Eine Entdeckungsreise auf der Königin der Straßen - von Rom bis zum Herzen des Mittelmeers.Die Via Appia wiederentdecken, Europas erste große Straße erwandern - davon träumte Italiens berühmtester Reisender schon lange. Über 540 km führt die legendäre Römerstraße, 1000 Jahre älter als der Jakobsweg, vom Zentrum der Antike nach Brindisi, dem Tor zum Osten. Jahrhunderte der Vernachlässigung und Ignoranz haben sie beinahe aus dem Gedächtnis gelöscht. Mit einer Handvoll passionierter Reisegenossen folgt Rumiz den Spuren von Horaz und dem hl. Petrus, der Langobarden, Sarazenen und Normannen: Sie stoßen auf antike Villen und überwucherte Baudenkmäler, erkunden mittelalterliche Kirchen und Burgen, aber auch die Wunder der Gastfreundschaft, die Düfte und Genüsse des Südens. Selbst wo endlose Kornfelder und Autobahnen die Via Appia verbergen, ist sie noch da und weist den Weg zum Herzen des Mittelmeers.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 17.06.2019Jenseits der Leitplanke
Römische Archäologie: Der Journalist Paolo Rumiz sucht unter dem Schutt der Moderne nach der antiken Via Appia
Eine „italienische Reise“ ist keine Reise nach Italien, schon gar keine Reise an einen bestimmten Ort in Italien, sondern eine Reise durch Italien. „Viaggio in Italia“ heißt nicht nur ein Film, den der Regisseur Roberto Rossellini im Jahr 1954 mit seiner Frau Ingrid Bergman in der Hauptrolle drehte, sondern auch Goethes Reiseschilderung in der italienischen Übersetzung. Mindestens ein Dutzend Bücher auf dem italienischen Markt tragen diesen Titel, und ein Vielfaches handelt ebenfalls von umherschweifenden Annäherungen, auch wenn die Bücher anders heißen – von Pier Paolo Pasolinis Reisebericht „Die lange Straße aus Sand“ (1959) bis zu Tim Parks‘ „Italien in vollen Zügen“ (2013).
Es ist, als wäre Italien ein Geheimnis, das sich nur in der Bewegung erschließt, nur dadurch, dass man von einem Ort zum anderen zieht, und nie ganz ohne Mühen und seltsame Überraschungen. Paolo Rumiz, ein Triestiner Journalist, der durch seine Reportagen für die römische Tageszeitung La Repubblica bekannt wurde, hat schon eine ganze Reihe italienischer Reisen unternommen, auf den Spuren Hannibals zum Beispiel, in billigen Zügen oder in kleinen Booten den Po hinunter. Alle seine Unternehmungen waren Versuche, Italien gleichsam auf den Grund zu gehen, buchstäblich, physisch, bis hinunter in den Morast in der Tiefe eines Flusses. Ein halbes Dutzend solcher Versuche hat Rumiz bisher angestellt. Mit dem Reisebericht „Via Appia“ übertrifft und summiert er, was vorher war: mit der Dokumentation einer Fußwanderung von Rom nach Brindisi, auf der Straße, die in antiker Zeit das römische Reich mit der Ostküste der Adria, mit Griechenland und dem Vorderen Orient verband. Gewiss, solche nationalen Erkundungen hat es in den vergangenen zwei Jahrzehnten viele gegeben, in allen west- und nordeuropäischen Ländern, und meistens wurden sie zu Fuß vollbracht. Die Reise, die Paolo Rumiz zusammen mit drei Gefährten und einer wechselnden Anzahl weiterer Begleiter absolviert, unterscheidet sich von jenen anderen Reisen dadurch, dass sie nicht nur eine Wanderung, sondern zugleich ein archäologisches Forschungsprojekt ist: Über weite Teile der knapp 600 Kilometer langen Strecke ist die „erste Straße“ des römischen Reiches unter den oft zweifelhaften Errungenschaften einer industrialisierten Gesellschaft verschwunden.
