»Klüssendorfs Kunst ist die Vermeidung jedweder Künstlichkeit.« DER SPIEGEL
Ein Dorf in Ostdeutschland: Walter, ein zorniger Mann, erschlagen in der Silvesternacht von Hilde, der eigenen Frau. Nur kurz vor seinem Ende war er plötzlich sanft und ihr zugewandt. Dann ein Friedhof: Die Toten studieren die Lebenden. Walter wird zum Chronisten, sieht sich dazu verdammt, die Schicksale im Dorf festzuhalten. Und er fragt nach dem Warum. Was war der Grund für Hildes Tat? Geschah es aus Hass oder aus Barmherzigkeit?
»Vierunddreißigster September« wird zum Dorfroman einer anderen, neuen Art, er kommt den Menschen schmerzend nah. Aus Angelika Klüssendorfs Sprache strahlt eine mitreißende Kraft, sie ist präzise und voll tiefschwarzer Komik. Ein hintersinniges Meisterwerk über eine Zeit der Wut, Melancholie und Zärtlichkeit.
Ein Dorf in Ostdeutschland: Walter, ein zorniger Mann, erschlagen in der Silvesternacht von Hilde, der eigenen Frau. Nur kurz vor seinem Ende war er plötzlich sanft und ihr zugewandt. Dann ein Friedhof: Die Toten studieren die Lebenden. Walter wird zum Chronisten, sieht sich dazu verdammt, die Schicksale im Dorf festzuhalten. Und er fragt nach dem Warum. Was war der Grund für Hildes Tat? Geschah es aus Hass oder aus Barmherzigkeit?
»Vierunddreißigster September« wird zum Dorfroman einer anderen, neuen Art, er kommt den Menschen schmerzend nah. Aus Angelika Klüssendorfs Sprache strahlt eine mitreißende Kraft, sie ist präzise und voll tiefschwarzer Komik. Ein hintersinniges Meisterwerk über eine Zeit der Wut, Melancholie und Zärtlichkeit.
Rezensent Oliver Jungen ist großer Fan von Angelika Klüssendorf, aber mit ihrem neuen Roman kann er beim besten Willen nichts anfangen. Von dem für Klüssendorf typischen psychologischen Scharfsinn keine Spur, meint er. Stattdessen liest der Kritiker zunehmend genervt diese irgendwo im Osten angesiedelte Provinzgeschichte, in der Walter, einst Wendeverlierer und Tyrann, zuletzt dement und milde, von seiner Frau mit der Axt erschlagen wird und das Geschehen von nun aus dem Jenseits kommentiert. Weitere kaputte Lebende und drastisch umgekommene Tote treten auf, nur Subtilität will sich nicht einstellen, seufzt Jungen. Die Handvoll "feingesponnener" Formulierungen kann ihn nicht über den plumpen, teils "zotigen" Humor dieser "öden Dorfgroteske" hinwegtrösten.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 02.09.2021Schön öd
Angelika Klüssendorf sucht in „Vierunddreißigster September“
Trost in der Trostlosigkeit
VON SOPHIE WENNERSCHEID
Ein paar Mal fällt im Roman das sperrige Wort der „Hingehörigkeit“. Wer oder was da die Arme ausbreiten und die Figuren aufnehmen könnte, ist schwer zu sagen. Den Menschen, einerlei ob es sich um Freunde, Nachbarn oder Familie handelt, ist nicht zu trauen. Zu schwer trägt jeder an sich selbst, als dass er noch das Leid der anderen auf sich nehmen könnte. Auf einen Platz in der Mitte der Gesellschaft zu setzen, scheint angesichts der maroden Verhältnisse absurd. Und von Gott zu sprechen, traut sich höchstens noch die Pastorin. Die aber hat sich mit ihrer ausweichenden Bemerkung zum Konzentrationslager Buchenwald leider schon komplett disqualifiziert und sollte wohl besser einfach den Mund halten.
Angelika Klüssendorfs neuer Roman „Vierunddreißigster September“ ist ein wildes, starkes und tröstliches Buch über die Trostlosigkeit. Alle Figuren in diesem öden Dorf in der ostdeutschen Provinz scheinen bar jeglicher Hoffnung. Und doch spricht aus jedem Worte die Sehnsucht nach etwas, das Ja zu ihnen sagt, etwas, das ihnen Schutz gewährt, Geborgenheit.
