Glaubenssätzen. Der verwirrte Universitätslehrer erscheint als Verkünder der Wahrheit. Doch Ha Jin, der 1985 China verließ und selbst als Professor für englische Literatur an der Boston University arbeitet, unterläuft klug und ironisch den Topos vom weisen Narren. Denn die rasch in Taten umgesetzten Schlußfolgerungen aus dem Gehörten erweisen sich für den Studenten als wenig segensreich.

Bei dem Entschluß, die Fehler des Professors nicht zu wiederholen, trifft der junge Mann aus einem idealistischen Impuls radikale Entscheidungen. Die aber kollidieren mit der Wirklichkeit. Jian ändert seinen Berufswunsch, beißt damit bei den Behörden auf Granit; der Rückweg in die Universität ist ihm inzwischen verstellt worden. Als er schließlich in die Studentenrevolte und die blutig niedergeschlagene Demonstration auf dem Platz des himmlischen Friedens hineingezogen wird, ist die Welt vollends aus den Fugen. Der Romantitel scheint sich nicht nur auf den Geisteszustand des Professors zu beziehen, sondern auf den Zustand der Welt, in der er lebt. Was bleibt, ist der Wunsch seines Schülers, die alte Identität restlos hinter sich zu lassen. Dabei läßt der Roman am Ende offen, wohin ihn sein weiterer Weg führen könnte.

MARION LÖHNDORF

Ha Jin: "Verrückt". Roman. Aus dem Englischen übersetzt von Susanne Hornfeck. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2004. 340 S., br., 15,- [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Ein "fast schon paradoxes Lehrstück" nennt die überraschte Rezensentin Jutta Person Ha Jins Erzählung um den Literaturstudenten Jian, der durch den fortschreitenden Wahnsinn seines Lieblingsprofessors und zukünftigen Schwiegervaters in einen Sog der grausamen Erkenntnis gezogen wird. Nach Jians anfänglichem Schock über die regierungsgefälligen Revolutionslieder und Literaturzitate, die der Professor im Delirium von sich gibt, begebe er sich auf ein "Spurensuche, bei der sich Privates, Politisches und Literarisches zu einem traurigen Triebwerk zusammensetzen". Dabei entstehe das Bild des gesunden, sich als "Aristokraten im Geiste" gebahrenden Professors neu, und Jian meint in dessen vormals gepredigten Idealismus "einen vom Neid diktierten Ersatz für den Reichtum der Politbonzen" zu erkennen. Schließlich zweifelt Jian an seiner akademischen Berufung, die auch der Professor in einem klaren Moment als "Wortgeklingel und Sophisterei" enttarnt, in dem "nichts wirklich ernst" ist. Zwar findet die Rezensentin den am Schluss ausgetragenen "Kampf ums Geistige" ein wenig "lehrbuchhaft", doch dieser Mangel wird bei weitem von der Präzision aufgewogen, mit der die einzelnen Erzählebenen zwischen Politik und Leben "passgenau ineinander gestapelt" sind. Schließlich schäle sich Jians Existenzfrage heraus: "Wozu soll Lyrik denn gut sein?" Ha Jin, lobt die Rezensentin, stellt diese Fragen mit der "Wucht des Widerspruchs: schlicht und unendlich kompliziert zugleich".

© Perlentaucher Medien GmbH
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