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Straßenfotografie von Hansgert Lambers (*1937 in Hannover) aus sieben Jahrzehnten, die er in Barcelona, Berlin/DDR und West-Berlin, Bologna, London, Ostrava, Paris, Prag aufnahm. Darin ist sein von Humanismus und Neugier geprägtes Interesse an Menschen spürbar. Das Glück, die Erotik, die Traurigkeit und die Mühsal des Lebens finden sich als zur Conditio humana gehörige Daseinszustände in seinem Werk. Ob seine Fotografien die Diskrepanz zwischen der Anonymität von riesigen Wohnanlagen und der einsamen Präsenz eines spielenden Kindes oder das intime Glück in einer eher unwirtlichen Umgebung in…mehr

Produktbeschreibung
Straßenfotografie von Hansgert Lambers (*1937 in Hannover) aus sieben Jahrzehnten, die er in Barcelona, Berlin/DDR und West-Berlin, Bologna, London, Ostrava, Paris, Prag aufnahm. Darin ist sein von Humanismus und Neugier geprägtes Interesse an Menschen spürbar. Das Glück, die Erotik, die Traurigkeit und die Mühsal des Lebens finden sich als zur Conditio humana gehörige Daseinszustände in seinem Werk. Ob seine Fotografien die Diskrepanz zwischen der Anonymität von riesigen Wohnanlagen und der einsamen Präsenz eines spielenden Kindes oder das intime Glück in einer eher unwirtlichen Umgebung in Ostrava in der ehemaligen ČSSR einfangen – seine Bilder erzählen Geschichten, die sich in den Köpfen der Betrachter_innen entfalten. Hansgert Lambers hat sich nie beruflich der Fotografie verschrieben. Obgleich er fast sein ganzes Leben lang fotografierte, ist sein Werk für viele noch zu entdecken. Lambers bezeichnet sich als „Liebhaber der Fotografie“ und widmet sich ihr nicht nur als Fotograf, sondern auch als Verleger (ex pose verlag) und Rezensent.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.11.2022

Flirten mit der Welt

Der Verleger und Kurator Hansgert Lambers hat nie als Fotograf gearbeitet. Umso unbeschwerter beobachtet er seit mehr als einem halben Jahrhundert überall in Europa den Alltag. Jetzt sind die Aufnahmen in einem Buch und einer Ausstellung zu sehen.

Von Freddy Langer

Es ist doch seltsam, sagt Hansgert Lambert, dass kein Mensch, der in der Straße fotografiert, bedenkt, wie historisch diese Bilder eines Tages sein werden. Und man denkt, ja, das ist wirklich seltsam. Aber gerade der Straßenfotograf ist ja voll und ganz der Gegenwart verhaftet, diesem winzigen Moment des Bruchteils einer Sekunde, von dem er hofft, er erzähle ihm etwas vom Wesen der Welt, vom Wesen der Menschen und verrate ihm nicht zuletzt auch etwas über ihn selbst. Straßenfotografie ist der Versuch einer Standortbestimmung. Sie ist keine Dokumentation des Alltags. So jedenfalls kommt es einem im Moment der Aufnahme vor.

Mehr als ein halbes Jahrhundert später sieht das anders aus. Und wenn Hansgert Lambert jetzt durch sein Buch "Verweilter Augenblick" mit Bildern aus sieben Jahrzehnten blättert, dann addieren sich all die Aufnahmen für ihn wohl auch zu einer Lebensgeschichte, zu seiner Autobiographie in Bildern. Die anderen Leser und Betrachter aber unternehmen zu allererst eine Zeitreise.

Hansgert Lambers kam 1937 in Hannover zur Welt, mit vierzehn nahm er seine ersten Fotos auf, mit neunzehn schenkte ihm die Mutter eine Leica. Sie selbst hatte im Krieg und den ersten Jahren danach die Menschen in der Nachbarschaft fotografiert und mehr als einmal Abzüge gegen Lebensnotwendiges getauscht. So kam es zu seiner Leidenschaft für das Medium und zugleich zu dem Entschluss, nie professionell als Fotograf arbeiten zu wollen. Er wurde Ingenieur und installierte im Osten Europas Großrechner zu einer Zeit, zu der Computer tatsächlich noch riesig waren. Später dann wurde er Verleger und brachte mehr als achtzig Fotobände heraus, eigenwillige Ausgaben in Kleinstauflage. Trotzdem hielt er seine eigenen Fotografien meist unter Verschluss. Dabei hatte er stets eine Kamera dabei, einerlei, ob er beruflich in Polen oder der Tschechoslowakei unterwegs war, seinen Urlaub in England und Frankreich, Spanien oder Portugal verbrachte oder in seiner Freizeit durch Berlin spazierte. Und wie der Blick auf seine Bilder vermuten lässt, war die Kamera für ihn nicht nur der Antrieb, sich auf den Weg zu machen, sondern auch so etwas wie eine Lizenz, genauer hinschauen zu dürfen, als man es sich sonst als Fußgänger herauszunehmen wagt.

Geradezu unverfroren richtete er mitunter seinen Fotoapparat auf die Menschen. Doch muss er dabei einen höflichen, wenn nicht sogar sympathischen Eindruck gemacht haben. Denn dort, wo die Menschen zurückschauen, tun sie es nicht selten voller Wohlwollen, und kaum je reagieren sie mit Ablehnung. Aber vielleicht waren auch die Zeiten andere. Vielleicht hat man es früher noch als Kompliment empfunden, dem Fotografen ein Bild wert zu sein, nicht als einen unverschämten Angriff auf die Persönlichkeit und deren Rechte. Für Hansgert Lambers jedenfalls scheint die Fotografie immer auch ein Flirt mit dem Leben gewesen zu sein. Und so sind all seine Bilder von jener Wärme durchdrungen, für die sich der Begriff der humanistischen Fotografie etabliert hat - und die bis heute eng verknüpft ist mit Edward Steichens epochemachender Wanderausstellung "The Familiy of Man" der Fünfziger- und Sechzigerjahre, jener Präsentation, die noch unter dem Eindruck der Kriegserinnerungen die Ähnlichkeit aller Menschen hervorheben wollte, ihrer Sorgen, ihrer Wünsche und ihrer Freuden.

Wie in deren Auftrag scheint Hansgert Lambers sich als sensibler Beobachter durch die Welt bewegt zu haben, ausgestattet mit einem Sensorium für die Schrulligkeiten des Alltags, aber fern jedes Gedankens an Ironie: ob nun ein Stellwärter den Zugverkehr regelt, während im Hintergrund ein Haus einzustürzen scheint, ein Herrenausstatter in seiner Ladentür die Pose seiner Schaufensterpuppen einnimmt oder an einer staubtrockenen Straßenecke in Berlin drei dick eingemummelte Kinder mit ihrem Schlitten auf den ersten Schnee zu warten scheinen. Das sind Randbeobachtungen, in denen sich der Stoff für Kurzgeschichten bündelt. Und es sind zugleich eben doch Zeitdokumente, die uns übermitteln, wie sich die Menschen einmal eingerichtet hatten, wie sie sich kleideten, wie sie sich benahmen und auch, welche Autos sie fuhren.

"Verweilter Augenblick" von Hansgert Lambers. Edition Fotohof, Salzburg 2022. 334 Seiten, 215 Schwarz-Weiß-Fotografien. Gebunden, 34 Euro. Das Fotoforum Dresden, Neustädter Markt 12, zeigt bis zum 30. Dezember eine umfassende Ausstellung mit Fotografien von Hansgert Lambers.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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