Es gibt wohl kein Baudenkmal aus antiker Zeit, mit dem so zerstörerisch umgegangen worden wäre wie mit den römischen Straßen. Dabei sind sie, aus einfachen, aber haltbaren Elementen geschaffen, beinahe für die Ewigkeit tauglich. Dass man in früheren Zeiten die Steine nahm und für andere Bauwerke verwendete, ist dabei das geringste Problem. Doch wenn die Via Appia über viele Kilometer unter dem Asphalt der Schnellstraßen verschwindet, wenn Fabriken, Parkplätze, Steinbrüche, Wohnviertel sowie Schwarzbauten aller Art auf den Resten errichtet wurden, nimmt die Rücksichtslosigkeit nicht nur gegenüber allem, was man kulturelles Erbe nennen könnte, sondern auch gegenüber den eigenen Landsleuten ganz andere Dimensionen an.
Die Tempelanlagen von Paestum wurden 1752 aus einer versumpften Landschaft hervorgeholt, die antiken Städte Pompeji und Herculaneum in Jahrhunderten von Lava, Schutt und Asche befreit. Die Via Appia freizulegen, mitsamt den sie flankierenden Bauwerken, den Wachtürmen und kleinen Befestigungen, antiken Villen und Grabstätten, aber auch den Häuschen der Straßenwärter aus den frühen Zeiten des Automobilismus, wäre ein nicht minder bedeutendes archäologisches Vorhaben. Aber sie sinkt immer tiefer in den Schutt der Moderne, während etwa die Via Francigena, das Gegenstück zum Jakobsweg, mittlerweile auch in Italien über weite Strecken begangen werden kann.
Führen lassen sich Paolo Rumiz und seine Gefährten von historischen Karten, von den Erkenntnissen der Archäologen, von einem dicken Bündel Militärkarten im Maßstab von 1:25 000 sowie von einem GPS-Empfänger. Am Anfang, noch auf dem Gebiet der Stadt Rom, erwartet sie ein Idyll. Jenseits des Autobahnrings beginnt die technifizierte Wildnis. Oft ist die alte Straße kaum noch zu erkennen, immer wieder führt der Weg querfeldein, und gelegentlich endet er an einer Mauer, an einer Leitplanke oder an einem Zaun, hinter dem eine Bande wütender Rottweiler kläfft. So ist es in der Pontinischen Ebene, so ist es in den Bergen bei Benevento, so ist es auf der apulischen Hochebene, die, aufgrund fortschreitender Erosion, immer mehr einer Wüste gleicht.
Italien ist möglicherweise ein Land für Flaneure in den Innenstädten, aber keines für Fußgänger auf dem Land. Wer zu Fuß geht, steht dort immer im Verdacht, wenn nicht zu den Banditen, so doch zu den „irregolari“ zu gehören, den Einwanderern ohne Papiere. Die alte Straße, das lernt der Leser bald, ist nicht nur materieller Ausdruck einer „civiltà“, im Sinne eines höheren Bürgersinns, sondern auch deren Medium.
Ließe sich diese Straße wieder freilegen, meint Paolo Rumiz, imaginär, im Bewusstsein ihrer heutigen Anrainer, aber auch real, als Gegenstand der Archäologie und der Denkmalpflege, wäre auch jener Bürgersinn zurückzugewinnen. Durch diesen Idealismus unterscheidet sich die Fußreise, die Rumiz und seine Gefährten entlang der Via Appia unternehmen, von den anderen zeitgenössischen Wanderungen auf den Spuren einer Nation.
Hier steht eine Art Heilung der italienischen Gesellschaft auf dem Programm, eine Reinigung, für deren schiere Möglichkeit die kleinen Feste stehen, in die sich für die Wanderer immer wieder die Mahlzeiten am Wegesrand verwandeln. Die Salami, der wilde Fenchel und der Aglianico übernehmen bis auf Weiteres die Gewähr, dass jene Möglichkeit tatsächlich etwas Reales sein könnte. Noch dreimal ist Paolo Rumiz nach jener ersten Wanderung die Via Appia entlanggereist, und zwar nicht nur, weil ihm noch Material für sein Buch fehlte, sondern vor allem, weil auf der Grundlage seiner Begegnungen mit regionalen Archäologen, Lehrern, Künstlern, sogar Politikern eine kleine öffentliche Bewegung zur Rettung oder zur teilweisen Wiederherstellung der Via Appia entstanden ist.
