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Tel Aviv, ein stickiger Sommerabend: Ein bekannter Schriftsteller ist zu einer Lesung eingeladen. Was werden seine Leser, was wird sein Publikum ihn fragen? Das Übliche? Warum schreiben Sie? Sind Ihre Bücher autobiographisch? Was wollten Sie uns mit Ihrem letzten Roman sagen? Was wird er antworten? Das Übliche? Oder wird er sich den Erwartungen widersetzen? Amos Oz erzählt in seinem neuen Roman von einem bekannten Schriftsteller an einem stickigen Sommerabend in Tel Aviv, von der Liebesnacht danach, von den Menschen, die ihm begegnen, bis die Geschichten, die sie alle haben oder haben könnten,…mehr

Produktbeschreibung
Tel Aviv, ein stickiger Sommerabend: Ein bekannter Schriftsteller ist zu einer Lesung eingeladen. Was werden seine Leser, was wird sein Publikum ihn fragen? Das Übliche? Warum schreiben Sie? Sind Ihre Bücher autobiographisch? Was wollten Sie uns mit Ihrem letzten Roman sagen? Was wird er antworten? Das Übliche? Oder wird er sich den Erwartungen widersetzen? Amos Oz erzählt in seinem neuen Roman von einem bekannten Schriftsteller an einem stickigen Sommerabend in Tel Aviv, von der Liebesnacht danach, von den Menschen, die ihm begegnen, bis die Geschichten, die sie alle haben oder haben könnten, sich entfalten und miteinander verknüpfen, bis das, was sich ereignet, und das, was sich hätte ereignen können, ununterscheidbar werden. Verse auf Leben und Tod ist die unkonventionelle Antwort des großen Erzählers Amos Oz auf die Frage nach dem subversiven Wechselspiel von Leben und Literatur.
Autorenporträt
Amos Oz wurde am 4. Mai 1939 in Jerusalem geboren und starb am 28. Dezember 2018 in Tel Aviv. 1954 trat er dem Kibbuz Chulda bei und nahm den Namen Oz an, der auf Hebräisch Kraft, Stärke bedeutet. Amos Oz war Mitbegründer und herausragender Vertreter der seit 1977 bestehenden Friedensbewegung Schalom achschaw (Peace now) und befürwortete eine Zwei-Staaten-Bildung im israelisch-palästinensichen Konflikt. Sein Werk wurde vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels 1992, dem Goethe-Preis der Stadt Frankfurt am Main 2005 und dem Siegfried Lenz Preis 2014. Sein bekanntestes Werk Eine Geschichte von Liebe und Finsternis wurde in alle Weltsprachen übersetzt und 2016 als Film adaptiert.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.10.2008

Herbeierzählte Liebesnacht
Eine Satire von Amos Oz

Jeder Schriftsteller kennt und fürchtet die "wichtigsten Fragen" der Leser. Von "Warum schreiben Sie?" über "Sind Ihre Geschichten autobiographisch oder erfunden?" zu "Was wollten Sie mit Ihrem letzten Buch sagen?" Auf solche Fragen, meint der Schriftsteller in Amos Oz' vertracktem kleinem Roman, gibt es nur zwei Arten von Antworten: spitzfindige und ausweichende. Vor seiner Lesung im Kulturzentrum will sich der Autor im Café schnell noch darauf vorbereiten, aber kaum erscheint die Kellnerin, kaum hat er den Sliprand unter ihrem Rock erspäht, geht er schon wieder seinem indezenten "Gaunermetier" nach. Wie ein Taschendieb stiehlt er den Personen die Attribute und erfindet ihre Geschichten.

Das setzt sich in der Veranstaltung "Das gute Buch" fort. Der Kulturbeauftragte, der Literaturexperte, die Vorleserin und die fragenden Zuhörer, alle bekommen insgeheim ihre Erzählung zugewiesen. So wird die Lesung selbst zu einer Geschichte, aus der wieder Geschichten hervorgehen. Als Zugabe eine terminologisch hochgerüstete literaturwissenschaftliche Analyse, ein Rabbi nebst seinen Allerweltsweisheiten und ein vergessener Dichter und sein verkanntes Werk "Verse auf Leben und Tod". Angesichts der Zitate daraus will dem Leser scheinen, es hätte bei der Vergessenheit bleiben können. Sie sollen aber an Zeiten erinnern, in denen dem Dichter aufgegeben war, "das kulturelle Niveau des einfachen Volkes zu heben", während heute die Literatur vorwiegend den Staat Israel negiert, was allerdings nach Auskunft des Schriftstellers "nicht selten Ausdruck eines tiefgreifenden Schmerzes" ist.

