Jean Paul gilt als notorisch abschweifender Autor. Aus der rhetorischen Technik der Digression, die im humoristischen Roman des 17./18. Jahrhunderts zu einem beliebten Stilmittel avancierte, entwickelte er eine eigene (und exzessive) Virtuosität, die narrative Linearität in immer neuen Variationen aufzustören. Von der zeitgenössischen Ästhetik deswegen arg kritisiert, gilt heute gerade diese digressive Komponente seines Schreibens als besonders bahnbrechend. Ausgehend von diesem Befund entwirft vorliegende Studie eine Poetik der Digression bei Jean Paul, indem die oft autoreflexiven Ablenkungsmanöver des Autors auf ihr semantisches Potential befragt und in Bezug zu literatur- und kulturhistorischen Kontexten gebracht werden. Dabei eröffnet sich ein Spektrum, das von der antiken Rhetorik bis zum Zeitungsdiskurs der Aufklärung reicht, das spezifisch digressive Textsorten wie Appendix und Extrablatt ebenso in den Blick nimmt wie kleinste typographische Faktoren und das – unter stetem Einbezug von Jean Pauls Witz-, Humor- und Romantheorie – die literarische Produktivität der Störung erkundet. Hinter diesem meist irritierenden 'Spiel der Digressionen' zeigt sich im Verlauf der Untersuchung allmählich, dass Jean Pauls Abschweifungen die Eigenart von 'Vexierzügen' besitzen, bei denen nicht immer alles krumm ist, was ungerade scheint.