Die Reaktionen der sogenannten Mitte der deutschen Gesellschaft auf den rechtsterroristischen Anschlag in Halle am 9. Oktober 2019 offenbarenMotive, die auch in der Erinnerungskultur an die NS-Verbrechen zu finden sind. Statt einer kritischen Auseinandersetzung mit dem Zusammenhang zwischen rechtem Terror und Kontinuitäten nationalsozialistischer Ideologien führt dies jedoch zu einem erinnernden Vergessen. Der Attentäter und seine rechtsextreme Ideologie werden aus der Gesellschaft externalisiert,wodurch sich die Mitte als diskriminierungsfrei darstellen kann.Die Mitte identifiziert sich latent mit dem Attentäter über das Ticket des nationalen deutschen Kollektivs, welche an NS-Erinnerungsnarrative anknüpft und mit der NS-Gefühlserbschaft verbunden ist. Nachfahren der NS-Täter und Mitläufer haben ein narzisstisches Berührungstabu ( Jan Lohl) geerbt, das durch rechten Terror angegriffen wird. In Reaktion darauf wird der Täter ausgeschlossen und das emotionale Erinnern an den Anschlag abgewehrt.Die sozialpsychologischen Dimensionen und Dispositionen dieser Tendenz stehen in einem Zusammenhang mit denWidersprüchen kapitalistischer Vergesellschaftung. Erkenntnisleitend für diese These ist die Typologie von Vorurteilsstrukturen nach Elisabeth Young-Bruehl, die zeigt, dass verschiedene Ideologien im Tätersubjekt ineinander verschränkt sind und als Antworten auf spezifische psychische Bedürfnisse der Subjekte verstanden werden können. Der Attentäter von Halle befreit stellvertretend jene Gefühle, die sich eine Mitte der Gesellschaft nicht eingestehen kann: Eine Gefühlsbefreiuung by proxy (Christine Kirchhoff).