Achmad, Gesellschaftsfotograf in einem exklusiven Kairoer Hotel, wird Zeuge, wie ein Freund bei einem Attentat auf zwei rivalisierende Geschäftsleute in der Bar Vertigo brutal ermordet wird. Es gelingt ihm, das Geschehen mit der Kamera festzuhalten, bevor er sich unerkannt vom Tatort entfernen kann. Das brisante Material spielt er einer Zeitung zu, deren Chefredakteur eine wichtige Rolle im alles durchdringenden Geflecht aus Korruption, Intrigen und Klientelpolitik spielt. Unversehens verfängt Achmad sich in diesem Netz, das bis in höchste Kreise reicht. Er sieht sich gezwungen unterzutauchen, denn seine skrupellosen Gegner schrecken vor nichts zurück. - Mit "Vertigo" begründete Ahmed Mourad 2007 das Genre des Politthrillers in Ägypten. Das Buch wurde 2012 als Fernsehserie verfilmt.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Dass Ahmed Mourad in seinem Kairo-Noir-Krimi "Vertigo" mit vielen Anspielungen, aus Hitchcock-Filmen, aber auch ägyptischen Filmen spielt, ist für Rezensent Alex Rühle nur ein Grund, die Lektüre zu empfehlen. Der andere ist, dass die Geschichte um den Fotografen Ahmed, der einem weitreichenden Netz von Korruption und Opportunismus im Ägypten Mubaraks auf die Spur kommt, derart explosiv ist, dass der Kritiker sich wundert, warum das Buch für den Autor folgenlos blieb. Insbesondere, weil Mourad, selbst jahrelang Mubaraks Hoffotograf, hier die autobiografischen Parallelen zu seinem Helden bis zur "Tollkühnheit" ausreizt, informiert Rühle. Dass der Krimi ansonsten im konventionellen Gewand mit Liebesgeschichte daherkommt, stört den Rezensenten angesichts des grandios gezeichneten Generationenporträts gar nicht.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.07.2016Das zweite Buch ist immer das schwerste
Krimis in Kürze: Max Annas, Ahmed Mourad und Joakim Zander
Unser Mann in Südafrika heißt Max Annas, lebt in Berlin und hat es nach einem Achtungserfolg mit seinem Debüt "Die Farm" (F.A.Z. vom 15. Dezember 2014) mit seinem zweiten Roman "Die Mauer" (Rowohlt Taschenbuch, 223 S., 12,- [Euro]) nicht nur zu einem großen Verlag, sondern aus dem Stand auf den Spitzenplatz der KrimiZeit-Bestenliste gebracht. Der Mann kann also etwas, und er hat eine Lobby.
Annas zeigt sich auch in seinem zweiten Buch als Vertreter der hartkochenden, reduktionistischen Schule. Hundertfünfzehn Kapitel, ungefähr für jede Minute der erzählten Zeit eines, sorgen für mächtig Druck auf dem Kessel eines Plots, der eigentlich ganz harmlos beginnt. Nach einer Autopanne sucht der junge Schwarze Moses Hilfe ausgerechnet in einer Gated Community von Weißen, die um die Mittagszeit einigermaßen entvölkert in der Sonne grillt. Dort schnürt zur gleichen Zeit ein Einbrecherpärchen durch die leeren Häuser. Dummerweise stoßen Thembinkosi und Nozipho dabei auf eine noch nicht wirklich kalte Frauenleiche, die man in einer Kühltruhe deponiert hat. Kann ja keiner ahnen, dass die Täter an den Tatort zurückkehren werden, das Diebespaar sich im Schrank verstecken muss und dass der geplagte Moses von einem Schlamassel in den nächsten stolpert.
Auf der Flucht vor der Security hechtet er über Mauern und Hecken, rammt Bewohner und stört ein schwarz-weißes Paar beim Sex - und ruft endlich die Polizei auf den Plan. Am Ende liegen viele Tote auf dem Asphalt, und die Verfilmung wird "Moses rennt" heißen. Auch wenn der Dauersprint ermüdet, Annas' multiperspektivische Figurenregie führt von einem Alleingang zu einer vollen Bühne - und zu einem sehr spaßigen Abgang.
Noch ein zweites Buch: Anders, aber nicht wirklich besser, stehen die Dinge am Nordende des afrikanischen Kontinents. Aus der ägyptischen Hauptstadt Kairo schickt Ahmed Mourad nach "Diamantenstaub" (dt. 2014) einen im Original bereits 2007 erschienenen Thriller mit dem Titel "Vertigo" (Lenos Verlag, 398 S., geb., 22, - [Euro] ), eine Wortmeldung aus einem Land im Würgegriff der Korruption. Mit dem Autor hat es eine besondere Bewandtnis: Er war Hoffotograf des mittlerweile gestürzten Diktators Mubarak, sein Roman ist das Ergebnis einer Art Therapie, mit der Mourad schreibend bewältigen wollte, was er tagsüber ablichten musste und nicht ertragen konnte. Sein Protagonist Achmed ist ebenfalls Fotograf, allerdings spezialisiert auf Society. In der Bar Vertigo wird er Zeuge eines Attentats auf zwei mächtige Wirtschaftsbosse, das er mit seiner Kamera festhält, und daraufhin selbst zum Gejagten.
