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"Ihre grauen Haare gefallen mir sehr gut." Mit diesem simplen Kompliment gelingt es dem sechzigjährigen Rudolf Smelik, pensionierter Dramaturg des Wiener Burgtheaters, das Gespräch mit der vierundfünfzigjährigen Pragerin Nelly Tomasova, die als Sekretärin an einem kleinen Theater arbeitet, wieder anzukurbeln. Er wird dies mehrmals tun, um die leicht verletzbare Frau zum Reden zu bewegen. Sie sind sich in der Straßenbahn auf der Fahrt nach Grinzing begegnet, als die Pragerin den Fremden fragte: "Verzeihen Sie, ist das hier schon die Endstation?" Nach Erkundigungen von Gewohnheiten, dem…mehr

Produktbeschreibung
"Ihre grauen Haare gefallen mir sehr gut." Mit diesem simplen Kompliment gelingt es dem sechzigjährigen Rudolf Smelik, pensionierter Dramaturg des Wiener Burgtheaters, das Gespräch mit der vierundfünfzigjährigen Pragerin Nelly Tomasova, die als Sekretärin an einem kleinen Theater arbeitet, wieder anzukurbeln. Er wird dies mehrmals tun, um die leicht verletzbare Frau zum Reden zu bewegen. Sie sind sich in der Straßenbahn auf der Fahrt nach Grinzing begegnet, als die Pragerin den Fremden fragte: "Verzeihen Sie, ist das hier schon die Endstation?" Nach Erkundigungen von Gewohnheiten, dem Feststellen von Gemeinsamkeiten, Ansichten über Theater und Politik werden die Gespräche beim Heurigen immer vertraulicher, immer intimer. Nelly Tomasova berichtet von ihrer unglücklichen Ehe, von einer unerfüllten großen Liebe, vom Freitod ihres alkoholkranken Vaters und dass sie gerne Pianistin geworden wäre. Rudolf Smelik wiederum erzählt von seiner geheilten Alkoholsucht, von Liebschaften und von jener einzigen Frau, die er heiraten wollte und die in seinen Armen starb. "Nelly, darf ich Sie küssen?" - "Ich warte längst darauf." Eine besondere Liebesgeschichte in den Hügeln über Wien.
Autorenporträt
Erika Pluhar, 1939 in Wien geboren, ist seit ihrer Ausbildung am Max-Reinhardt-Seminar Schauspielerin am Burgtheater Wien. Sie ist außerdem Sängerin und Autorin. 2009 wurde Erika Pluhar mit dem "Buchhandelspreis für Toleranz" ausgezeichnet.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.04.2001

Mit der Tram in die Sahara
Herz, Schmerz: Erika Pluhar belauscht zwei Wiener Dauerredner

Anfangs scheint es ein ziemlich realistisches Hörspiel mit dem Titel "Einsamkeit"zu sein: Ein älterer Mann und eine nicht mehr junge Frau begegnen sich in der Tram von Wien in den Wienerwald. Sie beginnen ein Gespräch, erst höflich, unverbindlich, dann immer lebhafter und eindringlicher. Es will kein Ende nehmen, und nach Stunden findet es seinen Höhepunkt in wechselseitigen Lebensbeichten von erstaunlicher Offenheit und reichlichem Herz-Schmerz-Tränenfluß.

Erika Pluhar, bis vor kurzem Schauspielerin am Burgtheater, Chanson-Sängerin und Autorin mehrerer Bücher, kann Dialoge schreiben. In ihrem neuen Roman ist die Stimme des Mannes in Kursivschrift deutlich abgesetzt von dem Echo der Frau; das vermeidet Verwechslungen, die durch die Ähnlichkeit der Ausgangslage entstehen könnten. Beide nämlich leiden unter einem Bekenntniszwang, der nach langer Einsamkeit entstanden ist und sich nun in einem Redeschwall über das verständnis- und vertrauensvolle Gegenüber ergießt. Beide haben viel Gemeinsames: das Bühnenmilieu ist ihnen ebenso vertraut wie Musik und Literatur. Er war Dramaturg am Burgtheater, bis Alkohol seine Karriere frühzeitig beendete, sie, eine Pianistin, die nie öffentlich aufgetreten ist, arbeitet im Sekretariat eines Prager Theaters.

Zufall natürlich, aber zwei gleichgestimmte Seelen, gebeutelt von den Wechselfällen des Lebens und in Not, haben sich gefunden, und Erika Pluhar läßt sie ihre Rollen spielen. Mit zunehmendem Mitteilungsdrang erzählen sie sich von ihrem vergangenen Unglück, von den kurzen glücklichen und den langen traurigen Phasen ihres Lebens. Während sie unter einem Holunderbusch vor der Gaststätte "Häuserl am Himmel" sitzen und immer wieder einen neuen Gespritzten und ein Mineralwasser bestellen, tauschen sie meist resignative Lebensweisheiten aus, die trösten, weil beide ähnliche Erfahrungen gemacht haben.

Traurig ist es, Tochter einer ehrgeizigen Mutter und eines versoffenen Vaters zu sein und nach fünfzehn Jahren als Geliebte des Klavierlehrers und dem Verlust jeder Selbstsicherheit in eine Ehe mit einem ungeliebten Musiker zu flüchten. Doch Nelly, so heißt die Frau, blickt auf die abgeschlossenen Kapitel ihrer Vergangenheit nicht verbittert zurück. Sie besitzt noch Gefühlsreserven und kann sich noch immer über einen prächtigen Sonnenuntergang wie den im Wienerwald freuen. Alter, das bedeutet für sie Leiderfahrung, die man hinzunehmen hat.

Erstaunlicher als diese Vita aus Prag ist, was der angeblich kontaktscheue Einsiedler aus Wien von seinem früheren Leben so alles zu erzählen hat. Seiner Zuhörerin bleibt die Sprache weg, und der artige Dialog geht über in die melodramatische Geschichte von einer großen Liebe. Sie endet mit dem Herztod der engelgleichen Geliebten in der Wüste. Der frühpensionierte Dramaturg beschwört seine Erinnerung an das traurige Finale bei den Polisarios und die wunderbare Erscheinung seiner Helene im weißen wehenden Gewand in den Zeltstädten der Sahraouis so lebhaft, daß er nun imstande ist, seiner mitfühlenden Zuhörerin aus Prag immer näher zu kommen. Zum Schluß weinen beide und vereinen sich in einem geradezu bühnenreifen Kuß. "Unser einziges Wissen ist das Gefühl", nehmen wir noch als letzte Botschaft mit, und "im Bereich des reinen Gefühls gibt es keinen Kitsch", hieß es vorher. Darüber allerdings läßt sich streiten.

MARIA FRISÉ

Erika Pluhar: "Verzeihen Sie, ist das hier schon die Endstation?". Roman. Verlag Hoffmann und Campe, Hamburg 2001. 255 Seiten, geb., 36,- DM.

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"Ein bewegender Roman, der in die Tiefen der menschlichen Existenz leuchtet, den Schmerz zweier Leben zu ermessen sucht und doch in großer Hoffnung mündet." (Iserlohner Zeitung)