»Das ist kein Roman, das ist ein Manifest.« 'Die Welt'
Toto ist ein Wunder. Ein Waisenkind ohne klares Geschlecht. Zu dick, zu groß, im Suff gezeugt. Der Vater schon vor der Geburt abgehauen, die Mutter bald danach. Im kalten Sommer 1966 geboren, wandelt er durch die DDR, als ob es alles noch gäbe: Güte, Unschuld, Liebe. Warum, fragt er sich, machen die Menschen dieses Leben noch schrecklicher, als es schon ist? Toto geht in den Westen, wo der Kapitalismus zerstört, was der Sozialismus verrotten ließ. Nur zwei Dinge machen ihm Hoffnung - das Wiedersehen mit Kasimir und das Singen.
Toto ist ein Wunder. Ein Waisenkind ohne klares Geschlecht. Zu dick, zu groß, im Suff gezeugt. Der Vater schon vor der Geburt abgehauen, die Mutter bald danach. Im kalten Sommer 1966 geboren, wandelt er durch die DDR, als ob es alles noch gäbe: Güte, Unschuld, Liebe. Warum, fragt er sich, machen die Menschen dieses Leben noch schrecklicher, als es schon ist? Toto geht in den Westen, wo der Kapitalismus zerstört, was der Sozialismus verrotten ließ. Nur zwei Dinge machen ihm Hoffnung - das Wiedersehen mit Kasimir und das Singen.
buecher-magazin.deWas für eine deprimierende Geschichte. Aber welch wundervolle Interpretation. Wie ein Gesang, der Schmerz in Melodie auflöst. Gustav Peter Wöhler liest mit inniger Zärtlichkeit, aber nie gefühlig, besitzt Rhythmusgefühl und ein paar herrliche Kratzer in der Stimme.
Wie geschaffen für die traurig-bittere Geschichte von Toto, einem Zwitterwesen, das Mitte der 60er-Jahre im grauen Sozialismus aufwächst und dann den Kapitalismus als hässlich, brutal und kalt erfährt. Eine geniale Schöpfung der Autorin, weil es ein so lichtes Wesen nicht gibt, das „über den Dingen zu schweben scheint, die aus dieser Welt einen widerlichen Ort machen“. Aber an diesem reinen Menschen, der sich erst entscheidet ein Mann zu sein, bevor er später als Frau zu leben beginnt, demonstriert Sibylle Berg ihre geballte Abscheu gegenüber unserer Welt. Sie durchstreift mit Toto die Jahrzehnte bis ins Jahr 2030, findet für alle gewesenen Zeitabschnitte griffige Diagnosen, aber nie einen Trost. Man muss nicht derselben Ansichten sein und wird sich trotzdem an der scharfzüngigen literarischen Qualität erfreuen und vor allem an Wöhlers melodischer Sprechkunst.
© BÜCHERmagazin, Martin Maria Schwarz (mms)
Wie geschaffen für die traurig-bittere Geschichte von Toto, einem Zwitterwesen, das Mitte der 60er-Jahre im grauen Sozialismus aufwächst und dann den Kapitalismus als hässlich, brutal und kalt erfährt. Eine geniale Schöpfung der Autorin, weil es ein so lichtes Wesen nicht gibt, das „über den Dingen zu schweben scheint, die aus dieser Welt einen widerlichen Ort machen“. Aber an diesem reinen Menschen, der sich erst entscheidet ein Mann zu sein, bevor er später als Frau zu leben beginnt, demonstriert Sibylle Berg ihre geballte Abscheu gegenüber unserer Welt. Sie durchstreift mit Toto die Jahrzehnte bis ins Jahr 2030, findet für alle gewesenen Zeitabschnitte griffige Diagnosen, aber nie einen Trost. Man muss nicht derselben Ansichten sein und wird sich trotzdem an der scharfzüngigen literarischen Qualität erfreuen und vor allem an Wöhlers melodischer Sprechkunst.
