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Es ist nicht lange her, da waren die Verhältnisse zwischen den Generationen eindeutig festgelegt: Die Alten galten als die Hüter der Weisheit, die Jungen mussten durch Militärdienst, Beruf und Familie erst ins soziale Leben eingeübt werden. Der Kapitalismus hat diese Hierarchie durcheinandergebracht. Kaum etwas fürchtet die innovationsgetriebene Wirtschaft so sehr wie das Altern, die Jugend ist hingegen zum Symbol permanenten Fortschritts geworden. Doch der Preis für diese andauernde Erneuerung ist hoch. In den tristen Banlieues wachsen Männer heran, die für immer Jungen bleiben werden,…mehr

Produktbeschreibung
Es ist nicht lange her, da waren die Verhältnisse zwischen den Generationen eindeutig festgelegt: Die Alten galten als die Hüter der Weisheit, die Jungen mussten durch Militärdienst, Beruf und Familie erst ins soziale Leben eingeübt werden. Der Kapitalismus hat diese Hierarchie durcheinandergebracht. Kaum etwas fürchtet die innovationsgetriebene Wirtschaft so sehr wie das Altern, die Jugend ist hingegen zum Symbol permanenten Fortschritts geworden. Doch der Preis für diese andauernde Erneuerung ist hoch. In den tristen Banlieues wachsen Männer heran, die für immer Jungen bleiben werden, während die Mädchen von klein auf Verantwortung übernehmen müssen. Alain Badious Versuch, die Jugend zu verderben, ist ein Manifest gegen die kapitalistische Geschichtslosigkeit, ein Plädoyer für ein Leben jenseits des ideenlosen Konsumzwangs und ein Kompass für all jene, die in unserer immerjungen Gesellschaft die Orientierung verloren haben.
Autorenporträt
Alain Badiou, geboren 1937, ist Philosoph, Mathematiker und Schriftsteller. Er ist Professor em. für Philosophie an der École normale supérieure. Auf Deutsch erschien zuletzt Rhapsodie für das Theater. Tobias Haberkorn, geboren 1984, studierte Literaturwissenschaft in Paris und Berlin. Heute arbeitet er als Journalist und Übersetzer.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 27.12.2016

Mut zur Irrfahrt
Alain Badious „Versuch,
die Jugend zu verderben“
Das Projekt des Jugendverderbens hat Frankreichs großer alter Philosoph Alain Badiou natürlich von seinem antiken Kollegen Sokrates, dem mit dieser Anschuldigung der Prozess gemacht wurde. Die erste wuchtige Reaktion auf die Philosophie und ihre Bemühungen, die richtigen Staatsformen zu beschreiben und die Männer, die ihre Politik machen sollen. Die internationalen Entwicklungen der letzten Monate haben die Fragen, die Badiou stellt, nochmals einen Dreh aktueller gemacht – das Zusammenspiel von Politik und Business, die Dialektik von Lusterfüllung und -verzicht.
„Mal ehrlich“, setzt Alain Badiou ein: „Ich bin neunundsiebzig Jahre alt. Was zum Teufel bringt mich dazu, von der Jugend zu sprechen? Und woher dann auch noch der Wunsch, mich direkt an die jungen Leute zu wenden?“ Es ist ein persönliches Buch, seinen drei Söhnen Simon, André und Olivier gewidmet, an denen er die Suche der Jugend nach einem Platz in der Gesellschaft erlebte. Auch die Erfahrungen mit seinen Studenten sind eingeflossen, seit den Unruhen der Sechziger, mit den Menschen in Migrantenheimen, den Arbeitern in Fabriken. Badiou hat die Entwicklung des Denkens in Frankreich in Moderne und Postmoderne miterlebt – und geprägt –, das macht den „Versuch, die Jugend zu verderben“ zu einem leidenschaftlichen Buch, voll intellektuellem Pathos.
Die Jugend steckt im Vakuum. Die Kontrolle durch die Welt der Tradition ist zerbrochen, aber eine wahre Freiheit ist damit nicht entstanden. Die gesellschaftliche Initiation fehlt. „Ohne Initiation verharren die Jugendlichen in einer Art unendlicher Adoleszenz. Sie erhalten nicht die Möglichkeit, das Problem der widerstreitenden Leidenschaften anzugehen und zu lösen. Umgekehrt ergibt sich eine Verkindlichung, eine Infantilisierung des Erwachsenseins.“ Der Markt bewirkt das, mit seinem Prinzip der totalen Wunscherfüllung, immer Neues kaufen, immer schneller.
Nomadisch soll das Denken der Jugend sein, fordert Badiou, die Irrfahrt nicht scheuen. Solange die Frauen sich beim Kampf um mehr Gleichberechtigung nur an den überkommenen patriarchalen Strukturen orientieren, wird es keine wahre Emanzipation geben. Dabei wäre, dank riesiger Samenbanken, „das Verschwinden des männlichen Geschlechts zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit eine reale Möglichkeit“.
Badiou nimmt die Lust an der Provokation ernst, die Jungen sollten sich mit den Alten verbünden. Das ist ein sehr französisches Projekt, das sich schnell von Sokrates wegbewegt. „La vraie vie“ heißt das Buch im Original, der Ausdruck stammt von Rimbaud, „der aus der totalen Erfahrung eines beginnenden Lebens Poesie gemacht hat. In einem Moment der Verzweiflung schrieb er diesen herzzerreißenden Satz: ,La vraie vie est absente‘, ,Das wahre Leben ist abwesend‘. Die Philosophie lehrt uns oder versucht zumindest uns zu lehren, dass das wahre Leben, obwohl es nicht immer anwesend ist, so doch auch niemals ganz abwesend ist.“
FRITZ GÖTTLER
Alain Badiou: Versuch, die Jugend zu verderben. Aus dem Französischen von Tobias Haberkorn. Suhrkamp Verlag, Berlin 2016. 111 Seiten, 10 Euro.
Adoleszenz ohne Ende wird
zum gesellschaftlichen Problem
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»Badiou hat die Entwicklung des Denkens in Frankreich in Moderne und Postmoderne miterlebt - und geprägt -, das macht den Versuch, die Jugend zu verderben zu einem leidenschaftlichen Buch, voll intellektuellem Pathos.« Fritz Göttler Süddeutsche Zeitung 20161227