Angkor Wat, Ta Prohm, Prasat Kravan ... Orte, die vor500 Jahren dem Khmer-Königreich Kambuja (imheutigen Kambodscha) zugehörten, Tempelanlageneiner für die damalige Zeit einzigartigen städtischenZivilisation. Es sind ebenso vergessene Orte, derenfrühe Geschichte von der jüngeren verdeckt wurde,von der Zeit der maoistisch-nationalistischen RotenKhmer und ihrem Schreckensregime. Hinduistischeund buddhistische Einflüsse, weitgestreckte urbaneNetzwerke, Zeugnisse von Herrschaft und Sklaverei- seit den frühen 1990er Jahren können sie intensiverforscht und von Touristen bereist werden. Auch dieGedichte von Ilija Trojanow begeben sich dorthin. Sieerforschen das Jetzt, in dem jede Epoche sich mitRelikten, Fetischen und Psychosen bemerkbar macht.Ein Dickicht von Bedeutungen und Verdrängtem,Benutztem und Missachtetem. Ihre Reise geht darübernoch hinaus, etwa in indischen Metropolen oder inSaudi Arabien spüren sie religiösen Kulten undgesellschaftlichen Exzessen nach. Sie sind in Berührungmit den Körpern der Elenden, zwischen Schweißund Gebet, und sie wenden sich nicht ab vor denRitualen, ihrer Härte, ihrer Metaphysik und ihrerPracht.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.12.2017Zum Alleskönner fehlt noch etwas
Den Schriftsteller Ilija Trojanow als vielseitig zu bezeichnen wäre noch untertrieben: Ob Roman, Reise- und Erfahrungsbericht, Reportage, Übersetzung, kulturkritischer Essay oder politisches Buch - der Empfänger des diesjährigen Heinrich-Böll-Preises bedient ein breites Spektrum an Textgattungen und Themen. Und er sinnt offenbar auf weitere Expansion, ja sogar auf einen Aufstieg in die literarische Königsklasse: als Lyriker.
Sein nun veröffentlichter erster Gedichtband "verwurzelt in Stein" wirft allerdings nur Fragen auf. Dies beginnt schon bei der Sprachwahl: Trojanow, geboren in Bulgarien, aufgewachsen in Kenia und Deutschland, dichtet nämlich auf Englisch (die jeweils auf der Nebenseite gedruckten deutschsprachigen Übersetzungen stammen hauptsächlich von José F. A. Oliver). Warum aber dieser Rückgriff auf eine Zweitsprache, die Trojanow wahrscheinlich sehr gut im Alltagsgebrauch, aber eher nicht auf literarischem Niveau zu beherrschen scheint? Vieles klingt hier so ungelenk und hölzern, dass es in der Übersetzung regelrecht wettgemacht werden muss. Und weiter gefragt: Worin besteht für den Leser der ästhetische oder intellektuelle Mehrwert, den Hindu-Tempel Prasat Kravan, die vietnamesischen Marble Mountains und all die anderen fremden, erhabenen Orte, von denen Trojanows Gedichte handeln, in oft verrätselten Versen präsentiert zu bekommen? Schließlich: Wieso dieser mitunter so merkwürdig hohe, bisweilen auch kitschige Ton ("give me refuge in your tears", so heißt es im Eingangsgedicht, in Olivers Übersetzung: "schenk mir Zuflucht in deiner Träne"), und dies gerade von einem Autor, der ansonsten doch eher auf berichtförmige Konkretion setzt?
Man würde sich von Trojanow gern einmal erklären lassen, was er sich mit diesem Band eigentlich dachte. Bis dahin aber dürfen wir seine Gedichte getrost beiseitelegen.
sina.
Ilija Trojanow: "verwurzelt in Stein". Gedichte. Englisch/Deutsch.
Verlag Das Wunderhorn, Heidelberg 2017. 56 S., geb., 17,80 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Den Schriftsteller Ilija Trojanow als vielseitig zu bezeichnen wäre noch untertrieben: Ob Roman, Reise- und Erfahrungsbericht, Reportage, Übersetzung, kulturkritischer Essay oder politisches Buch - der Empfänger des diesjährigen Heinrich-Böll-Preises bedient ein breites Spektrum an Textgattungen und Themen. Und er sinnt offenbar auf weitere Expansion, ja sogar auf einen Aufstieg in die literarische Königsklasse: als Lyriker.
Sein nun veröffentlichter erster Gedichtband "verwurzelt in Stein" wirft allerdings nur Fragen auf. Dies beginnt schon bei der Sprachwahl: Trojanow, geboren in Bulgarien, aufgewachsen in Kenia und Deutschland, dichtet nämlich auf Englisch (die jeweils auf der Nebenseite gedruckten deutschsprachigen Übersetzungen stammen hauptsächlich von José F. A. Oliver). Warum aber dieser Rückgriff auf eine Zweitsprache, die Trojanow wahrscheinlich sehr gut im Alltagsgebrauch, aber eher nicht auf literarischem Niveau zu beherrschen scheint? Vieles klingt hier so ungelenk und hölzern, dass es in der Übersetzung regelrecht wettgemacht werden muss. Und weiter gefragt: Worin besteht für den Leser der ästhetische oder intellektuelle Mehrwert, den Hindu-Tempel Prasat Kravan, die vietnamesischen Marble Mountains und all die anderen fremden, erhabenen Orte, von denen Trojanows Gedichte handeln, in oft verrätselten Versen präsentiert zu bekommen? Schließlich: Wieso dieser mitunter so merkwürdig hohe, bisweilen auch kitschige Ton ("give me refuge in your tears", so heißt es im Eingangsgedicht, in Olivers Übersetzung: "schenk mir Zuflucht in deiner Träne"), und dies gerade von einem Autor, der ansonsten doch eher auf berichtförmige Konkretion setzt?
Man würde sich von Trojanow gern einmal erklären lassen, was er sich mit diesem Band eigentlich dachte. Bis dahin aber dürfen wir seine Gedichte getrost beiseitelegen.
sina.
Ilija Trojanow: "verwurzelt in Stein". Gedichte. Englisch/Deutsch.
Verlag Das Wunderhorn, Heidelberg 2017. 56 S., geb., 17,80 [Euro].
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