Er war ein bedeutender deutscher Geschichtsprofessor, sie war die zweite Frau, die in Deutschland im Fach Geschichte erfolgreich habilitierte. Dass ein Hochschullehrer seine wesentlich jüngere Schülerin heiratete, war im Kaiserreich und selbst noch in der liberalen Berliner Gesellschaft der 1920er Jahre mehr als ungewöhnlich. Zudem bestand Hedwig Hintze nach der Heirat darauf, ihre wissenschaftliche Karriere fortzusetzen. Dies sorgte nicht nur in Gelehrtenkreisen für erhebliches Aufsehen.
Als Historikerin jüdischer Herkunft und engagierte Demokratin mußte Hedwig Hintze bald nach der nationalsozialistischen Machtergreifung Deutschland verlassen. Ihr gesundheitlich bereits sehr angegriffener Mann blieb in Berlin zurück.
Dass die Liebe in dieser Zeit der Trennung noch wuchs und Hedwig Hintze ihrem hilfsbedürftigen Mann aus dem niederländischen Exil, so gut sie es nur konnte, beistand, wie andererseits Otto Hintze ihr beständig Mut zusprach, belegen die durch Zufall erhaltenen Dokumente einer intensiven Korrespondenz.
Das Schicksal einer ungewöhnlichen Ehe, die durch die politischen Ereignisse aus den Fugen geriet, spiegelt sich darüber hinaus auch in den zusätzlich aufgenommenen Berichten von Freunden und Weggefährten. Die Briefe und zahlreichen Postkarten, die Otto an Hedwig schrieb, sind ein bewegendes Zeugnis für eine ebenso liebevolle wie intellektuelle Partnerschaft. Es sind, für die Zeit nach 1939, auch Dokumente eines Alltags, der neben allen Nöten und existentiellen Bedrohungen, die das Leben in Diktatur und Exil mit sich brachte, stets noch Raum für die Erörterung wissenschaftlicher Fragen bot.
Als Historikerin jüdischer Herkunft und engagierte Demokratin mußte Hedwig Hintze bald nach der nationalsozialistischen Machtergreifung Deutschland verlassen. Ihr gesundheitlich bereits sehr angegriffener Mann blieb in Berlin zurück.
Dass die Liebe in dieser Zeit der Trennung noch wuchs und Hedwig Hintze ihrem hilfsbedürftigen Mann aus dem niederländischen Exil, so gut sie es nur konnte, beistand, wie andererseits Otto Hintze ihr beständig Mut zusprach, belegen die durch Zufall erhaltenen Dokumente einer intensiven Korrespondenz.
Das Schicksal einer ungewöhnlichen Ehe, die durch die politischen Ereignisse aus den Fugen geriet, spiegelt sich darüber hinaus auch in den zusätzlich aufgenommenen Berichten von Freunden und Weggefährten. Die Briefe und zahlreichen Postkarten, die Otto an Hedwig schrieb, sind ein bewegendes Zeugnis für eine ebenso liebevolle wie intellektuelle Partnerschaft. Es sind, für die Zeit nach 1939, auch Dokumente eines Alltags, der neben allen Nöten und existentiellen Bedrohungen, die das Leben in Diktatur und Exil mit sich brachte, stets noch Raum für die Erörterung wissenschaftlicher Fragen bot.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.09.2005Preußentum und Föderalismus
Vom Ende der Gelehrsamkeit: Otto und Hedwig Hintze in Briefen
Die Zerstörung der europäischen Gelehrtenrepublik nach 1914, die auch eine Selbstzerstörung war, bildet ein Kapitel in der Geschichte zeitgenössischer Destruktion der Politik. Die Wissenschaft geriet in den Sog von nationalistischer Emphase und Militarisierung des Denkens. Ihre Akteure wurden zu Kämpfern oder Kollaborateuren auf der Gewinnerseite, zu Außenseitern und Verfolgten auf der Verliererseite. Ihre Lebensläufe beschreiben abenteuerliche Aufstiege und Beutezüge, aber auch dramatische Abstiege und physische Vernichtung. Der hier zu besprechende Band berichtet in Quellen von zwei Akteuren der Wissenschaft, aber es sind nicht die Höhepunkte gelehrten Wirkens, welche uns entgegentreten, es ist der Alltag im Schatten der Katastrophe. Die Rede ist von Otto und Hedwig Hintze.