Während der Lesung schon haben sich die Geschichten miteinander verstrickt. Nachdem er die üblichen Antworten gegeben hat, ist der Schriftsteller mit ihnen allein, und er hat nun die Wahl, in welche er sich weitläufiger begeben soll. Er entscheidet sich für eine Liebesnacht mit der Vorleserin, die jedoch für seinen männlichen Stolz sehr zwiespältige Folgen zeitigt. Ihr verschafft er durch sein Handwerk einen Höhepunkt, er selbst bleibt mangels konstanter Erektion unbefriedigt. Seine Peinlichkeitsgefühle gehen fließend, aber nicht ganz stimmig über in die Scham und die Trauer des Schriftstellers "über seine ewige Fremdheit, über seine Unfähigkeit, zu berühren und berührt zu werden". Als er jünger war, hat sich der Schriftsteller begeistert und verzweifelt um Verständnis bemüht, "warum die Menschen sich gegenseitig ständig Leid zufügen, warum sie sich selbst Leid antun, obwohl sie es gar nicht wollen".

Das ist beinahe eine schlichte Zusammenfassung von Amos Oz' großem Roman "Eine Geschichte von Liebe und Finsternis" (2004), die schon als Biographie Israels bezeichnet worden ist. Auch dieser kleine Roman erzählt israelische Geschichte und fragt danach, wie die Abgründe zwischen den Menschen überwunden werden können. Die Fragen aber werden symbolisch beantwortet in der Verknüpfung der Geschichten. So "schlimm und lächerlich und schrecklich" die Summe auch sein mag, alles, was Menschen vorkommt, kommt in Geschichten vor. Man muss versuchen, "auf diskrete Art großzügig zu sein, auch auf etwas verschlungenen Wegen". Das ergibt in listiger Identifikation mit dem angeblichen unbedeutenden Vorgänger eine melancholische Erwägung über das Verhältnis der Literatur zum Leben, eine frank die Grenze zum Albernen überschreitende Satire auf den israelischen Literaturbetrieb, vor allem aber einen augenzwinkernden Einblick in die Werkstatt eines bedeutenden Schriftstellers, der sich über Bedeutung lustig macht.

Mirjam Pressler ist es gelungen, die wechselnden Töne und Stilhaltungen trennscharf ins Deutsche zu bringen. Im angehängten Verzeichnis wird über alle erzählten Personen kurz etwas gesagt, als ob sie nunmehr reale Figuren seien. Nur der Schriftsteller scheint als Produkt seiner selbst ein Mann ohne Eigenschaften zu sein. Der Leser hat aber längst erfahren, was seinen Autor auszeichnet: Menschenfreundlichkeit trotz aller Distanz.

FRIEDMAR APEL

Amos Oz: "Verse auf Leben und Tod". Roman. Aus dem Hebräischen übersetzt von Mirjam Pressler. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2008. 120 S., geb., 16,80 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Einen Einblick in das Handwerk des Schriftstellers voller Selbstironie und Humor bietet der neue Roman von Amos Oz, zeigt sich Rezensentin Verena Auffermann sehr angetan. Das Schreiben erscheint hier als Verwirrkunst, die mit Fragen von Realität und Imagination, Wahrheit und Fiktion, Erotik und Tod spiele. Die Hauptfigur, als Schriftsteller womöglich ein alter ego des Autors, betreibt ihre Arbeit als ein "Gaunermetier": Er stiehlt sich, wie die Rezensentin schildert, seine Figuren aus dem Publikum seiner Lesungen oder aus dem Cafe, versieht sie mit Namen und Biografien und verknüpft diese miteinander. Ein geglücktes Stück Literatur über die Literatur, meint Auffermann.

© Perlentaucher Medien GmbH
»Eine melancholische Erwägung über das Verhältnis der Literatur zum Leben, eine frank die Grenze zum Albernen überschreitende Satire.« Friedmar Apel Frankfurter Allgemeine Zeitung