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Produktdetails
  • Verlag: Rospo
  • Seitenzahl: 201
  • Deutsch
  • Abmessung: 200mm
  • Gewicht: 248g
  • ISBN-13: 9783930325290
  • ISBN-10: 3930325292
  • Artikelnr.: 25439665
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 21.01.2000

Orte, Namen
Pawel Huelle erzählt von
„Verschollenen Kapiteln”
Etwa zehn Jahre ist es her, dass der Danziger Autor Pawel Huelle mit seinem Roman „Weiser Dawidek” ein effektvolles Debüt in Deutschland gab. Zwei Jahre später folgte ein Erzählband, ein weiterer wird in diesem Jahr erscheinen. Mit „Verschollene Kapitel” präsentiert sich Huelle nun von einer neuen Seite – als belesener, hochgebildeter, dazu äußerst einfallsreicher Feuilletonist.
„Verschollene Kapitel weltberühmter Romane”, heißt es in einem dieser Texte, „Geschichten von Werken, die nie das Tageslicht erblickten, Legenden von Büchern, die . . . einst nur wenigen Eingeweihten bekannt waren, aber nicht bis in unsere Zeiten drangen – all dies ist ein Feld, auf dem Spekulationen, Vermutungen und Mythen wie Unkraut wuchern. ” Dies Spekulieren hat Huelle schon immer gereizt, aber nicht nur dem Verborgenen, dem Verlorenen ist er hier auf der Spur – Namen, Orte . . . heißt seine Kolumne in der Tageszeitung Gazeta Wyborcza, in der seit Jahren seine Feuilletons erscheinen –, auch von bekannten Orten und Ereignissen weiß er zu erzählen, von berühmten Menschen und Gestalten; dabei beschäftigt er sich mit einer scheinbar unwichtigen Episode aus ihrem Leben, stellt einen Menschen, der in diesem Leben nur eine Statistenrolle gespielt hat, in den Vordergrund.
Allgemeinverständlichkeit scheint auch bei der Auswahl der Feuilletons das wichtigste Kriterium gewesen zu sein: Was immer Gegenstand dieser achtundvierzig Texte ist – ein Spaziergang auf den Spuren von James Joyce durch Dublin, ein Besuch bei der Familie Schopenhauer in Danzig, ein Vortrag von Karl Popper in der Wiener Hofburg, das St. Petersburg Nabokovs und Dostojewskis –, stets geht es dabei um das gesamteuropäische Kulturerbe, um die Koordinaten, an denen das Selbstverständnis eines Europäers sich ausrichtet.
Es geht also auch um den geistigen Standort Polens im heutigen Europa – und der wird weniger durch die Themenwahl aufgezeigt als durch die Belesenheit und Brillanz des Autors, der gleichsam in eigener Person die „Salonfähigkeit” eines polnischen Intellektuellen demonstriert. Wie sein großes Vorbild Zbigniew Herbert, der im letzten Jahrzehnt seines Lebens mehr als Essayist denn als Lyriker glänzte, ist Huelle vertraut mit der europäischen Literatur, Malerei und Architektur. Mit den antiken und biblischen Motiven geht er, zwischen großen Stoffen und kleinen Anekdoten wechselnd, souverän um und zeigt so die Wurzeln des europäischen Geisteserbes auf.
Dublin oder Danzig
Die Polenbezogenheit dieser Feuilletons, das ist – wenn man von den Hinweisen Huelles auf seine Lektüren oder auf die polnische Herkunft solcher Berühmtheiten wie Apollinaire oder Tamara de Lempicka absieht – die vielfach wiederkehrende Auseinandersetzung mit der Heimatstadt Danzig, die mal als effektvoller Vergleich zwischen der Vision Dublins bei James Joyce und der Danzigs bei Günter Grass, mal als eine – durch den Anblick einer einst von Hitler frequentierten Hauptstraße ausgelöste – Assoziationskette, mal als episches Aufgreifen einer biografischen Information aus dem Zauberberg” daherkommt.
Mann ist neben Joyce, Canetti und Hrabal auch derjenige, den Huelle am häufigsten unter seinen literarischen Vorbildern nennt. Denn wie breit auch das thematische Spektrum des Bandes sein mag – bekannte Literaten nehmen hier den wichtigsten Platz ein. Dabei ist Huelles Sicht der beschriebenen Berühmtheiten meist schon am ersten Satz zu erkennen. Kavafis etwa regt seine Phantasie an: „So stelle ich ihn mir vor: Mit Strohhut und etwas weit fallendem Rock kommt er aus dem Gebäude der Börse, inmitten von Maklern und Journalisten. ” Apollinaire animiert ihn zu einer erzählerischen Einlage: „Das Fieber kam in Schüben, alle paar Stunden. Die rothaarige Jacqueline wechselte ihm die Kompressen und gab ihm verdünnten Wein, aber nicht einmal den wollte er trinken. ” Beckett zollt er Respekt: „Er war mit Joyce befreundet. Wenn damals während ihrer Gespräche ein Tonband gelaufen wäre, hätten wir die Aufzeichnung einer der interessantesten Diskussionen über das 20. Jahrhundert. ” Borges gegenüber ist er schlicht der jüngere Schriftstellerkollege: „Ich wollte mich nie mit Borges treffen. Gegenstand meiner literarischen Sehnsüchte und Wünsche waren Julio Cortázar und Ernesto Sábato. ”
Ähnlich wie in seiner Prosa behält sich Huelle auch in seinen Feuilletons einen Spielraum zwischen Wahrheitstreue und Phantasie vor. Etwa dann, wenn er von seiner Begegnung mit einem Double Bohumil Hrabals in der Prager Kneipe Goldener Tiger erzählt. Eine wahre Begebenheit? Eine Erfindung? Huelle denkt nicht daran, den Leser darüber aufzuklären. Er hat lange genug Philosophie gelehrt, um als Schriftsteller nicht auf jede Frage eine Antwort parat zu haben. Er betrachtet sich zwar gern als Anhänger von Aristoteles, was er mit der Formel „Keine Metaphysik ohne Physik” umschreibt. Andererseits aber findet er, wie er vor kurzem in einem Interview verriet, „dass die Grenze zwischen dem, was real ist, und dem, was wir als metaphysisch empfinden, eines der faszinierendsten Themen des menschlichen Denkens ist”. Und dies bringt er am liebsten zum Ausdruck, indem er von Ereignissen berichtet, die durchaus passieren könnten.
MARTA KIJOWSKA
PAWEL HUELLE: Verschollene Kapitel. Literarische Feuilletons. Aus dem Polnischen von Renate Schmidgall. Rospo Verlag, Hamburg 1999. 204 Seiten, 36 Mark.
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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Helmut Frielingshausen hat sichtbar Freude an den unter dem Titel "Verschollene Kapitel" erschienenen Feuilletons des polnischen Journalisten und Erzählers Pawel Huelle. Die sind ursprünglich in der der Solidarnosc Bewegung nahestehenden `Gazeta Wyborcza` erschienen und nach Meinung von Frielingshausen "klassische Beispiele für das, was man früher Feuilletons nannte" - was er definitiv als Kompliment meint. Er lobt den "knappen, kompakten" Stil und die gleichzeitig "üppige Phantasie", mit der der Autor seine nicht erfundenen Geschichten erzählt, und führt einige der Essays von Huelle als Beispiel für dessen ungewöhnlichen Erzählstil an.

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