Um diese Wirkung des Buches in Italien zu verstehen, empfiehlt es sich, auch den gleichnamigen Dokumentarfilm anzuschauen, den Paolo Rumiz und seine Gefährten auf ihrer Wanderung drehten. Er ist mit englischen Untertiteln versehen und über die einschlägigen Kanäle leicht zu finden.
THOMAS STEINFELD
Paolo Rumiz: Via Appia. Auf der Suche nach einer verlorenen Straße. Aus dem Italienischen von Karin Fleischanderl. Folio Verlag, Wien und Bozen 2019. 272 Seiten, 25 Euro.
Immer wieder führt der Weg
querfeldein, gelegentlich
endet er an einer Mauer
Dieses Buch und der Film, der
dazu entstand, sind ein Aufruf
zur Freilegung der alten Straße
Die Via Appia als Kulisse in dem deutschen Film „Ein gewisser Herr Gran“ (1933) mit Hans Albers und Hermann Speelmans.
Foto: Süddeutsche Zeitung Photo
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Römische Archäologie: Der Journalist Paolo Rumiz sucht unter dem Schutt der Moderne nach der antiken Via Appia
Eine „italienische Reise“ ist keine Reise nach Italien, schon gar keine Reise an einen bestimmten Ort in Italien, sondern eine Reise durch Italien. „Viaggio in Italia“ heißt nicht nur ein Film, den der Regisseur Roberto Rossellini im Jahr 1954 mit seiner Frau Ingrid Bergman in der Hauptrolle drehte, sondern auch Goethes Reiseschilderung in der italienischen Übersetzung. Mindestens ein Dutzend Bücher auf dem italienischen Markt tragen diesen Titel, und ein Vielfaches handelt ebenfalls von umherschweifenden Annäherungen, auch wenn die Bücher anders heißen – von Pier Paolo Pasolinis Reisebericht „Die lange Straße aus Sand“ (1959) bis zu Tim Parks‘ „Italien in vollen Zügen“ (2013).
Es ist, als wäre Italien ein Geheimnis, das sich nur in der Bewegung erschließt, nur dadurch, dass man von einem Ort zum anderen zieht, und nie ganz ohne Mühen und seltsame Überraschungen. Paolo Rumiz, ein Triestiner Journalist, der durch seine Reportagen für die römische Tageszeitung La Repubblica bekannt wurde, hat schon eine ganze Reihe italienischer Reisen unternommen, auf den Spuren Hannibals zum Beispiel, in billigen Zügen oder in kleinen Booten den Po hinunter. Alle seine Unternehmungen waren Versuche, Italien gleichsam auf den Grund zu gehen, buchstäblich, physisch, bis hinunter in den Morast in der Tiefe eines Flusses. Ein halbes Dutzend solcher Versuche hat Rumiz bisher angestellt. Mit dem Reisebericht „Via Appia“ übertrifft und summiert er, was vorher war: mit der Dokumentation einer Fußwanderung von Rom nach Brindisi, auf der Straße, die in antiker Zeit das römische Reich mit der Ostküste der Adria, mit Griechenland und dem Vorderen Orient verband. Gewiss, solche nationalen Erkundungen hat es in den vergangenen zwei Jahrzehnten viele gegeben, in allen west- und nordeuropäischen Ländern, und meistens wurden sie zu Fuß vollbracht. Die Reise, die Paolo Rumiz zusammen mit drei Gefährten und einer wechselnden Anzahl weiterer Begleiter absolviert, unterscheidet sich von jenen anderen Reisen dadurch, dass sie nicht nur eine Wanderung, sondern zugleich ein archäologisches Forschungsprojekt ist: Über weite Teile der knapp 600 Kilometer langen Strecke ist die „erste Straße“ des römischen Reiches unter den oft zweifelhaften Errungenschaften einer industrialisierten Gesellschaft verschwunden.
