"Via Industrialis" ist ein Führer zu den spannenden Orten der Industrie- und Verkehrsgeschichte in Köln. Das Spektrum reicht von bedeutenden Zeugnissen aus der frühindustriellen Zeit, wie den Barockbauten aus der Seidenweberzeit an der Mülheimer Freiheit, bis zu hochkarätigen großindustriellen Anlagen aus der Zeit der Hochindustrialisierung, wie der Gasmotorenfabrik Deutz - die weltweit erste Motorenfabrik, in der Nicolaus August Otto den Viertaktmotor erfand. Darüber hinaus führt der reich bebilderte Band zu wichtigen Hafen- und Verkehrsbauten, die in engem Zusammenhang mit der Industrialisierung entstanden sind und ausgebaut wurden: Häfen, Bahnhöfe, Bahnbetriebswerke und Brücken.Gefördert vom Ministerium für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfale
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.09.2018Vom Leben im Wasserturm
Köln: Das ist Kirchen, Klüngel, Karneval. Die Stadt hört auf diesen Dreiklang, auch Kölsch und Chaos stabreimen ihn fort. Dagegen will ein "O" so gar nicht hierher passen. Und doch hat - o, Wunder! - Nikolaus August Otto 1876 in Köln den nach ihm benannten Ottomotor erfunden. Aber wer weiß das schon? Wie überhaupt die Industriestadt, trotz Ford und 4711, hinter der Domstadt, der Römerstadt, inzwischen auch der Medienstadt verschwunden ist. Das hat nicht zuletzt damit zu tun, dass die Produktion oft auf die "schäl sick", die andere, die falsche Rheinseite, ausweichen musste. So hat Otto 1869 seine fünf Jahre zuvor hinter dem Hauptbahnhof gegründete Fabrik, in der Gottfried Daimler und Wilhelm Maybach Technische Direktoren waren, auf ein Gelände zwischen Deutz und Mülheim verlegt. Der kompakte, jackentaschenkompatible Führer folgt der "Via Industrialis" auf sechs Erkundungsrouten. Nur eine von ihnen streift durchs Rechtsrheinische, doch sie ist mit sechsundzwanzig Stationen die längste. Zunächst überrascht, wie sehr bauliche Zeugnisse der Industrie auch in der Innenstadt präsent, wenn auch allenfalls auf den zweiten Blick noch erkennbar sind. Dann berichtet "Brücken, Häfen, Bahnhöfe" von der Modernisierung der Stadt: der Rhein als Fortschrittsdynamo. Auch Mühlen und Siedlungen werden berücksichtigt; die Sprache ist sachlich und von fast lexikonhafter Kürze, zahlreiche Abbildungen und Besichtigungshinweise erhöhen den Gebrauchswert. Wie knapp der Platz ist, zeigt das Pumpwerk zum Hochwasserschutz an der Schönhauser Straße, das genannt, aber nicht vorgestellt wird. Vermisst wird ein extravagantes Kuriosum wie die Kofferfabrik Rimowa (Architekten: Gatermann-Schossig), die aussieht wie das Produkt, das darin hergestellt wird, und so die Corporate Identity der Firma transportiert. Wie nebenbei erzählt das Kompendium auch davon, wie das Schrumpfen der Industrie Chancen der Umnutzung und des Stadtumbaus eröffnet: Ein Wasserturm wird Luxus-Hotel, eine Feuerwache Kulturzentrum. So enthält der Band auch ein Plädoyer für die Industriedenkmalpflege.
aro.
"Via Industrialis. Entdeckungsreise Kölner Industriekultur" von Walter Buschmann, Matthias Hennies und Alexander Kierdorf. Klartext Verlag, Essen 2018. 224 Seiten, zahlreiche Abbildungen. Broschiert, 13,95 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Köln: Das ist Kirchen, Klüngel, Karneval. Die Stadt hört auf diesen Dreiklang, auch Kölsch und Chaos stabreimen ihn fort. Dagegen will ein "O" so gar nicht hierher passen. Und doch hat - o, Wunder! - Nikolaus August Otto 1876 in Köln den nach ihm benannten Ottomotor erfunden. Aber wer weiß das schon? Wie überhaupt die Industriestadt, trotz Ford und 4711, hinter der Domstadt, der Römerstadt, inzwischen auch der Medienstadt verschwunden ist. Das hat nicht zuletzt damit zu tun, dass die Produktion oft auf die "schäl sick", die andere, die falsche Rheinseite, ausweichen musste. So hat Otto 1869 seine fünf Jahre zuvor hinter dem Hauptbahnhof gegründete Fabrik, in der Gottfried Daimler und Wilhelm Maybach Technische Direktoren waren, auf ein Gelände zwischen Deutz und Mülheim verlegt. Der kompakte, jackentaschenkompatible Führer folgt der "Via Industrialis" auf sechs Erkundungsrouten. Nur eine von ihnen streift durchs Rechtsrheinische, doch sie ist mit sechsundzwanzig Stationen die längste. Zunächst überrascht, wie sehr bauliche Zeugnisse der Industrie auch in der Innenstadt präsent, wenn auch allenfalls auf den zweiten Blick noch erkennbar sind. Dann berichtet "Brücken, Häfen, Bahnhöfe" von der Modernisierung der Stadt: der Rhein als Fortschrittsdynamo. Auch Mühlen und Siedlungen werden berücksichtigt; die Sprache ist sachlich und von fast lexikonhafter Kürze, zahlreiche Abbildungen und Besichtigungshinweise erhöhen den Gebrauchswert. Wie knapp der Platz ist, zeigt das Pumpwerk zum Hochwasserschutz an der Schönhauser Straße, das genannt, aber nicht vorgestellt wird. Vermisst wird ein extravagantes Kuriosum wie die Kofferfabrik Rimowa (Architekten: Gatermann-Schossig), die aussieht wie das Produkt, das darin hergestellt wird, und so die Corporate Identity der Firma transportiert. Wie nebenbei erzählt das Kompendium auch davon, wie das Schrumpfen der Industrie Chancen der Umnutzung und des Stadtumbaus eröffnet: Ein Wasserturm wird Luxus-Hotel, eine Feuerwache Kulturzentrum. So enthält der Band auch ein Plädoyer für die Industriedenkmalpflege.
aro.
"Via Industrialis. Entdeckungsreise Kölner Industriekultur" von Walter Buschmann, Matthias Hennies und Alexander Kierdorf. Klartext Verlag, Essen 2018. 224 Seiten, zahlreiche Abbildungen. Broschiert, 13,95 Euro.
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