Mourad gilt in Ägypten als wichtige Stimme, der Roman wurde verfilmt, auch weil er - wie die Titelverbeugung vor Hitchcock andeutet - voller Filmzitate ist, die sich dem im ägyptischen Filmschaffen unkundigen deutschen Leser nicht alle erschließen. Das Buch verbindet die arabische Erzähltradition mit dem westlichen Politthriller und ist dabei näher an einem Gesellschaftsroman als an einem konfektionierten Pageturner aus einer amerikanischen Schreibfabrik. Man erfährt darin viel über die Machtmechanismen eines Landes, das sich bis heute nicht aus den Fängen des Klientilismus befreien konnte.
Und noch ein zweites Buch: Der Schwede Joakim Zander debütierte vor zwei Jahren mit "Der Schwimmer". Auch in seinem neuen Buch "Der Bruder" (Rowohlt Polaris, 459 S., br., 14,99 [Euro]) spielt die Figur Klara Walldéen eine Rolle. Die Schwedin arbeitet an einem Londoner Institut an einer Studie, die bei einer EU-Konferenz von ihrer Vorgesetzten Charlotte präsentiert wird und beweisen soll, dass nationale Polizeiapparate mit den Folgen der Masseneinwanderung überfordert sind und Unterstützung durch private Sicherheitsfirmen brauchen.
Wie praktisch, dass kurz vor der Konferenz im Stockholmer Problemviertel Bergort Unruhen ausgebrochen sind. Mitten in diesen steckt das Geschwisterpaar Yasemine und Fadi, Abkömmlinge von Zuwanderern und schwedische Staatsbürger. Sie ist nach Jahren zum ersten Mal aus New York zurückgekehrt, weil es Gerüchte gibt, ihr Bruder sei als radikalisierter Muslim in Syrien gestorben, bei einem Drohnenangriff. Andere behaupten: Fadi treibt sich in Bergort herum. Parallel dazu kommt Walldéen in London einem Komplott auf die Spur: Die Studie ist eine Auftragsarbeit. Eine mächtige Lobby schafft sich einen neuen Absatzmarkt, indem sie eine neue Wirklichkeit kreiert. Da darf der Geheimdienst nicht fehlen, der bei der Radikalisierung Fadis die Fäden zog. Ein westlicher Staat, der Bürger mit Migrationshintergrund opfert? Allah bewahre!
"Hinter geschlossenen Türen passieren so manche unschöne Dinge, von denen wir nie erfahren", spricht die Superanwältin Gabriella, die als rettender Engel auftritt. In diesem Stil operiert Zander sprachlich häufig im Trivialen, er liebt die Redundanz und das Pathos, aber das wird Liebhaber des Cinemascope nicht abschrecken.
HANNES HINTERMEIER
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Krimis in Kürze: Max Annas, Ahmed Mourad und Joakim Zander
Unser Mann in Südafrika heißt Max Annas, lebt in Berlin und hat es nach einem Achtungserfolg mit seinem Debüt "Die Farm" (F.A.Z. vom 15. Dezember 2014) mit seinem zweiten Roman "Die Mauer" (Rowohlt Taschenbuch, 223 S., 12,- [Euro]) nicht nur zu einem großen Verlag, sondern aus dem Stand auf den Spitzenplatz der KrimiZeit-Bestenliste gebracht. Der Mann kann also etwas, und er hat eine Lobby.
Annas zeigt sich auch in seinem zweiten Buch als Vertreter der hartkochenden, reduktionistischen Schule. Hundertfünfzehn Kapitel, ungefähr für jede Minute der erzählten Zeit eines, sorgen für mächtig Druck auf dem Kessel eines Plots, der eigentlich ganz harmlos beginnt. Nach einer Autopanne sucht der junge Schwarze Moses Hilfe ausgerechnet in einer Gated Community von Weißen, die um die Mittagszeit einigermaßen entvölkert in der Sonne grillt. Dort schnürt zur gleichen Zeit ein Einbrecherpärchen durch die leeren Häuser. Dummerweise stoßen Thembinkosi und Nozipho dabei auf eine noch nicht wirklich kalte Frauenleiche, die man in einer Kühltruhe deponiert hat. Kann ja keiner ahnen, dass die Täter an den Tatort zurückkehren werden, das Diebespaar sich im Schrank verstecken muss und dass der geplagte Moses von einem Schlamassel in den nächsten stolpert.