© BÜCHERmagazin, Martin Maria Schwarz (mms)
Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension
Mächtig böse ist Eva Behrendt auf die Autorin Sibylle Berg. Gewiss, stilistisch ist die Autorin mit ihren spitzen Beobachtungen mittlerweile zur Meisterschaft gereift (allerdings schreibt sie nun auch "verdaulich", merkt Behrendt an) und die Lebensgeschichte des tapsig-lieben, wenn auch für den Leser unzugänglichen Hermaphroditen Toto, der, in der DDR geboren, über Zwischenstation im Kapitalismus bis hin zu einer überreglementiert-sterilen Zukunft zahlreiche Gemeinheiten seiner Mitmenschen zu erdulden hat, fügt sich gut ins an solchen gescheiterten Lebensläufen nicht arme Werk der Schriftstellerin, hält die Rezensentin Sibylle Berg ohne weiteres zugute. Auch was Berg über die jeweiligen Epochen, die Totos Lebensstationen markieren, zu sagen hat, findet noch das Wohlwollen der Rezensentin, das bei den zahlreichen, immer wieder aufs Neue in leicht gewandelter Variation geschilderten Quälereien, die die Autorin für ihre Figur in petto hält, rasch ans Ende kommt. Diese findet die Rezensentin tatsächlich unerträglich.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.08.2012Wir sind die Schmutzigen, die Hässlichen und die Gemeinen
Sibylle Berg schickt in ihrem Roman "Vielen Dank für das Leben" einen Hermaphroditen durch die deutschdeutsche Geschichte. Entstanden ist eine irritierend-faszinierende Bestandsaufnahme des Grauens.
Schlimmer kann es kaum kommen als in der Lebensgeschichte von Toto, dem wohl seltsamsten Helden in all den Büchern von Sibylle Berg und Helden der wohl bizarrsten Geschichte dieses Literatursommers. Nichts bleibt dieser Figur, die nicht Mann ist und nicht Frau, erspart - von der grausamen Kindheit im Heim bis zur Atomkatastrophe im hohen Alter. Aber davon später.
Zur Welt kommt Toto 1966, also in der Zeit etwa, die im Westen in den Sommer der Liebe und die Studentenunruhen münden wird, während sich die DDR, Totos Heimat, in erster Linie durch die Allgegenwart der Farbe Grau hervortut. Toto ist Hermaphrodit. Bei der Geburt macht man ihn durch reine Willkür zum Mann; als Erwachsener wird er sich zur Frau wandeln. Unterwegs mangelt es nicht an Boshaftigkeiten ihm gegenüber, doch Toto lässt sich durch nichts und niemanden verletzen. Und vielleicht ist gerade das die eigentliche Provokation für die Menschen um ihn herum. Mehr Grausamkeit, als Toto widerfährt, lässt sich gar nicht vorstellen.
An Toto aber, diesem zu dicken, zu großen, im Alkoholdunst gezeugten Wesen, perlen Gemeinheiten und Sadismus ab wie Wasser an lackiertem Blech. Mehr noch: Toto lässt sich nicht einmal den Glauben an das Gute nehmen. So ist der Titel des Romans, der klingt wie ein Zitat aus dem Film "Forrest Gump", vermutlich sogar ernst gemeint: "Vielen Dank für das Leben".
Toto ist tatsächlich eine Art Wiedergänger jenes tumben Gump, nur dass er die Jahre von 1966 an bis in die nahe Zukunft der Dreißiger unseres Jahrhunderts durchlebt. Anders als der unerschütterlich nette Amerikaner, dem sich die Herzen der Menschen überall öffnen, begegnet Totos Umgebung dem Zwitter jedoch stets feindlich, in Ost- wie in Westdeutschland, bei den Armen und den Reichen, in den Städten und auf dem Land.
Parallelen zwischen Toto und Sibylle Berg lassen sich etliche finden: Auch sie ist in Ostdeutschland zur Welt gekommen, 1962, und auch sie hat das Land noch zu Zeiten der Mauer verlassen. Sie war Clownschülerin, hat in einer Travestieshow gearbeitetet, und den Alkoholmissbrauch ihrer Mutter verschweigt sie nicht. Doch anders als Toto ist Sibylle Berg eine unerbittliche Beobachterin. Seit vielen Jahren geht sie in ihren Kolumnen, Büchern und Theaterstücken dem seelischen Elend unserer Zeit auf den Grund. Dabei hat sie einen eigenen, unverwechselbaren Ton entwickelt, der sich ebenso aus untergründigem Witz und bösem Zynismus wie ernster Kritik speist. Mit Episodenromanen wie "Ein paar Leute suchen das Glück und lachen sich tot" oder "Sex II" erschrieb sie sich einen Ruf als Kulturpessimistin zu einer Zeit, in der man gemeinhin in Euphorie schwelgte. 2009 überraschte sie dann mit einer Liebesgeschichte: "Der Mann schläft".
