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Für ihre Viersprachigkeit ist die Schweiz weltberühmt. Zu Unrecht, wie José Ribeaud urteilt, denn sie hat diese Qualität fast aufgegeben. Zwang zum Dialekt, Unverständnis der Landesteile untereinander, Fremdsprachenignoranz in Bildung und Schule sowie die allgemeine Anfälligkeit für ein werbeverhunztes Englisch ersticken den wichtigsten Vorteil der Schweiz. Ribeaud, der als Korrespondent jahrzehntelang aus den Bereichen Kultur, Politik und Gesellschaft der Deutschschweiz in seine welsche Heimat berichtete, zeichnet ein schonungsloses Bild der Lage - sein Buch ist eine Kampfschrift, deren…mehr

Produktbeschreibung
Für ihre Viersprachigkeit ist die Schweiz weltberühmt. Zu Unrecht, wie José Ribeaud urteilt, denn sie hat diese Qualität fast aufgegeben. Zwang zum Dialekt, Unverständnis der Landesteile untereinander, Fremdsprachenignoranz in Bildung und Schule sowie die allgemeine Anfälligkeit für ein werbeverhunztes Englisch ersticken den wichtigsten Vorteil der Schweiz. Ribeaud, der als Korrespondent jahrzehntelang aus den Bereichen Kultur, Politik und Gesellschaft der Deutschschweiz in seine welsche Heimat berichtete, zeichnet ein schonungsloses Bild der Lage - sein Buch ist eine Kampfschrift, deren Lektüre aufrüttelt und die die Diskussion darüber, wie dieser einzigartige Vorteil zu retten sei, neu entfacht.
Autorenporträt
José Ribeaud, geboren 1935 in Coeuve, Kanton Jura/Schweiz, war zuerst als Lehrer und Gewerkschaftssekretär, später als Journalist tätig. Von 1970 bis 1982 leitete er die Sendung Téléjournal (welsche Tagesschau) in Zürich, später war er Chefredakteur der Liberté in Fribourg. 1987 erhielt José Ribeaud den Preis der Oertli-Stiftung für seine Verdienste im Einsatz für den Sprachenaustausch. Seit seiner Pensionierung 1996 engagiert er sich für verschiedene Kommunikationsprojekte in Madagaskar und beteiligte sich dort auch an der Gründung einer Journalistenschule. 1998 erschien sein Buch Es war einmal die Schweiz, in dem er sich mit den wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Problemen der Schweiz und deren Auswirkungen auf den Zusammenhalt der Eidgenossenschaft kritisch auseinandersetzt. Ribeaud lebt heute in Berlin.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.11.2013

Bitte sprecht Deutsch mit uns!

Jetzt wohnt er in Berlin. Aber zuvor hat José Ribeaud "vierzig Jahre (von April 1966 bis Juni 2007) mit Frau und Kindern unter euch gelebt", in der deutschsprachigen Schweiz, als frankophoner Korrespondent des Genfer Fernsehens. Kein anderer hatte den Job im kulturellen Exil gewollt. Dazwischen verbrachte Ribeaud ein paar Jahre auf Madagaskar und als Chefredakteur der Zeitung "La Liberté" im zweisprachigen Kanton Freiburg: "Aber ich kam immer wieder zurück. Ich habe mich hier sehr wohl gefühlt. Alles hat gut gepasst."

Stark überarbeitet und für die deutsche Übersetzung um eine Liebeserklärung an die Landsleute ergänzt hat der Journalist nun sein Buch, das er im Ruhestand in Berlin über die Schweiz und ihre Sprachsituation schrieb, vorgelegt (José Ribeaud: "Vier Sprachen, ein Zerfall". Wie die Schweiz ihren wichtigsten Vorteil verspielt. Aus dem Französischen von Caroline Gutberlet. Verlag Nagel & Kimche, Zürich 2013. 174 S., br., 16,90 [Euro]).

Liebevoll erzählt er von den Missverständnissen nach seiner Ankunft in Zürich. Die Nachbarin, die "go poschte" wollte, setzte er vor der Post ab - "posten" bedeutet im Dialekt der Eidgenossen einkaufen. Seit der Westschweizer in Deutschland zu Hause ist, hat sich sein unerbittlicher Blick auf die Zustände im Lande der Herkunft noch verschärft. Er beobachtet die Veränderungen in der Schule und die Reden der Politiker, die sich immer mehr der Mundart bedienen. Deshalb fordert Ribeaud: "Bitte sprecht Deutsch mit uns!"

Doch der Dialekt ist in seiner Darstellung zu einer Ideologie geworden und die Kritik an seiner Verbreitung rührt an einem Tabu, das sich auf perfide Weise auch in den lateinischen Kantonen durchsetzt. Und sei es als Alibi - lieber Englisch als unnützes Deutsch. Der Zwang zur Landessprache als erster Fremdsprache wird immer mehr gelockert, die Schweiz steht ihrer Viersprachigkeit zunehmend gleichgültig gegenüber. Der Jura-Konflikt, der gegen Ende des zwanzigsten Jahrhunderts zur Gründung eines neuen Kantons führte, wurde mit der Kultur der Minderheit gegen die deutschsprachige Kolonialisierung geführt. Sie war das Motiv und der Motor - die Hintergründe hingegen waren wirtschaftlicher Art.

Gegenwärtig lebt das Land in einem unheimlichen Frieden mit sich selbst. Der Druck der Nachbarländer und der Vereinigten Staaten hat die Landesteile zusammengeschweißt. Von belgischen Zuständen ist die Schweiz weit entfernt. Doch bei der geringsten politischen oder wirtschaftlichen Krise wird die Sprachfrage wieder aufflammen. Ribeaud zeigt, dass die Vielfalt nicht nur Konfliktstoff beinhaltet. Sondern das Funktionieren des Systems garantiert und einen großen Reichtum erschließt. Auch der Frankophonie und ihrer Rolle in der Welt widmet der Autor einige Abschnitte. Sein engagiertes Plädoyer an die Landsleute ist darüber hinaus ein aufschlussreiches Werk für Leser, die sich mit Sprach- und Minderheitenpolitik beschäftigen.

JÜRG ALTWEGG

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