Marktplatzangebote
11 Angebote ab € 0,25 €
  • Broschiertes Buch

Vier Freunde in den Sommerferien: Solo hat gerade seinen Job bei der Zeitung geschmissen, Raúl ist ungewollt Vater geworden und dazu auch noch verheiratet, der dicke Blas bemüht sich um all die hübschen Mädchen, mit denen der Herzensbrecher Claudio dann abzieht.

Produktbeschreibung
Vier Freunde in den Sommerferien: Solo hat gerade seinen Job bei der Zeitung geschmissen, Raúl ist ungewollt Vater geworden und dazu auch noch verheiratet, der dicke Blas bemüht sich um all die hübschen Mädchen, mit denen der Herzensbrecher Claudio dann abzieht.
Autorenporträt
Der Schriftsteller und Drehbuchautor David Trueba, geboren 1969 in Madrid, ist selbst in einer Familie mit acht Kindern aufgewachsen. Die ganze Nacht geöffnet war sein erster Roman.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.12.2000

Wie Holz auf launischer See
Ein käsiges Vergnügen: David Truebas Roman "Vier Freunde"

Sommer in Madrid. Vier Freunde auf der Schwelle zum Erwachsenendasein. Bevor einen der Ernst des Lebens wirklich an den Wickel bekommt, will man noch mal so richtig auf die Tube drücken. Ein alter, stinkender Käselieferwagen wird gekauft, Türen zu, und ab geht das episodenreiche Roadmovie. Die vier Kumpels machen sich auf eine letzte Spritztour, bevor die Parkkralle der Existenz zuschnappt. Die launige Truppe mischt so manches Dorffest auf, prellt Zechen, pöbelt mal hier, mal dort, kopuliert in den unterschiedlichsten Varianten und flegelt abschließend in einer Stretchlimousine herum. In der Käseglocke auf Rädern geht es nicht nur geruchsweise um Reifeprozesse. Überhaupt durchziehen den Roman unwahrscheinliche Gerüche: "Er verströmte den hartnäckigen Geruch von schnellem Sex." Worin genau unterscheidet sich dieses hartnäckige Parfum von dem, das bei langsamem, detailverliebtem Sex verströmt wird?

Der Erzähler wird es wissen. Er nennt sich Solo, fühlt sich auch noch inmitten seiner Freunde wie ein einsamer Steppenwolf, ein Lebensgefühl, das auf verlassenen spanischen Nationalstraßen nachts um Viertel nach drei heftig hervorbricht. Im Stillen aber trauert Solo seiner verlorenen Liebe Bárbara hinterher: "O, Bárbara!" Mit ihr verband ihn eine recht nomadische Wolfsliebe: "Unsere Liebe hatte keinen festen Ort." Bárbara ist der rührselige Refrain, der den Text durchzieht. Zwischen den Zeilen steigt der Tränenpegel. Bárbara in allen Frauen, Bárbara in jedem T-Bone-Steak: "Ich glaube, meine tiefe Beziehung zum Fleisch lenkte schließlich meine Erinnerung auf Bárbaras Schenkel." Sie war eine dieser Frauen mit integriertem Beglückungsvaporisierer: "Bárbara verströmte das Geschenk ihrer Gegenwart."

Doch lange hat es Solo nicht bei seiner gleichschenkligen Traumfrau ausgehalten: "Erst nach einiger Zeit begriff ich, daß die Freiheit nie dort ist, wo man sie vermutet, daß die angebeteten Schenkel die Eisenstäbe meines Gefängnisses hätten sein können." Und hinter tausend Schenkeln keine Welt. In seinem Reisegepäck hat Solo eine Einladung zu Bárbaras Hochzeit mit einem spießigen Kommunalpolitiker, und dort endet die Reise schließlich. Die farblosesten Männer reißen sich die schillerndsten Frauen unter den manikürten Nagel, und den stoppelbärtigen Rauhbeinen bleibt nur eine durch wundervolle Männerfreundschaften gemilderte Einsamkeit: "Ich schaute Claudio an und Blas neben mir und begriff in gewisser Weise, was Freundschaft bedeutete. Es war eine Gegenwart, die zwar nicht verhinderte, daß man sich allein fühlte, die aber die Reise erträglicher machte." Diese Romanessenz könnte auch der Off-Text zu einer Bierreklame sein.