Otto Hintze (1861 bis 1940) war Historiker des preußischen Staates. Als solcher ist er durch sein Buch "Die Hohenzollern und ihr Werk" den Zeitgenossen bekannt geworden. Sein Arbeitsfeld war die Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte, beides eng mit der Sozialgeschichte verbunden. Freilich hat er früh darauf bestanden, den preußischen Staat als historisches "Paradigma" zu verstehen, als Beispiel von Machtkonzentration, auch von Disziplinierung und Schutz der Gesellschaft durch Recht und Militär. So gesehen, war es der realhistorische Typus Preußen, welcher ihn beschäftigte, nicht Preußen als nationales Ressentiment oder kleinmeisterliche Devotion.
Seit 1902 war Hintze Professor für Verfassungs-, Verwaltungs-, Wirtschaftsgeschichte und Politik an der Berliner Universität. Sein Ziel war eine vergleichende Verfassungsgeschichte. Er schrieb an ihr über Jahre, aber der Nachwelt ist sie nur in Bruchstücken überkommen. Indessen schrieb er Aufsätze über "Wesen und Verbreitung des Feudalismus" und über die "Typologie der ständischen Verfassungen des Abendlandes", die zum Besten zählen, was von deutschen Historikern geschrieben worden ist.
Hedwig Hintze (1884 bis 1942), geborene Guggenheimer, war Schülerin Otto Hintzes und seit 1912 mit ihm verheiratet. 1924 promovierte sie an der Berliner Universität, 1928 erwarb sie als Habilitierte die Venia legendi und war dadurch Mitglied der Korporation. Sie war in solcher Stellung eine Außenseiterin, eine provokante Figur dazu - als Frau, als linksliberale Autorin und als Gelehrte jüdischer Herkunft. Gegen das Ressentiment stand die wissenschaftliche Leistung. Ihre Studie über "Staatseinheit und Föderalismus im alten Frankreich und in der Revolution" ist bis heute ein Standardwerk.
Der vorliegende Band spiegelt eine disparate, lückenhafte und von Unwägbarkeiten des späten Urteils gezeichnete Überlieferung. Aber auch diese noch bezeugt eine dramatische, ja eine tragische Geschichte. Die Quellen beginnen mit einer Schülerkorrespondenz aus der Zeit des Ersten Weltkrieges, sie setzen sich fort mit Gedichten Hintzes für seine Frau sowie Briefen und Postkarten aus den späten Jahren. Den Schluß bilden Erinnerungen von Kollegen und Zeitgenossen aus der Zeit nach 1945. Das Material hatte Gerhard Oestreich gesammelt. Sein Tod 1978 brachte Pläne einer Biographie zum Stillstand.
Im Berliner Gelehrtenmilieu der zwanziger Jahre waren die Hintzes ein ungewöhnliches Paar. Die Zeitgenossen sahen einen asketischen, im Äußeren spröden Mann, einen Gelehrten von unbeugsamer Staatsgesinnung und methodischer Strenge, auch von Skepsis gegen den "Weimarer" Staat. Sie sahen eine liberale, eine linke Autorin von politischem Temperament wie von emphatischem Einsatz für Frankreich und dessen revolutionäre Tradition. Statt ihren Mann bei seinen Arbeiten zu unterstützen," habe sie lieber eigene Artikel verfaßt, meinte der Hintze-Schüler Fritz Hartung. Hans Rothfels berichtet von den Teenachmittagen im Hause Hintze in den zwanziger Jahren, bei denen Hedwig durch geistigen Elan hervortrat, aber auch den Besuchern "auf die Nerven ging". Das intellektuelle Vermögen der Hausherrin war den männlichen Teilnehmern nicht geheuer.
Den Schwerpunkt des Bandes bildet die Zeit des Nationalsozialismus, welche über die Ehe wie eine Katastrophe hereinbrach. Hedwig Hintze verlor, durch ihre jüdische Abkunft stigmatisiert, ihr Lehramt an der Universität; ihr wurde als Rezensentin von der "Historischen Zeitschrift" gekündigt. Ihr Mann, Mitherausgeber der Zeitschrift, trat sofort von seinem Amt zurück. So lag 1933 eine Kluft zwischen beiden Gelehrten und der offiziösen Historiographie. Hedwig Hintze ging nach Frankreich, ihr Mann, 72jährig und schwer leidend, blieb in Berlin. Jahre der Trennung - bis zu seinem Tode im April 1940.
