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Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.09.1997

Trauer muß Enigma tragen
Warum verschlüsselte Botschaften nicht lange verschlossen bleiben

Gold leuchtet im Schein der Sonnenstrahlen auf, als William Legrand und sein schwarzer Begleiter Jupiter die Kiste öffnen. Die beiden Männer haben den Schatz Captain Kidds gefunden, des schottischen Piraten. Auf die Spur hatte sie ein am Strand verborgenes Pergament mit einem Geheimtext geführt, dessen Entschlüsselung Legrand gelungen war - zumindest in der Phantasie Edgar Allan Poes, dessen Erzählung "Der Goldkäfer" die Episode entstammt. In der Realität haben geheime Nachrichten zwar selten zu großen Goldfunden geführt. Den Verlauf von Kriegen aber und vieles mehr konnten sie durchaus beeinflussen. Die Geschichte der Codes ist deshalb zugleich eine Geschichte dramatischer Ereignisse. Welche Bedeutung den geheimen Informationen in der Vergangenheit zukam und heute noch zukommt, stellt Rudolf Kippenhahn dar.

Die Verschlüsselung von Nachrichten ist keineswegs eine Erfindung der Neuzeit. Der römische Biograph Sueton berichtet, Cäsar habe Briefe vertraulichen Inhalts in einer Geheimschrift an Cicero geschickt. Darin war jeder Buchstabe des Klartextes durch einen im Alphabet um drei Plätze verschobenen Buchstaben ersetzt. Derart einfach verschlüsselte Texte lassen sich verhältnismäßig leicht entziffern. Man kann die Zuordnung der Buchstaben aber auch mit Hilfe eines "Merkwortes" regeln. Dieses Prinzip machte sich das Sekretariat des Papstes im sechzehnten Jahrhundert zunutze. In der Renaissance hatte der Papst die besten Kryptologen der Welt um sich geschart. Die Codes für die Verschlüsselung von Informationen sind im Laufe der Zeit immer komplizierter geworden, wobei aber vielen der Verfahren nicht nur wegen der manuellen Codierung verhältnismäßig enge Grenzen gesetzt waren. Richard Sorge, der 1941 Informationen über japanische Kriegspläne an die Sowjetunion übermittelte, hatte seine Geheimbotschaften an Moskau mit einem statistischen Jahrbuch verschlüsselt, von dem der Empfänger ebenfalls ein Exemplar besaß. Vor allem in Krisenzeiten, wenn Botschaften schnell gleichzeitig zu vielen Adressaten gelangen sollen, wäre das zu aufwendig. Man verwendet dann für die Verschlüsselung meist Merkwörter, die regelmäßig gewechselt werden. Gleichwohl gelingt es meist nach einiger Zeit, die Codes mit statistischen Verfahren zu knacken. Auf diese Weise wurden im Zweiten Weltkrieg auch die Anweisungen an die deutschen U-Bootfahrer lesbar, die mit der legendären Enigma-Maschine ver-und entschlüsselt worden waren.

Der bekannteste Erfinder einer Chiffriermaschine war zweifellos Thomas Jefferson, Mitverfasser der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung und dritter Präsident der Vereinigten Staaten. Den mechanischen Chiffriermaschinen ist gemein, daß sie eigentlich nur das Ver- und Entschlüsseln beschleunigen, wobei sogar Nachteile entstehen können. Dies war bei der Enigma der Fall, was man bei der deutschen Wehrmacht aber nicht wußte.

Einen großen Umschwung in der Kryptographie erbrachten erst die Computer, mit denen sich gigantische Datenmengen bewältigen lassen. Man kann damit unter anderem Codes schaffen, die auf vielstelligen Primzahlen beruhen und selbst mit anderen Computern kaum noch zu knacken sind. Auch braucht man - wie beim RSA-Verfahren, das nach den Anfangsbuchstaben der Nachnamen seiner Erfinder Ronald L. Rivest, Adi Shamir und Leonard Adleman benannt wurde - den geheimen Schlüssel nicht mehr aus der Hand zu geben. Die Schlüssel für das Codieren und das Decodieren sind nicht mehr identisch.

Der Vorteil solcher Verfahren liegt auf der Hand - vor allem für Banken und Kreditanstalten. Wer Geld aus dem Bankautomaten ziehen will, gibt eine Geheimzahl ein, deren Richtigkeit überprüft wird, ohne daß auch nur einer der Bankangestellten die Zahl mittels der Apparatur rekonstrieren könnte. Auch die fälschungssichere "elektronische Unterschrift" beruht auf solchen Einwegfunktionen.

Das lesenswerte Buch Kippenhahns erzählt anschaulich und lehrreich die Geschichte der Geheimschrift und der Übermittlung geheimer Botschaften. Dabei geht der Autor in vielen Beispielen auf die verwendeten Codes ein. Er schildert auch die statistischen Verfahren, mit denen viele Codes zu überlisten sind, wenn nur genügend verschlüsselte Texte vorliegen. Die Entzauberung der Geheimbotschaften hält mit dem wachsenden Grad ihrer Kodierung Schritt. GÜNTER PAUL

Rudolf Kippenhahn: "Verschlüsselte Botschaften". Geheimschrift, Enigma und Chipkarte. Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 1997. 362 S., geb., 45,- DM.

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