Im neuen Roman lässt sie jede Hoffnung fahren. Hier gestattet sie sich keine Ausflucht, keinen Gegenentwurf, nicht einmal auf die Zukunft darf gehofft werden - auch sie wird von Sibylle Berg als denkbar kälteste Vision erfasst. Das Leben, für das im Titel Dank ausgesprochen wird, ist die Hölle auf Erden, für Toto allemal. Schon die Hebamme klagt bei dessen Geburt, kein Säugling habe sich je so albern betragen, und die Mutter, arbeits- und partnerlos, hängt an der Flasche, weshalb das Baby oft vergessen wird.
Das Drama setzt sich fort, als Toto im DDR-Kinderheim landet. Das unförmige Wesen wird nicht nur von den anderen Heimkindern, sondern schlimmer noch von Erziehern und Lehrern gequält. Dass seine ärgste Feindin, die Heimleiterin, eines Tages eines grässlichen Todes stirbt, lässt den Leser da schon kalt. Denn es geht immer weiter in diesem Panorama der Grausamkeiten, etwa bei einer Pflegefamilie auf dem Land, die Toto nur als Arbeitskraft ausbeutet. Liebe und Zuwendung erfährt Toto in seiner Heimat nicht, doch auch im Westen, wo er durch einen Zufall in eine Hippiekommune gelangt, ergeht es ihm nicht besser. Nicht einmal seine Talente helfen ihm weiter, sein absolutes Gehör etwa oder seine Falsettstimme, mit der er die Menschen zu Tränen rührt. Der Lehrer der Musikhochschule, der sich vor ihm ekelt, lehnt ihn kurzerhand ab, und aus dem heruntergekommenen Nachtclub, in dem sich Toto als Kuriosität eine Zeitlang ein Bett und eine Mahlzeit ersingt, fliegt er bald wieder raus. Sprechen dagegen will Toto nur in den seltensten Fällen, schon allein weil man ihm nicht einmal dann freundliche Worte entgegenbringt, wenn er sich für einen anderen Menschen aufopfert. Die letzten Worte einer sterbenskranke Frau, die Toto bis zu ihrem Tode pflegt, sind: "Geh weg, du ekliger Freak."
Es zeugt von Sibylle Bergs moralischem Impetus, dass Toto nie aufhört, selbst diesem Hass noch etwas Positives abzugewinnen. Doch die Tristesse ist über jede Handlung hinaus derart allmächtig, dass man von einem Roman nicht eigentlich sprechen möchte. Eher handelt es sich um eine vierhundert Seiten dicke Bestandsaufnahme des Gemeinen, Hässlichen, Schmutzigen - kurz: der Seelenlosigkeit.
Das beginnt bei den Einrichtungen in den Häusern jener vermeintlichen happy few, die sich wie Totos teuflisch böser Heimgenosse Kasimir einen Platz an der Sonne erkämpft haben. Es geht weiter mit all den sexuellen Anbahnungsriten und Imponiergesten der höheren Angestellten. Und wenn das Buch schließlich von der Gegenwart in die Zukunft überleitet, entfesselt sich ein Inferno der Naturgewalten, in dem Tsunamis, Feuersbrünste und Atomkatastrophen einander in rascher Folge abwechseln. Nur noch die Reichsten der Reichen entkommen auf ihren entlegenen Privatinseln.
In dieser Endlos-Havarie geht durchaus auch mal ein Absatz daneben, und der Stil dieser Tirade ist nicht immer zu ertragen. Doch nur so, durch diesen monströsen Rundumschlag, kann das Buch seine fast schon körperlich spürbare Wucht entfalten. Dieser Weltekel speist sich aus einer romantischen Sehnsucht, die vom Caspar-David-Friedrich-Motiv des Buchumschlags illustriert wird. Deshalb ist Toto auch nicht zu helfen. Bis zuletzt ist er in diesem Katastrophentrash auf der Suche nach dem Guten, Schönen, Wahren. Die Schlechten aber, daran lässt Sibylle Berg keinen Zweifel, das sind die anderen. Das sind wir.
SANDRA KEGEL
Sibylle Berg: "Vielen Dank für das Leben."
Roman.
Hanser Verlag, München 2012. 400 S., geb., 21,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Sibylle Berg schickt in ihrem Roman "Vielen Dank für das Leben" einen Hermaphroditen durch die deutschdeutsche Geschichte. Entstanden ist eine irritierend-faszinierende Bestandsaufnahme des Grauens.