Es gibt wohl kein Baudenkmal aus antiker Zeit, mit dem so zerstörerisch umgegangen worden wäre wie mit den römischen Straßen. Dabei sind sie, aus einfachen, aber haltbaren Elementen geschaffen, beinahe für die Ewigkeit tauglich. Dass man in früheren Zeiten die Steine nahm und für andere Bauwerke verwendete, ist dabei das geringste Problem. Doch wenn die Via Appia über viele Kilometer unter dem Asphalt der Schnellstraßen verschwindet, wenn Fabriken, Parkplätze, Steinbrüche, Wohnviertel sowie Schwarzbauten aller Art auf den Resten errichtet wurden, nimmt die Rücksichtslosigkeit nicht nur gegenüber allem, was man kulturelles Erbe nennen könnte, sondern auch gegenüber den eigenen Landsleuten ganz andere Dimensionen an.
Die Tempelanlagen von Paestum wurden 1752 aus einer versumpften Landschaft hervorgeholt, die antiken Städte Pompeji und Herculaneum in Jahrhunderten von Lava, Schutt und Asche befreit. Die Via Appia freizulegen, mitsamt den sie flankierenden Bauwerken, den Wachtürmen und kleinen Befestigungen, antiken Villen und Grabstätten, aber auch den Häuschen der Straßenwärter aus den frühen Zeiten des Automobilismus, wäre ein nicht minder bedeutendes archäologisches Vorhaben. Aber sie sinkt immer tiefer in den Schutt der Moderne, während etwa die Via Francigena, das Gegenstück zum Jakobsweg, mittlerweile auch in Italien über weite Strecken begangen werden kann.
Führen lassen sich Paolo Rumiz und seine Gefährten von historischen Karten, von den Erkenntnissen der Archäologen, von einem dicken Bündel Militärkarten im Maßstab von 1:25 000 sowie von einem GPS-Empfänger. Am Anfang, noch auf dem Gebiet der Stadt Rom, erwartet sie ein Idyll. Jenseits des Autobahnrings beginnt die technifizierte Wildnis. Oft ist die alte Straße kaum noch zu erkennen, immer wieder führt der Weg querfeldein, und gelegentlich endet er an einer Mauer, an einer Leitplanke oder an einem Zaun, hinter dem eine Bande wütender Rottweiler kläfft. So ist es in der Pontinischen Ebene, so ist es in den Bergen bei Benevento, so ist es auf der apulischen Hochebene, die, aufgrund fortschreitender Erosion, immer mehr einer Wüste gleicht.
Italien ist möglicherweise ein Land für Flaneure in den Innenstädten, aber keines für Fußgänger auf dem Land. Wer zu Fuß geht, steht dort immer im Verdacht, wenn nicht zu den Banditen, so doch zu den „irregolari“ zu gehören, den Einwanderern ohne Papiere. Die alte Straße, das lernt der Leser bald, ist nicht nur materieller Ausdruck einer „civiltà“, im Sinne eines höheren Bürgersinns, sondern auch deren Medium.
Ließe sich diese Straße wieder freilegen, meint Paolo Rumiz, imaginär, im Bewusstsein ihrer heutigen Anrainer, aber auch real, als Gegenstand der Archäologie und der Denkmalpflege, wäre auch jener Bürgersinn zurückzugewinnen. Durch diesen Idealismus unterscheidet sich die Fußreise, die Rumiz und seine Gefährten entlang der Via Appia unternehmen, von den anderen zeitgenössischen Wanderungen auf den Spuren einer Nation.