Otto Hintze hat aus der Vereinsamung seines Berliner Domizils Briefe an seine Frau geschrieben, 1939 und 1940 fast täglich. Sie bilden den Schwerpunkt des Bandes. In der Sache geben sie Einblick in den Zustand einer zerstörten Gelehrtenexistenz, in ein Leben von Alltagsnöten im Dritten Reich. "Passe jetzt die Gasmasken an", "Heute kommen neue Lebensmittelkarten, übermorgen die Kleiderkarten". Vieles bleibt ungesagt. Dennoch erstaunt der offene Ton. "Diesmal nicht geöffnet", heißt es unter dem 4. Oktober 1939. "Heil Hökchen!" - der Kosename für Hedwig - schließt ein Brief vom 19. Februar 1940: eine leise Widerstandsgeste. Hintzes Zivilcourage schien nicht gebrochen. Eine Anfrage der Akademie der Wissenschaften von 1938, ob er "jüdisch versippt" sei, beantwortete er mit einem "Ja" und erklärte seinen Austritt.
Das gelehrte Forschen, auf das Hintze nur am Rande zu sprechen kommt, sah er in seinem Fach von Grund auf korrumpiert. "Ja, wenn Du Arzt oder Ingenieur oder Chemiker wärst! Aber Historiker ist heute nicht mehr Wissenschaft, sondern, wie gesagt, Prop.!" Er zog sich zurück, in die klassische Musik vor allem. Auf den Rat seiner Frau las er Gundolfs Goethe-Buch.
Auch wenn die Gegenbriefe vernichtet wurden, wird deutlich, daß an diesem Austausch zwei Leben hingen. In zahllosen Wendungen tritt das Unverbrüchliche der Beziehung hervor. Der Briefwechsel widerlegt alle gegenteiligen Vermutungen. Aber er läßt auch die Mutlosigkeit spüren. "So harren wir der dunklen Schicksalswende, die dieses Trauerspiel beende" - so am 3. Januar 1940.
Im August 1939 ging Hedwig Hintze von Frankreich nach Den Haag. Am 25. April 1940 starb Otto Hintze. Wenig später begann die deutsche Besetzung der Niederlande. Im Spätsommer 1942 hat sich Hedwig Hintze in Utrecht das Leben genommen. Welche Tragödie sich dahinter verbirgt, bleibt im ungewissen. Hedwig Hintze bemühte sich um den Nachlaß ihres Mannes, vor allem um das Manuskript der "Verfassungsgeschichte". Aber jeder Zugang blieb ihr verwehrt. Beide Familien, vor allem der Hintze-Schüler Fritz Hartung, spielten eine unheilvolle Rolle. Was ihr eigenes Schicksal anbetraf, blieben Pläne einer Übersiedlung in die Schweiz unerfüllt. 1941 erhielt sie den Ruf auf eine Professur an der "New School for Social Research". Eine letzte Berechtigung, das besetzte Holland zu verlassen, wurde ihr aber versagt. Mit ihrem Freitod endete eine der bewegendsten Episoden der deutschen Gelehrtengeschichte.
HARTWIG BRANDT
Otto Hintze, Hedwig Hintze: ",Verzage nicht, und laß nicht ab zu kämpfen'". Die Korrespondenz 1925-1940. Bearbeitet von Brigitta Oestreich. Herausgegeben von Robert Jütte und Gerhard Hirschfeld. Klartext Verlag, Essen 2004. 265 S., Abb., geb., 24,90 [Euro].
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Vom Ende der Gelehrsamkeit: Otto und Hedwig Hintze in Briefen
Die Zerstörung der europäischen Gelehrtenrepublik nach 1914, die auch eine Selbstzerstörung war, bildet ein Kapitel in der Geschichte zeitgenössischer Destruktion der Politik. Die Wissenschaft geriet in den Sog von nationalistischer Emphase und Militarisierung des Denkens. Ihre Akteure wurden zu Kämpfern oder Kollaborateuren auf der Gewinnerseite, zu Außenseitern und Verfolgten auf der Verliererseite. Ihre Lebensläufe beschreiben abenteuerliche Aufstiege und Beutezüge, aber auch dramatische Abstiege und physische Vernichtung. Der hier zu besprechende Band berichtet in Quellen von zwei Akteuren der Wissenschaft, aber es sind nicht die Höhepunkte gelehrten Wirkens, welche uns entgegentreten, es ist der Alltag im Schatten der Katastrophe. Die Rede ist von Otto und Hedwig Hintze.