Schlimmer kann es kaum kommen als in der Lebensgeschichte von Toto, dem wohl seltsamsten Helden in all den Büchern von Sibylle Berg und Helden der wohl bizarrsten Geschichte dieses Literatursommers. Nichts bleibt dieser Figur, die nicht Mann ist und nicht Frau, erspart - von der grausamen Kindheit im Heim bis zur Atomkatastrophe im hohen Alter. Aber davon später.
Zur Welt kommt Toto 1966, also in der Zeit etwa, die im Westen in den Sommer der Liebe und die Studentenunruhen münden wird, während sich die DDR, Totos Heimat, in erster Linie durch die Allgegenwart der Farbe Grau hervortut. Toto ist Hermaphrodit. Bei der Geburt macht man ihn durch reine Willkür zum Mann; als Erwachsener wird er sich zur Frau wandeln. Unterwegs mangelt es nicht an Boshaftigkeiten ihm gegenüber, doch Toto lässt sich durch nichts und niemanden verletzen. Und vielleicht ist gerade das die eigentliche Provokation für die Menschen um ihn herum. Mehr Grausamkeit, als Toto widerfährt, lässt sich gar nicht vorstellen.
An Toto aber, diesem zu dicken, zu großen, im Alkoholdunst gezeugten Wesen, perlen Gemeinheiten und Sadismus ab wie Wasser an lackiertem Blech. Mehr noch: Toto lässt sich nicht einmal den Glauben an das Gute nehmen. So ist der Titel des Romans, der klingt wie ein Zitat aus dem Film "Forrest Gump", vermutlich sogar ernst gemeint: "Vielen Dank für das Leben".
Toto ist tatsächlich eine Art Wiedergänger jenes tumben Gump, nur dass er die Jahre von 1966 an bis in die nahe Zukunft der Dreißiger unseres Jahrhunderts durchlebt. Anders als der unerschütterlich nette Amerikaner, dem sich die Herzen der Menschen überall öffnen, begegnet Totos Umgebung dem Zwitter jedoch stets feindlich, in Ost- wie in Westdeutschland, bei den Armen und den Reichen, in den Städten und auf dem Land.
Parallelen zwischen Toto und Sibylle Berg lassen sich etliche finden: Auch sie ist in Ostdeutschland zur Welt gekommen, 1962, und auch sie hat das Land noch zu Zeiten der Mauer verlassen. Sie war Clownschülerin, hat in einer Travestieshow gearbeitetet, und den Alkoholmissbrauch ihrer Mutter verschweigt sie nicht. Doch anders als Toto ist Sibylle Berg eine unerbittliche Beobachterin. Seit vielen Jahren geht sie in ihren Kolumnen, Büchern und Theaterstücken dem seelischen Elend unserer Zeit auf den Grund. Dabei hat sie einen eigenen, unverwechselbaren Ton entwickelt, der sich ebenso aus untergründigem Witz und bösem Zynismus wie ernster Kritik speist. Mit Episodenromanen wie "Ein paar Leute suchen das Glück und lachen sich tot" oder "Sex II" erschrieb sie sich einen Ruf als Kulturpessimistin zu einer Zeit, in der man gemeinhin in Euphorie schwelgte. 2009 überraschte sie dann mit einer Liebesgeschichte: "Der Mann schläft".
Im neuen Roman lässt sie jede Hoffnung fahren. Hier gestattet sie sich keine Ausflucht, keinen Gegenentwurf, nicht einmal auf die Zukunft darf gehofft werden - auch sie wird von Sibylle Berg als denkbar kälteste Vision erfasst. Das Leben, für das im Titel Dank ausgesprochen wird, ist die Hölle auf Erden, für Toto allemal. Schon die Hebamme klagt bei dessen Geburt, kein Säugling habe sich je so albern betragen, und die Mutter, arbeits- und partnerlos, hängt an der Flasche, weshalb das Baby oft vergessen wird.