Auf der Flucht vor der Security hechtet er über Mauern und Hecken, rammt Bewohner und stört ein schwarz-weißes Paar beim Sex - und ruft endlich die Polizei auf den Plan. Am Ende liegen viele Tote auf dem Asphalt, und die Verfilmung wird "Moses rennt" heißen. Auch wenn der Dauersprint ermüdet, Annas' multiperspektivische Figurenregie führt von einem Alleingang zu einer vollen Bühne - und zu einem sehr spaßigen Abgang.
Noch ein zweites Buch: Anders, aber nicht wirklich besser, stehen die Dinge am Nordende des afrikanischen Kontinents. Aus der ägyptischen Hauptstadt Kairo schickt Ahmed Mourad nach "Diamantenstaub" (dt. 2014) einen im Original bereits 2007 erschienenen Thriller mit dem Titel "Vertigo" (Lenos Verlag, 398 S., geb., 22, - [Euro] ), eine Wortmeldung aus einem Land im Würgegriff der Korruption. Mit dem Autor hat es eine besondere Bewandtnis: Er war Hoffotograf des mittlerweile gestürzten Diktators Mubarak, sein Roman ist das Ergebnis einer Art Therapie, mit der Mourad schreibend bewältigen wollte, was er tagsüber ablichten musste und nicht ertragen konnte. Sein Protagonist Achmed ist ebenfalls Fotograf, allerdings spezialisiert auf Society. In der Bar Vertigo wird er Zeuge eines Attentats auf zwei mächtige Wirtschaftsbosse, das er mit seiner Kamera festhält, und daraufhin selbst zum Gejagten.
Mourad gilt in Ägypten als wichtige Stimme, der Roman wurde verfilmt, auch weil er - wie die Titelverbeugung vor Hitchcock andeutet - voller Filmzitate ist, die sich dem im ägyptischen Filmschaffen unkundigen deutschen Leser nicht alle erschließen. Das Buch verbindet die arabische Erzähltradition mit dem westlichen Politthriller und ist dabei näher an einem Gesellschaftsroman als an einem konfektionierten Pageturner aus einer amerikanischen Schreibfabrik. Man erfährt darin viel über die Machtmechanismen eines Landes, das sich bis heute nicht aus den Fängen des Klientilismus befreien konnte.
Und noch ein zweites Buch: Der Schwede Joakim Zander debütierte vor zwei Jahren mit "Der Schwimmer". Auch in seinem neuen Buch "Der Bruder" (Rowohlt Polaris, 459 S., br., 14,99 [Euro]) spielt die Figur Klara Walldéen eine Rolle. Die Schwedin arbeitet an einem Londoner Institut an einer Studie, die bei einer EU-Konferenz von ihrer Vorgesetzten Charlotte präsentiert wird und beweisen soll, dass nationale Polizeiapparate mit den Folgen der Masseneinwanderung überfordert sind und Unterstützung durch private Sicherheitsfirmen brauchen.
Wie praktisch, dass kurz vor der Konferenz im Stockholmer Problemviertel Bergort Unruhen ausgebrochen sind. Mitten in diesen steckt das Geschwisterpaar Yasemine und Fadi, Abkömmlinge von Zuwanderern und schwedische Staatsbürger. Sie ist nach Jahren zum ersten Mal aus New York zurückgekehrt, weil es Gerüchte gibt, ihr Bruder sei als radikalisierter Muslim in Syrien gestorben, bei einem Drohnenangriff. Andere behaupten: Fadi treibt sich in Bergort herum. Parallel dazu kommt Walldéen in London einem Komplott auf die Spur: Die Studie ist eine Auftragsarbeit. Eine mächtige Lobby schafft sich einen neuen Absatzmarkt, indem sie eine neue Wirklichkeit kreiert. Da darf der Geheimdienst nicht fehlen, der bei der Radikalisierung Fadis die Fäden zog. Ein westlicher Staat, der Bürger mit Migrationshintergrund opfert? Allah bewahre!
"Hinter geschlossenen Türen passieren so manche unschöne Dinge, von denen wir nie erfahren", spricht die Superanwältin Gabriella, die als rettender Engel auftritt. In diesem Stil operiert Zander sprachlich häufig im Trivialen, er liebt die Redundanz und das Pathos, aber das wird Liebhaber des Cinemascope nicht abschrecken.
HANNES HINTERMEIER
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"Ein rasanter, blutiger Thriller, der die gierigen, schäbigen und korrupten Geschäftsleute und Politiker entlarvt, die ihren Reichtum mit der Ausbeutung der Armen machen. Die Story traf einen Nerv in Ägypten, und das Buch wurde zum Bestseller. ... 'Vertigo' ist bewusst ein an Hitchcock gemahnender Titel, das Buch ist gespickt mit Anspielungen auf Hollywood." (The Guardian)