Hier steht eine Art Heilung der italienischen Gesellschaft auf dem Programm, eine Reinigung, für deren schiere Möglichkeit die kleinen Feste stehen, in die sich für die Wanderer immer wieder die Mahlzeiten am Wegesrand verwandeln. Die Salami, der wilde Fenchel und der Aglianico übernehmen bis auf Weiteres die Gewähr, dass jene Möglichkeit tatsächlich etwas Reales sein könnte. Noch dreimal ist Paolo Rumiz nach jener ersten Wanderung die Via Appia entlanggereist, und zwar nicht nur, weil ihm noch Material für sein Buch fehlte, sondern vor allem, weil auf der Grundlage seiner Begegnungen mit regionalen Archäologen, Lehrern, Künstlern, sogar Politikern eine kleine öffentliche Bewegung zur Rettung oder zur teilweisen Wiederherstellung der Via Appia entstanden ist.
Um diese Wirkung des Buches in Italien zu verstehen, empfiehlt es sich, auch den gleichnamigen Dokumentarfilm anzuschauen, den Paolo Rumiz und seine Gefährten auf ihrer Wanderung drehten. Er ist mit englischen Untertiteln versehen und über die einschlägigen Kanäle leicht zu finden.
THOMAS STEINFELD
Paolo Rumiz: Via Appia. Auf der Suche nach einer verlorenen Straße. Aus dem Italienischen von Karin Fleischanderl. Folio Verlag, Wien und Bozen 2019. 272 Seiten, 25 Euro.
Immer wieder führt der Weg
querfeldein, gelegentlich
endet er an einer Mauer
Dieses Buch und der Film, der
dazu entstand, sind ein Aufruf
zur Freilegung der alten Straße
Die Via Appia als Kulisse in dem deutschen Film „Ein gewisser Herr Gran“ (1933) mit Hans Albers und Hermann Speelmans.
Foto: Süddeutsche Zeitung Photo
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.07.2019Vorwärts in die Vergangenheit
Reiseführer sind nicht unbedingt ein literarisches Genre, und auch die klassische Bildungsreise mutet heute ungefähr so zeitgemäß an wie eine Fahrt mit der Postkutsche. Schriftsteller wie Eckart Peterich oder Norman Douglas, die mit ihren Büchern das Italien-Bild ganzer Generationen prägten, sind zudem so gut wie vergessen. Aber manchmal wird dann doch noch wirkliche Reiseliteratur geschrieben; so brillant, intelligent, persönlich und leidenschaftlich, dass man noch während der Lektüre eigentlich sofort losfahren möchte. Um dann vor Ort all das selbst zu erleben, was der Autor - in diesem Fall Paolo Rumiz, Italiens berühmtester Reiseschriftsteller - so fesselnd und klug zu erzählen versteht. Fünfhundertvierzig Kilometer lang war seine Wanderung entlang der Via Appia. Der Weg führt von Rom bis nach Brindisi; tief hinein in den problematischen Süden, hinein aber auch in eine Welt, in der die Vergangenheit immer und überall gegenwärtig ist. Paolo Rumiz beschreibt die Geschichte dieser uralten Straße - und damit die Italiens von der Antike bis in die Jetztzeit - mit dem Kenntnisreichtum des Historikers, der Neugierde des Journalisten und mit der Sprache eines großen Erzählers. An seiner Seite entdeckt der Leser den wirklichen Süden Italiens in all seiner Wildheit, aber auch poetischen Schönheit. Man glaubt, das Rauschen der Weizenfelder zu hören, unter denen sich Reste der antiken Straße verbergen, oder die Abgase zu riechen, wenn der Verkehr einer Autostrada über die Trasse der einstigen "Regina Viarum" - der Königin der Straßen - hinwegrauscht. Überall auf dieser Wanderung sind die Reste der Via Appia zu entdecken. Als Spolien vermauert in den Palazzi des Städtchens Santa Maria Capua Vetere, als nahezu komplett erhaltene Straße, verborgen im wilden Grün der Macchia bei Caserta oder mit dem Trajansbogen in Benevent, dem besterhaltenen Triumphbogen der Antike. Diese phantastische Reise endet natürlich in Brindisi, wo römische Säulen seit zwei Jahrtausenden das Ende der Via Appia markieren. Die Lektüre dieses Buches ist beglückend; fast auch etwas erschöpfend. Dabei immer erkenntnisreich. Eben so, wie das wirkliche Reisen vielleicht einmal gewesen sein mag.