Das Drama setzt sich fort, als Toto im DDR-Kinderheim landet. Das unförmige Wesen wird nicht nur von den anderen Heimkindern, sondern schlimmer noch von Erziehern und Lehrern gequält. Dass seine ärgste Feindin, die Heimleiterin, eines Tages eines grässlichen Todes stirbt, lässt den Leser da schon kalt. Denn es geht immer weiter in diesem Panorama der Grausamkeiten, etwa bei einer Pflegefamilie auf dem Land, die Toto nur als Arbeitskraft ausbeutet. Liebe und Zuwendung erfährt Toto in seiner Heimat nicht, doch auch im Westen, wo er durch einen Zufall in eine Hippiekommune gelangt, ergeht es ihm nicht besser. Nicht einmal seine Talente helfen ihm weiter, sein absolutes Gehör etwa oder seine Falsettstimme, mit der er die Menschen zu Tränen rührt. Der Lehrer der Musikhochschule, der sich vor ihm ekelt, lehnt ihn kurzerhand ab, und aus dem heruntergekommenen Nachtclub, in dem sich Toto als Kuriosität eine Zeitlang ein Bett und eine Mahlzeit ersingt, fliegt er bald wieder raus. Sprechen dagegen will Toto nur in den seltensten Fällen, schon allein weil man ihm nicht einmal dann freundliche Worte entgegenbringt, wenn er sich für einen anderen Menschen aufopfert. Die letzten Worte einer sterbenskranke Frau, die Toto bis zu ihrem Tode pflegt, sind: "Geh weg, du ekliger Freak."
Es zeugt von Sibylle Bergs moralischem Impetus, dass Toto nie aufhört, selbst diesem Hass noch etwas Positives abzugewinnen. Doch die Tristesse ist über jede Handlung hinaus derart allmächtig, dass man von einem Roman nicht eigentlich sprechen möchte. Eher handelt es sich um eine vierhundert Seiten dicke Bestandsaufnahme des Gemeinen, Hässlichen, Schmutzigen - kurz: der Seelenlosigkeit.
Das beginnt bei den Einrichtungen in den Häusern jener vermeintlichen happy few, die sich wie Totos teuflisch böser Heimgenosse Kasimir einen Platz an der Sonne erkämpft haben. Es geht weiter mit all den sexuellen Anbahnungsriten und Imponiergesten der höheren Angestellten. Und wenn das Buch schließlich von der Gegenwart in die Zukunft überleitet, entfesselt sich ein Inferno der Naturgewalten, in dem Tsunamis, Feuersbrünste und Atomkatastrophen einander in rascher Folge abwechseln. Nur noch die Reichsten der Reichen entkommen auf ihren entlegenen Privatinseln.
In dieser Endlos-Havarie geht durchaus auch mal ein Absatz daneben, und der Stil dieser Tirade ist nicht immer zu ertragen. Doch nur so, durch diesen monströsen Rundumschlag, kann das Buch seine fast schon körperlich spürbare Wucht entfalten. Dieser Weltekel speist sich aus einer romantischen Sehnsucht, die vom Caspar-David-Friedrich-Motiv des Buchumschlags illustriert wird. Deshalb ist Toto auch nicht zu helfen. Bis zuletzt ist er in diesem Katastrophentrash auf der Suche nach dem Guten, Schönen, Wahren. Die Schlechten aber, daran lässt Sibylle Berg keinen Zweifel, das sind die anderen. Das sind wir.
SANDRA KEGEL
Sibylle Berg: "Vielen Dank für das Leben."
Roman.
Hanser Verlag, München 2012. 400 S., geb., 21,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"Berg schreibt witzig über die traurige Existenz der Menschen, anrührend über das trostlose Dasein und aggressiv liebevoll gegen eine düstere Welt." Steffen Martus, Frankfurter Rundschau, 12./13.01.13
"Eigentlich leuchtet aus nahezu jedem Kapitel mindestens eine Formulierung hervor, die so großartig und surreal und zugleich von besonderer Zartheit ist (...) von den Bildern des Bergschen Szenarios geht eine Intensität aus, die in aller Drastik und obskurer Schönheit Vergleiche suchen muss." Andrea Hannah Hünniger, Die Zeit, 18.10.12
"Ein Wunderwerk aus klugen Exkursen und brillanten Bonmots." Wolfgang Höbel, Der Spiegel, Heft 31/12
"Eine Ode an die Individualität (...)" Stern, 27.07.12
"Die Schriftstellerin erzählt dieses Trauerspiel in ihrem so unverwechselbaren Sound aus Zynismus, Anklage und subtilem Witz. Sibylle Berg hat ein schonungsloses Buch geschrieben. Eines, das irritiert und extrem fasziniert." Focus, 08.10.12
