Wolf im Schafspelz
Dass „Vienna´s Secrets“ auf dem Tisch neben meinem Lesesessel liegt, ist ein bedauerlicher Irrtum.
Nach Titel und Klappentext bin ich von einem Regionalkrimi aus Wien ausgegangen. Wenn dann der Protagonist auch noch Andorian von Anders heißt, habe ich völlig arglos den Prolog
in Angriff genommen.
Aber bereits nach dem -kurzen- Prolog war mir klar, dass ich mich schwertun…mehrWolf im Schafspelz
Dass „Vienna´s Secrets“ auf dem Tisch neben meinem Lesesessel liegt, ist ein bedauerlicher Irrtum.
Nach Titel und Klappentext bin ich von einem Regionalkrimi aus Wien ausgegangen. Wenn dann der Protagonist auch noch Andorian von Anders heißt, habe ich völlig arglos den Prolog in Angriff genommen.
Aber bereits nach dem -kurzen- Prolog war mir klar, dass ich mich schwertun würde. Es handelt sich beileibe nicht um cosy crime, sondern um einen Thriller at it´s best – und zwar nicht um einen aus der Psycho- Schublade. Vielmehr werden in bester skandinavischer Tradition Gewaltszenen, ob physisch oder psychisch, in aller Ausführlichkeit, lebendig und detailreich beschrieben. Ich weiß, dass dieses Thriller-Konzept vielen Lesen gefällt. Mich schreckt es allerdings ab, das möchte ich nicht lesen und nach der zweiten oder dritten solcher Szenen musste ich das Buch endgültig weglegen.
Dabei war das, was ich bis dahin gelesen habe, beileibe nicht schlecht. Der Plot ist interessant aufgebaut, die Protagonisten sind interessant und lebendig gezeichnet. Da ist der reiche Privatdetektiv, der wie ein Sherlock Holmes 2.0 aus Langeweile ermittelt, allerdings ist sein „Gegenpart“ bei der Polizei, die ehrgeizige Kommissarin Daniela Friedmann so gar kein Inspector Lestrade. Auch die berührten Themen sind brandaktuell, vom Entführung, über Menschenhandel und Missbrauch bis hin zu Korruption auf höchster Ebene. Aber entspanntes Lesen war mir nicht mehr möglich, habe ich doch bei jedem Umblättern neue Szenen befürchtet, die ich nicht lesen möchte. Überblättern war aber auch nicht möglich, ohne den Faden zu verlieren.
Letztlich ist mir die Sprache auch zu kalt, zu hölzern, was aber prima zum Buchkonzept passt; Tempo und Spannung sind genretypisch atemberaubend.
Insgesamt tue ich mich diesmal bei der Bewertung sehr schwer, insbesondere, weil ich es nicht bis zum Ende geschafft habe. Wenn ich nur mein persönliches Lesevergnügen berücksichtigen würde, müsste ich 1* vergeben. Ich sehe aber einen wirklich gut gemachten Triller vor mir, den alle Fans in höchsten Tönen loben, also 5*. Wenn ich die Mitte nehme und noch einen Sympathiepunkt für ein gelungenes Erstlingswerk hinzurechne, bin ich bei 4*.
Nur am Rande noch bemerkt: Beim Lektorat sehe ich eindeutig Steigerungspotential.