Die durch den Nachsommer ihrer Jugend tollenden Jungs legen denselben Geist an den Tag, der einen auf jedem Klassentreffen zu konzentriertem, kombinationsfreudigem Drogenmißbrauch treibt. Sie haben wenig mehr als den Geschlechtsverkehr im ungekämmten Kopf. Das mag ganz im Sinne des Generationenvertrags sein, liest sich aber wie ein Protokoll eines nicht enden wollenden Herrenabends.

Truebas Freude an Verdauungsprozessen, neurasthenischen Darmwinden und gackernd erzählten Peinlichkeiten läßt ahnen, daß der Reifeprozeß unter der schaukelnden Käseglocke noch lange nicht abgeschlossen ist. Er hat keine Angst vor abgegriffenen Redewendungen und verwechselt jugendliche Frische mit stereotypem Schreiben. Das Navigationssystem des Käselieferwagens ist auf existentielle Sinnsuche programmiert, das Hinterstübchen des Erzählers hängt voller Kalendersprüche: "Wir taugen nicht einmal zum Märtyrer, wir sind Holz auf launischer See." Vielleicht aber auch nur Handkäs mit Musik auf schlecht asphaltierten Provinzstraßen. Diese Twen-Tour ist durchzogen von unausgegorenen Teenie-Sentenzen. Sogar auf Sportflieger hat sich der meinungsfreudige Erzähler seinen Reim gemacht: "Flieger können sich denen gegenüber, die sich bloß am Boden fortschleppen, eine gewisse Verachtung nicht verkneifen."

Am Ende eines jeden Kapitels liest man poetisch knödelnde Fragmente aus einem Konvolut, das der Erzähler "Serviettennotizen" betitelt hat. Diese lyrischen Serviettenknödel werden als Sättigungsbeilage für besonders melancholische Gemüter gereicht. Insgesamt drehen sich die Abenteuer um einen in zahllosen Umkleidekabinen schnaufend diskutierten, arg verschwitzten Konflikt: "Eine Partnerin haben hieß auf die Freunde verzichten, oder wie Claudio, ein freier Vogel, einmal sagte: ,Du wählst selber, was du sein willst - Adler oder Kanarienvogel.'" Auch wenn sie die Erscheinung eines verführerisch "gut austarierten Stück Fleisches" annimmt, bleibt jede Frau für unser Musketier-Quartett letztendlich eine Sphinx in Briefbeschwerer-Format, die sich zur Not in jede Stammtischschublade wegpacken läßt: "Sie gehörte zu der Sorte hübscher Frauen, die sich ihrer Hübschheit derart bewußt sind, daß sie in den Höhen, in denen sie schweben, alle Attraktivität verlieren." Enid Blyton, pardon.

Neben dem europäischen Butterberg auf dem Wege zur käsigen Verranzung gibt es noch den exponentiell wachsenden Stapel Junger Literaturen und Neuer Stimmen. David Truebas Roman ist eine weitere Lieferung aus diesem Kontingent standardisierter Erzählfrische, für die Brüssel vor einigen unseligen Jahren auch eine Euro-Norm verabschiedet haben muß. Im Zuge der kapitalverzehrenden Globalisierung haben sich die Verlage scheinbar zu einer Plattform-Strategie entschieden: Stilistische Einheitsprodukte, versehen mit unterschiedlichen Etiketten.

STEPHAN MAUS

David Trueba: "Vier Freunde". Roman. Aus dem Spanischen übersetzt von Peter Schwaar. Frankfurter Verlagsanstalt, Frankfurt am Main 2000, 320 S., geb., 44,- DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr
»Eine Komödie über Männerbünde und Erwachsenwerden. Mit Ironie, Humor und manchmal geradezu grotesker Situationskomik erzählt Trueba seine Geschichte.« (Der Spiegel)