üte
"Via Appia. Auf der Suche nach einer verlorenen Straße" von Paolo Rumiz. Folio Verlag, Wien 2019. 272 Seiten, zahlreiche Abbildungen und Karten. Gebunden, 25 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Reiseführer sind nicht unbedingt ein literarisches Genre, und auch die klassische Bildungsreise mutet heute ungefähr so zeitgemäß an wie eine Fahrt mit der Postkutsche. Schriftsteller wie Eckart Peterich oder Norman Douglas, die mit ihren Büchern das Italien-Bild ganzer Generationen prägten, sind zudem so gut wie vergessen. Aber manchmal wird dann doch noch wirkliche Reiseliteratur geschrieben; so brillant, intelligent, persönlich und leidenschaftlich, dass man noch während der Lektüre eigentlich sofort losfahren möchte. Um dann vor Ort all das selbst zu erleben, was der Autor - in diesem Fall Paolo Rumiz, Italiens berühmtester Reiseschriftsteller - so fesselnd und klug zu erzählen versteht. Fünfhundertvierzig Kilometer lang war seine Wanderung entlang der Via Appia. Der Weg führt von Rom bis nach Brindisi; tief hinein in den problematischen Süden, hinein aber auch in eine Welt, in der die Vergangenheit immer und überall gegenwärtig ist. Paolo Rumiz beschreibt die Geschichte dieser uralten Straße - und damit die Italiens von der Antike bis in die Jetztzeit - mit dem Kenntnisreichtum des Historikers, der Neugierde des Journalisten und mit der Sprache eines großen Erzählers. An seiner Seite entdeckt der Leser den wirklichen Süden Italiens in all seiner Wildheit, aber auch poetischen Schönheit. Man glaubt, das Rauschen der Weizenfelder zu hören, unter denen sich Reste der antiken Straße verbergen, oder die Abgase zu riechen, wenn der Verkehr einer Autostrada über die Trasse der einstigen "Regina Viarum" - der Königin der Straßen - hinwegrauscht. Überall auf dieser Wanderung sind die Reste der Via Appia zu entdecken. Als Spolien vermauert in den Palazzi des Städtchens Santa Maria Capua Vetere, als nahezu komplett erhaltene Straße, verborgen im wilden Grün der Macchia bei Caserta oder mit dem Trajansbogen in Benevent, dem besterhaltenen Triumphbogen der Antike. Diese phantastische Reise endet natürlich in Brindisi, wo römische Säulen seit zwei Jahrtausenden das Ende der Via Appia markieren. Die Lektüre dieses Buches ist beglückend; fast auch etwas erschöpfend. Dabei immer erkenntnisreich. Eben so, wie das wirkliche Reisen vielleicht einmal gewesen sein mag.
üte
"Via Appia. Auf der Suche nach einer verlorenen Straße" von Paolo Rumiz. Folio Verlag, Wien 2019. 272 Seiten, zahlreiche Abbildungen und Karten. Gebunden, 25 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Hannes Hintermeier begibt sich mit Paolo Rumiz auf Wanderschaft entlang der Via Appia. Dem Buch attestiert er literarische Ambitionen, dem Journalisten Rumiz eine Nase für Geschichte und Geschichten und das antike Erbe seines Landes. Dass der Autor Horaz mit Gegenwartsgeschichte(n) verschneidet, gefällt dem Rezensenten ebenso wie der subjektive Ansatz des Buches. So lange der Autor so gekonnt Landschafts- und Seelenbilder zeichnet, durchs Gehölz klettert, um die Überreste der Via zu suchen (und nur ab und zu Recherchefaulheit erkennen lässt), ist Hintermeier gern dabei. Dass die deutsche Ausgabe des im Original 2015 erschienenen Buches auf eine Etappendokumentation verzichtet, schmälert den Lesegenuss nicht, versichert Hintermeier.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH