Das Regime von Vichy wurde nach der französischen Niederlage im Juni 1940 auf deutschen Druck hin etabliert. Seine Legitimation bezog es fast ausschließlich vom Ruf seines greisen Führers, dem Maréchal Pétain, aber auch ohne direkten deutschen Druck strebte das Regime eine nationalistische und rassistische Umwandlung der französischen Gesellschaft und eine Eingliederung Frankreichs in ein von Deutschland beherrschtes Europa an. Auf dem neuesten Stand der Forschung gibt dieses Buch eine chronologische Zusammenfassung und einen Überblick über alle Aspekte der Vichy-Regierung.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.05.2009Marschalls Vaterland
Vom französischen Vichy-Regime im nazifizierten Europa glaubt man die Hauptsache zu wissen und zögert dann doch bei der Frage, ob es eine Form von Faschismus war, ob der gelbe Stern dort auch getragen wurde, wann und warum genau die Vereinigten Staaten von der Anerkennung Pétains auf die des in Nordafrika stationierten Generals Giraud umgeschwenkt sind. Auf diese und zahllose andere Fragen gibt dieses Buch eines der besten Kenner jener Epoche Auskunft. Ein Pionier und ein Meister des Fachs legt einen Überblick vor, der jedes Klischee mit Fakten belegt oder aber widerlegt. Vichy war laut Rousso eine "charismatische Diktatur", Bestandteil des totalen Weltbürgerkriegs zwischen Faschismus und Demokratie, doch war das Regime selbst von Natur aus nicht faschistisch. Strategisch suchte der bis zuletzt populär gebliebene Kriegsheld Marschall Pétain durch Aussetzen der Kriegshandlung Frankreichs Souveränität zu retten und für ein Europa unter deutscher Herrschaft in vorteilhafte Position zu bringen. Ideologisch strebte er die innere Erneuerung an durch die "nationale Revolution", die das Prinzip Freiheit-Gleichheit-Brüderlichkeit durch Arbeit-Familie-Vaterland ersetzte. Es war ein Fehlkalkül, mit dem paradoxen Ergebnis, dass prozentual viele französische Juden von der Verfolgung verschont blieben, Ausländer aber umso bereitwilliger den Nazis ausgeliefert wurden. (Henry Rousso: "Vichy". Frankreich unter deutscher Besatzung 1940-1944. Aus dem Französischen von Matthias Grässlin. Verlag C. H. Beck, München 2009. 149 S., 1 Karte, br., 11,95 [Euro].) han.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Vom französischen Vichy-Regime im nazifizierten Europa glaubt man die Hauptsache zu wissen und zögert dann doch bei der Frage, ob es eine Form von Faschismus war, ob der gelbe Stern dort auch getragen wurde, wann und warum genau die Vereinigten Staaten von der Anerkennung Pétains auf die des in Nordafrika stationierten Generals Giraud umgeschwenkt sind. Auf diese und zahllose andere Fragen gibt dieses Buch eines der besten Kenner jener Epoche Auskunft. Ein Pionier und ein Meister des Fachs legt einen Überblick vor, der jedes Klischee mit Fakten belegt oder aber widerlegt. Vichy war laut Rousso eine "charismatische Diktatur", Bestandteil des totalen Weltbürgerkriegs zwischen Faschismus und Demokratie, doch war das Regime selbst von Natur aus nicht faschistisch. Strategisch suchte der bis zuletzt populär gebliebene Kriegsheld Marschall Pétain durch Aussetzen der Kriegshandlung Frankreichs Souveränität zu retten und für ein Europa unter deutscher Herrschaft in vorteilhafte Position zu bringen. Ideologisch strebte er die innere Erneuerung an durch die "nationale Revolution", die das Prinzip Freiheit-Gleichheit-Brüderlichkeit durch Arbeit-Familie-Vaterland ersetzte. Es war ein Fehlkalkül, mit dem paradoxen Ergebnis, dass prozentual viele französische Juden von der Verfolgung verschont blieben, Ausländer aber umso bereitwilliger den Nazis ausgeliefert wurden. (Henry Rousso: "Vichy". Frankreich unter deutscher Besatzung 1940-1944. Aus dem Französischen von Matthias Grässlin. Verlag C. H. Beck, München 2009. 149 S., 1 Karte, br., 11,95 [Euro].) han.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Für den hier rezensierenden Clemens Klünemann haben die Franzosen noch immer ein etwas prekäres Verhältnis zum Vichy-Regime, weshalb er dieses Buch des Historikers Henry Rousso nur begrüßen kann. Es schildert die Entwicklung des Regimes, seine Strukturen und seine Kollaboration mit den deutschen Besatzern. Dabei wurde dem Rezensenten sehr deutlich, welch hohen Preis Petain für die von ihm so bedingungslos verteidigte staatliche Souveränität zu zahlen bereit war. Allerdings erfuhr Klünelmann auch, dass das Regime um den Marechal Petain nicht so homogen war, wie es selbst glauben machen wollte. Bedauerlich findet der Rezensent, dass einige Aspekte, wie etwa die zeitgenössische Erinnerung an das Vichy-Regime, die in Roussos Studie von 1987 noch eine Rolle gespielt hat, nun nicht mehr zur Sprache kommen.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH