Im eisigen Winter des Jahres 1817 versammeln sich zehn bedeutende Poeten zu einem literarischen Salon auf einer Burg im schottischen Hochland. Als sie von einem Schneesturm eingeschlossen werden, gerät der edle Wettstreit zum Horrortrip: Eine Serie von Morden, offensichtlich nach einem verborgenen literarischen Muster verübt, versetzt die Eingeschlossenen in Angst und Schrecken. Die Suche nach dem Mörder wird zu einem Wettlauf mit dem Tod.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.07.2002Auf dem Schloß
Machen wir es wie die Shelleys: Ein unfertiger Schauerroman
Größere Spuren hat Dorothea S. Baltenstein nicht hinterlassen. Um 1890 geboren, ist sie knapp dreißigjährig an einer Überdosis Tabletten gestorben. Ihr Vermächtnis: ein Roman, dessen bislang unpubliziertes Manuskript jetzt, herausgegeben und bearbeitet von Michael Schmid, erschienen ist, so daß wenigstens die Existenz eines Textes mit dem Titel "Vier Tage währt die Nacht" als gesichert gelten kann: ein Schauerroman von über fünfhundert engbedruckten Seiten und eine fesselnde Lektüre ersten Ranges, wenn man die ersten Abschnitte überstanden hat. Denn die machen es einem nicht gerade leicht. Der schwerfällige Stil ist kein Vergnügen und die Exposition nicht sonderlich originell.
Ein junger Autor ist auf das schottische Schloß seines Mentors geladen, wo er - man schreibt das Jahr 1817, und die Gemeinschaft um Shelley und Byron am Genfer See steht unübersehbar Pate - gemeinsam mit anderen Gästen ein literarisches Kolloquium abhalten soll. Die erste Begegnung schon führt ihn mit der Frau zusammen, die ihm erkennbar zugedacht ist, und die Reden, die beim ersten Abendessen laut werden, machen schnell deutlich, daß die Figuren - man ist zu zehnt, die zahlreichen Diener nicht eingerechnet - jeweils Rollen verkörpern: der bigotte Kleriker, der jüdische Intellektuelle aus den Vereinigten Staaten, der künstlerisch impotente Säufer und so fort. Doch was sich dann aus diesem Plot entwickelt (dem Agatha Christies "Zehn kleine Negerlein" verdächtig ähnelt), wie insbesondere das schottische Schloß zum eigentlichen Träger der Handlung avanciert und Raum gibt für großartige Bilder, ist so hinreißend spannend, daß man dem Roman ein intensiveres Lektorat gewünscht hätte. Und der Autorin ein längeres Leben.
TILMAN SPRECKELSEN
Dorothea S. Baltenstein: "Vier Tage währt die Nacht". Roman. Eichborn Verlag, Frankfurt am Main 2002. 536 S., geb., 19,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Machen wir es wie die Shelleys: Ein unfertiger Schauerroman
Größere Spuren hat Dorothea S. Baltenstein nicht hinterlassen. Um 1890 geboren, ist sie knapp dreißigjährig an einer Überdosis Tabletten gestorben. Ihr Vermächtnis: ein Roman, dessen bislang unpubliziertes Manuskript jetzt, herausgegeben und bearbeitet von Michael Schmid, erschienen ist, so daß wenigstens die Existenz eines Textes mit dem Titel "Vier Tage währt die Nacht" als gesichert gelten kann: ein Schauerroman von über fünfhundert engbedruckten Seiten und eine fesselnde Lektüre ersten Ranges, wenn man die ersten Abschnitte überstanden hat. Denn die machen es einem nicht gerade leicht. Der schwerfällige Stil ist kein Vergnügen und die Exposition nicht sonderlich originell.
Ein junger Autor ist auf das schottische Schloß seines Mentors geladen, wo er - man schreibt das Jahr 1817, und die Gemeinschaft um Shelley und Byron am Genfer See steht unübersehbar Pate - gemeinsam mit anderen Gästen ein literarisches Kolloquium abhalten soll. Die erste Begegnung schon führt ihn mit der Frau zusammen, die ihm erkennbar zugedacht ist, und die Reden, die beim ersten Abendessen laut werden, machen schnell deutlich, daß die Figuren - man ist zu zehnt, die zahlreichen Diener nicht eingerechnet - jeweils Rollen verkörpern: der bigotte Kleriker, der jüdische Intellektuelle aus den Vereinigten Staaten, der künstlerisch impotente Säufer und so fort. Doch was sich dann aus diesem Plot entwickelt (dem Agatha Christies "Zehn kleine Negerlein" verdächtig ähnelt), wie insbesondere das schottische Schloß zum eigentlichen Träger der Handlung avanciert und Raum gibt für großartige Bilder, ist so hinreißend spannend, daß man dem Roman ein intensiveres Lektorat gewünscht hätte. Und der Autorin ein längeres Leben.
TILMAN SPRECKELSEN
Dorothea S. Baltenstein: "Vier Tage währt die Nacht". Roman. Eichborn Verlag, Frankfurt am Main 2002. 536 S., geb., 19,90 [Euro].
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