"Sibylle Berg scheidet Gut und Böse, kurz vor dem jüngsten kapitalistischen Gericht. Das ist kein Roman, das ist ein Manifest." Jan Küveler, Die Welt, 28.07.12
"Vielen Dank für das Leben ist ein furios geschriebenes Plädoyer für Andersartigkeit." Regula Freuler, Neue Zürcher Zeitung am Sonntag, 30.09.12
"Sibylle Berg scheidet Gut und Böse, kurz vor dem jüngsten kapitalistischen Gericht. Das ist kein Roman, das ist ein Manifest." Jan Küveler, Die Welt, 28.07.12
"Sibylle Berg hat das 'Pfui Welt' von Bußpredigern wie Abraham de Sancta Clara (...) aber auch den vorgeblichen Zynismus eines Voltaire. (...) Sie hat diese Haltung in die Gegenwart gebeamt und mit dem Grundrauschen unserer Tage verbunden - medialem, modischem, pseudowissenschaftlichen Gerede. (...) Das Ergebnis ist ziemlich speziell und einzigartig." Martin Ebel, Tages-Anzeiger, 30.07.12
"Sibylle Berg schafft mit ihrem Protagonisten Toto eine der ungewöhnlichsten und berührendsten Gestalten der Gegenwartsliteratur." Rainer Moritz, Deutschlandradio, 07.08.12
"Berg schreibt witzig über die traurige Existenz der Menschen, anrührend über das trostlose Dasein und agressiv liebevoll gegen eine düstere Welt. Die Geschichte mag noch so trübsinnig, die mesnchliche Existenz langweilig erscheinen, die Leidenschaft, mit der hier geschrieben wird, spricht eine andere Sprache." Steffen Martus, Frankfurter Rundschau, 12.01.13
"Zornig, witzig, klug: Sibylle Berg seziert unser Leben." Steffen Martus, Frankfurter Rundschau, 12.01.13
"Eigentlich leuchtet aus nahezu jedem Kapitel mindestens eine Formulierung hervor, die so großartig und surreal und zugleich von besonderer Zartheit ist (...) von den Bildern des Bergschen Szenarios geht eine Intensität aus, die in aller Drastik und obskurer Schönheit Vergleiche suchen muss." Andrea Hannah Hünniger, Die Zeit, 18.10.12
"Ein Wunderwerk aus klugen Exkursen und brillanten Bonmots." Wolfgang Höbel, Der Spiegel, Heft 31/12
"Eine Ode an die Individualität (...)" Stern, 27.07.12
"Die Schriftstellerin erzählt dieses Trauerspiel in ihrem so unverwechselbaren Sound aus Zynismus, Anklage und subtilem Witz. Sibylle Berg hat ein schonungsloses Buch geschrieben. Eines, das irritiert und extrem fasziniert." Focus, 08.10.12
"Sibylle Berg scheidet Gut und Böse, kurz vor dem jüngsten kapitalistischen Gericht. Das ist kein Roman, das ist ein Manifest." Jan Küveler, Die Welt, 28.07.12
"Vielen Dank für das Leben ist ein furios geschriebenes Plädoyer für Andersartigkeit." Regula Freuler, Neue Zürcher Zeitung am Sonntag, 30.09.12
"Sibylle Berg scheidet Gut und Böse, kurz vor dem jüngsten kapitalistischen Gericht. Das ist kein Roman, das ist ein Manifest." Jan Küveler, Die Welt, 28.07.12
"Sibylle Berg hat das 'Pfui Welt' von Bußpredigern wie Abraham de Sancta Clara (...) aber auch den vorgeblichen Zynismus eines Voltaire. (...) Sie hat diese Haltung in die Gegenwart gebeamt und mit dem Grundrauschen unserer Tage verbunden - medialem, modischem, pseudowissenschaftlichen Gerede. (...) Das Ergebnis ist ziemlich speziell und einzigartig." Martin Ebel, Tages-Anzeiger, 30.07.12
"Sibylle Berg schafft mit ihrem Protagonisten Toto eine der ungewöhnlichsten und berührendsten Gestalten der Gegenwartsliteratur." Rainer Moritz, Deutschlandradio, 07.08.12
"Berg schreibt witzig über die traurige Existenz der Menschen, anrührend über das trostlose Dasein und agressiv liebevoll gegen eine düstere Welt. Die Geschichte mag noch so trübsinnig, die mesnchliche Existenz langweilig erscheinen, die Leidenschaft, mit der hier geschrieben wird, spricht eine andere Sprache." Steffen Martus, Frankfurter Rundschau, 12.01.13
"Zornig, witzig, klug: Sibylle Berg seziert unser Leben." Steffen Martus, Frankfurter Rundschau, 12.01.13