Väter, Mütter und Dämonen - Roman Ehrlich beschreibt eine Jugend in den Neunzigern
»Videotime«, so hieß die Videothek, in der Roman Ehrlichs Erzähler mit seinem Vater zahllose Filme auslieh, um sie zu Hause auf Leerkassetten zu überspielen. Es sind die neunziger Jahre in einer bayerischen Kleinstadt, deren scheinbar friedliche Ordnung vom Unheimlichen der Filme in ein anderes, fremdartiges Licht getaucht wird. Was zum Beispiel war damals mit den Vätern und Müttern los, die in Justizvollzugsanstalten oder Autohäusern arbeiteten und in ihrer Freizeit die eigenen Kinder auf dem Tennisplatz mit harten Drills trainierten oder hoffnungslos dem Zucker verfallen waren? Welche Rolle spielte man selbst dabei, wenn man jung war und die eigene Welt nur so zu wimmeln schien von Außerirdischen und Besessenen? »Videotime« ist eine Geschichte in auffallend schöner Sprache über die Gesichter und Leerstellen, die sich hinter unseren Masken und Selbstbildern verbergen. Ein beeindruckender, mit großer Souveränität erzählter Roman, der die Frage aufwirft, in welcher Zeit und Welt wir eigentlich leben - und in welcher Haut.
»Videotime«, so hieß die Videothek, in der Roman Ehrlichs Erzähler mit seinem Vater zahllose Filme auslieh, um sie zu Hause auf Leerkassetten zu überspielen. Es sind die neunziger Jahre in einer bayerischen Kleinstadt, deren scheinbar friedliche Ordnung vom Unheimlichen der Filme in ein anderes, fremdartiges Licht getaucht wird. Was zum Beispiel war damals mit den Vätern und Müttern los, die in Justizvollzugsanstalten oder Autohäusern arbeiteten und in ihrer Freizeit die eigenen Kinder auf dem Tennisplatz mit harten Drills trainierten oder hoffnungslos dem Zucker verfallen waren? Welche Rolle spielte man selbst dabei, wenn man jung war und die eigene Welt nur so zu wimmeln schien von Außerirdischen und Besessenen? »Videotime« ist eine Geschichte in auffallend schöner Sprache über die Gesichter und Leerstellen, die sich hinter unseren Masken und Selbstbildern verbergen. Ein beeindruckender, mit großer Souveränität erzählter Roman, der die Frage aufwirft, in welcher Zeit und Welt wir eigentlich leben - und in welcher Haut.
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Sehr angetan ist Rezensent Andreas Platthaus von Roman Ehrlichs Roman, der, wie einst "Ulysses" einen Tag, beziehungsweise gar nur einen Vormittag ins Zentrum stellt. Im Laufe dieses Vormittags, fasst Platthaus die Handlung zusammen, streift der namenlose Erzähler durch den namenlosen bayrischen Ort, in dem er aufgewachsen ist, wobei die biografischen Parallelen zum Autor offensichtlich sind. Eigentlich will er seinen Vater besuchen, stattdessen lässt er sich durch Jugenderinnerungen treiben, in denen neben alten Freunden vor allem auch Spielfilme eine Rolle spielen, die er sich damals, oft mit seinem Bruder, auf Videokassetten anschaute - mit Vorliebe Filme, für die er noch nicht alt genug war. Geschickt stellt Ehrlich Handlungsbeschreibungen von Filmen wie "Total Recall" und "The Devil in Miss Jones" neben Passagen zum echten Leben der Figur, verbunden wird beides meist durch harte Schnitte, gelegentlich aber auch durch Film und Leben überspannende Endlossätze, so der Rezensent. Besonders gut gefällt ihm, dass Ehrlich Standbilder aus den Filmen als Kapitelüberschriften nutzt. Viel von den 1990ern steckt in diesem Buch und auch viel vom Provinzleben, meint der Rezensent, der gleichzeitig anmerkt, dass Ehrlich hier einlöst, was die Netzliteratur oft nur versprochen hatte.
© Perlentaucher Medien GmbH
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[...] ein brillanter, überraschender und [..] höchst unheimlicher Roman. Christoph Schröder Südwestrundfunk/Lesenswert 20240901