Otto Hintze (1861 bis 1940) war Historiker des preußischen Staates. Als solcher ist er durch sein Buch "Die Hohenzollern und ihr Werk" den Zeitgenossen bekannt geworden. Sein Arbeitsfeld war die Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte, beides eng mit der Sozialgeschichte verbunden. Freilich hat er früh darauf bestanden, den preußischen Staat als historisches "Paradigma" zu verstehen, als Beispiel von Machtkonzentration, auch von Disziplinierung und Schutz der Gesellschaft durch Recht und Militär. So gesehen, war es der realhistorische Typus Preußen, welcher ihn beschäftigte, nicht Preußen als nationales Ressentiment oder kleinmeisterliche Devotion.
Seit 1902 war Hintze Professor für Verfassungs-, Verwaltungs-, Wirtschaftsgeschichte und Politik an der Berliner Universität. Sein Ziel war eine vergleichende Verfassungsgeschichte. Er schrieb an ihr über Jahre, aber der Nachwelt ist sie nur in Bruchstücken überkommen. Indessen schrieb er Aufsätze über "Wesen und Verbreitung des Feudalismus" und über die "Typologie der ständischen Verfassungen des Abendlandes", die zum Besten zählen, was von deutschen Historikern geschrieben worden ist.
Hedwig Hintze (1884 bis 1942), geborene Guggenheimer, war Schülerin Otto Hintzes und seit 1912 mit ihm verheiratet. 1924 promovierte sie an der Berliner Universität, 1928 erwarb sie als Habilitierte die Venia legendi und war dadurch Mitglied der Korporation. Sie war in solcher Stellung eine Außenseiterin, eine provokante Figur dazu - als Frau, als linksliberale Autorin und als Gelehrte jüdischer Herkunft. Gegen das Ressentiment stand die wissenschaftliche Leistung. Ihre Studie über "Staatseinheit und Föderalismus im alten Frankreich und in der Revolution" ist bis heute ein Standardwerk.
Der vorliegende Band spiegelt eine disparate, lückenhafte und von Unwägbarkeiten des späten Urteils gezeichnete Überlieferung. Aber auch diese noch bezeugt eine dramatische, ja eine tragische Geschichte. Die Quellen beginnen mit einer Schülerkorrespondenz aus der Zeit des Ersten Weltkrieges, sie setzen sich fort mit Gedichten Hintzes für seine Frau sowie Briefen und Postkarten aus den späten Jahren. Den Schluß bilden Erinnerungen von Kollegen und Zeitgenossen aus der Zeit nach 1945. Das Material hatte Gerhard Oestreich gesammelt. Sein Tod 1978 brachte Pläne einer Biographie zum Stillstand.
Im Berliner Gelehrtenmilieu der zwanziger Jahre waren die Hintzes ein ungewöhnliches Paar. Die Zeitgenossen sahen einen asketischen, im Äußeren spröden Mann, einen Gelehrten von unbeugsamer Staatsgesinnung und methodischer Strenge, auch von Skepsis gegen den "Weimarer" Staat. Sie sahen eine liberale, eine linke Autorin von politischem Temperament wie von emphatischem Einsatz für Frankreich und dessen revolutionäre Tradition. Statt ihren Mann bei seinen Arbeiten zu unterstützen," habe sie lieber eigene Artikel verfaßt, meinte der Hintze-Schüler Fritz Hartung. Hans Rothfels berichtet von den Teenachmittagen im Hause Hintze in den zwanziger Jahren, bei denen Hedwig durch geistigen Elan hervortrat, aber auch den Besuchern "auf die Nerven ging". Das intellektuelle Vermögen der Hausherrin war den männlichen Teilnehmern nicht geheuer.
Den Schwerpunkt des Bandes bildet die Zeit des Nationalsozialismus, welche über die Ehe wie eine Katastrophe hereinbrach. Hedwig Hintze verlor, durch ihre jüdische Abkunft stigmatisiert, ihr Lehramt an der Universität; ihr wurde als Rezensentin von der "Historischen Zeitschrift" gekündigt. Ihr Mann, Mitherausgeber der Zeitschrift, trat sofort von seinem Amt zurück. So lag 1933 eine Kluft zwischen beiden Gelehrten und der offiziösen Historiographie. Hedwig Hintze ging nach Frankreich, ihr Mann, 72jährig und schwer leidend, blieb in Berlin. Jahre der Trennung - bis zu seinem Tode im April 1940.
Otto Hintze hat aus der Vereinsamung seines Berliner Domizils Briefe an seine Frau geschrieben, 1939 und 1940 fast täglich. Sie bilden den Schwerpunkt des Bandes. In der Sache geben sie Einblick in den Zustand einer zerstörten Gelehrtenexistenz, in ein Leben von Alltagsnöten im Dritten Reich. "Passe jetzt die Gasmasken an", "Heute kommen neue Lebensmittelkarten, übermorgen die Kleiderkarten". Vieles bleibt ungesagt. Dennoch erstaunt der offene Ton. "Diesmal nicht geöffnet", heißt es unter dem 4. Oktober 1939. "Heil Hökchen!" - der Kosename für Hedwig - schließt ein Brief vom 19. Februar 1940: eine leise Widerstandsgeste. Hintzes Zivilcourage schien nicht gebrochen. Eine Anfrage der Akademie der Wissenschaften von 1938, ob er "jüdisch versippt" sei, beantwortete er mit einem "Ja" und erklärte seinen Austritt.
Das gelehrte Forschen, auf das Hintze nur am Rande zu sprechen kommt, sah er in seinem Fach von Grund auf korrumpiert. "Ja, wenn Du Arzt oder Ingenieur oder Chemiker wärst! Aber Historiker ist heute nicht mehr Wissenschaft, sondern, wie gesagt, Prop.!" Er zog sich zurück, in die klassische Musik vor allem. Auf den Rat seiner Frau las er Gundolfs Goethe-Buch.
Auch wenn die Gegenbriefe vernichtet wurden, wird deutlich, daß an diesem Austausch zwei Leben hingen. In zahllosen Wendungen tritt das Unverbrüchliche der Beziehung hervor. Der Briefwechsel widerlegt alle gegenteiligen Vermutungen. Aber er läßt auch die Mutlosigkeit spüren. "So harren wir der dunklen Schicksalswende, die dieses Trauerspiel beende" - so am 3. Januar 1940.
Im August 1939 ging Hedwig Hintze von Frankreich nach Den Haag. Am 25. April 1940 starb Otto Hintze. Wenig später begann die deutsche Besetzung der Niederlande. Im Spätsommer 1942 hat sich Hedwig Hintze in Utrecht das Leben genommen. Welche Tragödie sich dahinter verbirgt, bleibt im ungewissen. Hedwig Hintze bemühte sich um den Nachlaß ihres Mannes, vor allem um das Manuskript der "Verfassungsgeschichte". Aber jeder Zugang blieb ihr verwehrt. Beide Familien, vor allem der Hintze-Schüler Fritz Hartung, spielten eine unheilvolle Rolle. Was ihr eigenes Schicksal anbetraf, blieben Pläne einer Übersiedlung in die Schweiz unerfüllt. 1941 erhielt sie den Ruf auf eine Professur an der "New School for Social Research". Eine letzte Berechtigung, das besetzte Holland zu verlassen, wurde ihr aber versagt. Mit ihrem Freitod endete eine der bewegendsten Episoden der deutschen Gelehrtengeschichte.
HARTWIG BRANDT
Otto Hintze, Hedwig Hintze: ",Verzage nicht, und laß nicht ab zu kämpfen'". Die Korrespondenz 1925-1940. Bearbeitet von Brigitta Oestreich. Herausgegeben von Robert Jütte und Gerhard Hirschfeld. Klartext Verlag, Essen 2004. 265 S., Abb., geb., 24,90 [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Die Teenachmittage bei Hintzes scheinen im Berliner Gelehrtenmilieu der zwanziger Jahre für viele Männer ein irritierendes Schauspiel gewesen zu sein, berichtet Rezensent Hartwin Brandt. Neben dem spröden Geschichtsprofessor mit preußischer Gesinnung habe da nämlich seine temperamentvoll debattierende Ehefrau mit französisch revolutionären Ansichten gesessen. 1933 verlor Hedwig Hintze aufgrund ihrer jüdsichen Herkunft ihr Lehramt an der Berliner Universität und ging nach Frankreich, der bereits 72jährige Otto Hintze blieb bis zu seinem Tod im Jahr 1940 in Berlin. Von 1939 an habe Otto Hintze beinahe täglich einen Brief an Hedwig geschrieben, so der Rezensent, ihre Briefe aus dieser Zeit seien jedoch vernichtet worden. Insbesondere aus diesen späten Briefen gehe eindeutig hervor, so Brandt, dass die Politik die Beziehung der beiden nicht zerstört habe, entgegen aller "Vermutungen" in diese Richtung. Der Briefwechsel des Ehe- und Wissenschaftlerpaares Hintze, verneigt sich abschließend der Rezensent , dokumentiere eine der "bewegendsten Episoden der deutschen Gelehrtengeschichte".
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