Der in Neapel geborene und in Rom lebende Autor erzählt von seinem Vater und taucht dabei in seine Kindheit ab. In dem mehrfach ausgezeichneten Roman kommt vieles zur Sprache: Evakuierung im Krieg, Not und Überlebenskampf bei Kriegsende und in der Nachkriegszeit, dunkle Geschäfte, soziale Strukturen und das bunt-faszinierende Leben in Neapel, Zusammenhalt und Streit in einer typisch süditalienischen Großfamilie.Vor allem aber geht es um Lebenslust, Enttäuschungen und zorniges Aufbegehren einer einzigartigen Vaterfigur. Der Sohn versucht, die Wutausbrüche des Vaters gegen die Mutter, die manchmal in brutale Handgreiflichkeiten ausarten, im Nachhinein zu verstehen und sich mit seinem "Erzeuger" zu versöhnen, auch dessen absurde Lügengeschichten als Teil einer subjektiven Wirklichkeit zu begreifen, nicht zuletzt seine Zerrissenheit zwischen dem Brotberuf als Eisenbahner und der tief empfundenen Berufung zum Künstler.So wird Starnones Roman, dessen mitreißender Erzählduktus gleichermaßen überzeugt wie das außergewöhnliche literarische Niveau, auch zur Auseinandersetzung mit dem Wesen der Kunst, der Bedeutung und dem "Wert" von Kunstwerken sowie dem Schaffensprozess kleiner Meister und großer Genies.
Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Als schlichtweg "beeindruckend" charakterisiert Rezensent Franz Haas diesen Roman, der eine autobiografisch fundierte Kindheitserinnerung des Autors darstelle. Beeindruckt zeigt sich der Rezensent sowohl gegenüber dem Stoff des Romans - ein "bewunderter" und zugleich "verhasster Vater" vor dem Hintergrund eines "abschreckend schönen Porträts" der Stadt Neapel - als auch gegenüber Starnones erzählerischem Verfahren. Nach dem Tode des Vaters kehre der Sohn und Erzähler in die "Strassen seiner Kindheit" und insbesondere in Via Germito zurück. Aus dieser zeitlichen Perspektive und mit misstrauischem Blick auf die "Niedertracht des Gedächtnisses", erzählt der Rezensent, entfalte der Autor mit dem Erzähler einen "herzzerreissend negativen Künstlerroman". Der Vater sei nämlich ein verkannter Maler gewesen, zumindest einer, der nie seiner leidenschaftlich großspurigen und diktatorischen Natur entsprechend von seiner Umwelt wahrgenommen wurde, außer von den Leidtragenden in seiner Familie. Neben aller Tyrannei und Schlägen habe der Vater dem Sohn aber auch ein gewissermaßen künstlerisches Vermächtnis mitgegeben, denn beide würden die "Kehrseite der Stadt" erzählen. Nicht vom Golf und Vesuv und vielleicht der Oper, sondern von den stinkenden Gassen und dem Leben der allereinfachsten Menschen rings um die Via Germito.
© Perlentaucher Medien GmbH
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