Dass man sich bei der Lektüre trotzdem nicht gänzlich verloren vorkommt, verdankt sich in erster Linie dem Erzähler, der mit einem warmen Blick auf das Geschehen schaut. Was insofern überraschend ist, als wir es da mit einem alten Mann zu tun haben, dem seine Frau Hilde in der Silvesternacht mit einem Beil den Kopf eingeschlagen hat. Warum? Das würde Walter, der Erschlagene, auch gerne wissen. Da er als Toter alle Zeit der Welt hat, kann er sich ausgiebig mit der Frage beschäftigen, und mehr noch mit der Frage nach dem Warum seines Lebens. Was leichter gesagt ist als getan. „Jeder stirbt so, wie er in der letzten Endlichkeit gelebt hat“, erklärt ihm Gerda Engel, die schon lange tote Mutter von Hilde. „Das Wichtigste sind die Stunden vor dem Übergang.“ Da Walter in den letzten Tagen vor seinem Tod aufgrund eines Hirntumors aber ein gänzlich anderer war als in den Jahren zuvor, freundlich und zugewandt statt verbittert und tyrannisch, versteht er sich selbst nicht mehr.
Obwohl die Erzählstruktur etwas konstruiert anmutet, erweist sie sich als erfreulich tragfähig. Sie erlaubt einen uneingeschränkten Blick auf die Akteure, wie ihn sonst nur ein allwissender Erzähler hat. Als unsichtbarer Geist schwebt Walter durch das Dorf und schaut den Menschen ins grau angelaufene Herz. Gleichzeitig aber ist seine Sicht auf die Dinge äußerst beschränkt. So würde er zu gerne wissen, was in dem Buch steht, in das seine Frau Hilde geschrieben hat. Doch weil er sich zu Lebzeiten nicht für ihre Gefühle interessiert hat, bleiben ihm die auf tschuktschisch geschriebenen Gedichte verschlossen. Erst am Ende des Romans hat er sich Buchstabe für Buchstabe einen Zugang erarbeitet. „Nur Regen, der auf nichts mehr trifft.“ Weniger Hoffnung ist kaum vorstellbar. Andererseits: welch poetischer Nihilismus. Ist das nicht wie eine ins Nichts ausgestreckte Hand?
Diese ausgestreckte Hand an den Fingerspitzen zu berühren, ohne vor ihrer Kälte zurückzuschrecken, ist den Leserinnen als Aufgabe gestellt. Ebenso wenig wie von dem Chronisten Walter erwartet wird, das Beobachtete zu bewerten, sind auch wir aufgerufen, das Erzählte einfach still aufzunehmen. Wie die Engel aus Wim Wenders „Der Himmel über Berlin“ stehen wir so mit Walter an der Seite vor dem Säufer Heinrich, dem einbeinigen Hans, dem dicken Hubert, Bipolarchen, Eisenalex, der Transfrau Gabriela und ihrer Schildkröte Coco, einer Schriftstellerin und ihres so unglaublich gutaussehenden Partners, dem Trommler, und einer Reihe anderer aus krummem Holz geschnitzten Gestalten.
Noch grotesker nehmen sich die Toten aus. Ertrunken, erfroren, an Missmut gestorben oder noch im Mutterleib versteinert wie das stets am Rockzipfel von Helga Engel hängende Lithopädion machen diese Toten alles andere als einen einnehmenden Eindruck. Möchte man unter keinen Umständen Teil der Dorfgemeinschaft sein, wäre es noch gruseliger eine der Toten zu sein. Zumal auch die nie aus ihrem Dorf herauskommen, für immer sind sie an ihre unselige Geschichte gebunden.
Woraus aber in dieser Tristesse einen Funken Freude schlagen? Sicher nicht aus Steven Spielberg, der für Sage und Schreibe 50 Minuten das Dorf besucht, um dort für einen möglichen Film zu recherchieren. Auch wenn der verwahrloste Hans sich auf einmal bemüßigt fühlt, die Tür des heruntergekommenen Hauses blau zu streichen, und die Mutter gewaltig abspeckt, bleibt das eine belanglose Episode.
Wichtiger für die von dem Gestrüpp des Grauens arg bedrängten Augenblicke der Zuversicht sind die wie beiläufig eingestreuten Naturbeobachtungen. Ob es die wie Lumpen am Himmel hängenden Wolken sind, das im Schweigen vom Baum fallende Blatt oder der Wald, den die Pilze sammelnde Schriftstellerin als „eine Wirklichkeit, der sie trauen kann“ erlebt, – es sind diese Momente des Innehaltens und Wahrnehmens, die den Roman zu einem beglückenden Leseerlebnis machen.
Zumal diese Momente über Figuren vermittelt werden, die wirklich keinen Grund zur gefühligen Nabelschau haben. So wenn Eisenalex und Leo Panzer überlegen, dem Alltagstrott zu entkommen, indem sie sich einen vierunddreißigsten September ausdenken, an dem alles auch ganz anders sein könnte. Ob sie wohl in ihrer Kindheit über Erich Kästners „Der 35. Mai oder Konrad reitet in die Südsee“ gestolpert sind? In diesem 1931 veröffentlichten Roman erzählt Kästner die Geschichte von dem kleinen Konrad und seinem Onkel, die mit einem rollschuhfahrenden Zirkuspferd durch den Schrank im Flur treten und so in eine Art Alices Wunderland gelangen, in dem die merkwürdigsten Dinge passieren. Eine Rollschuhläuferin zumindest gibt es auch bei Klüssendorf. Es ist die immer mit einem Lied auf den Lippen durchs Dorf rollende Helen, die dem ein oder anderen Dorfbewohner den Kopf verdreht. Und die einzige, der es nicht nur gelingt, das Dorf zu verlassen, sondern die den Zurückgebliebenen zudem einen auch im ostdeutschen Winter nicht frierenden Inder zu Besuch schickt.
„Vierunddreißigster September“ lässt sich als ein Roman über Menschen lesen, die bitter geworden sind, weil ihnen mit dem Zusammenbruch der DDR der Stolz auf das eigene Leben weggebrochen ist. Man kann den Bogen aber auch größer spannen und das Buch mit Anleihen bei Theodor W. Adorno oder Ernst Bloch philosophisch vertiefen. So wie der eine uns Bruchstücke einer inversen Theologie anbietet, in der sich Gott im Negativen offenbart, gewährt der andere Einblicke in ein utopisches Denken des Humanen. Wem das nicht liegt, kann auch einfach die im Roman angespielten Songs „Summertime“, „Smoke on the Water“ oder Mahlers vierte Symphonie hören. Oder, pardon, wie Eisenalex zum Scheißen in den Wald gehen. An einem vierunddreißigsten September ist all das nicht nur erlaubt, sondern vielleicht die einzige Möglichkeit, glücklich zu sein.
Steven Spielberg kommt ins Dorf,
ganze 50 Minuten lang.
Eine belanglose Episode
Ganz idyllisch, aber nicht wirklich was los: ein Dorf in Brandenburg.
Foto: Kalle Jipp /Imago
Angelika Klüssendorf: Vierunddreißigster September. Roman. München, Piper. 2021,
224 Seiten, 22 Euro.
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Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Angelika Klüssendorf sucht in „Vierunddreißigster September“
Trost in der Trostlosigkeit
VON SOPHIE WENNERSCHEID
Ein paar Mal fällt im Roman das sperrige Wort der „Hingehörigkeit“. Wer oder was da die Arme ausbreiten und die Figuren aufnehmen könnte, ist schwer zu sagen. Den Menschen, einerlei ob es sich um Freunde, Nachbarn oder Familie handelt, ist nicht zu trauen. Zu schwer trägt jeder an sich selbst, als dass er noch das Leid der anderen auf sich nehmen könnte. Auf einen Platz in der Mitte der Gesellschaft zu setzen, scheint angesichts der maroden Verhältnisse absurd. Und von Gott zu sprechen, traut sich höchstens noch die Pastorin. Die aber hat sich mit ihrer ausweichenden Bemerkung zum Konzentrationslager Buchenwald leider schon komplett disqualifiziert und sollte wohl besser einfach den Mund halten.
Angelika Klüssendorfs neuer Roman „Vierunddreißigster September“ ist ein wildes, starkes und tröstliches Buch über die Trostlosigkeit. Alle Figuren in diesem öden Dorf in der ostdeutschen Provinz scheinen bar jeglicher Hoffnung. Und doch spricht aus jedem Worte die Sehnsucht nach etwas, das Ja zu ihnen sagt, etwas, das ihnen Schutz gewährt, Geborgenheit.
Dass man sich bei der Lektüre trotzdem nicht gänzlich verloren vorkommt, verdankt sich in erster Linie dem Erzähler, der mit einem warmen Blick auf das Geschehen schaut. Was insofern überraschend ist, als wir es da mit einem alten Mann zu tun haben, dem seine Frau Hilde in der Silvesternacht mit einem Beil den Kopf eingeschlagen hat. Warum? Das würde Walter, der Erschlagene, auch gerne wissen. Da er als Toter alle Zeit der Welt hat, kann er sich ausgiebig mit der Frage beschäftigen, und mehr noch mit der Frage nach dem Warum seines Lebens. Was leichter gesagt ist als getan. „Jeder stirbt so, wie er in der letzten Endlichkeit gelebt hat“, erklärt ihm Gerda Engel, die schon lange tote Mutter von Hilde. „Das Wichtigste sind die Stunden vor dem Übergang.“ Da Walter in den letzten Tagen vor seinem Tod aufgrund eines Hirntumors aber ein gänzlich anderer war als in den Jahren zuvor, freundlich und zugewandt statt verbittert und tyrannisch, versteht er sich selbst nicht mehr.
Obwohl die Erzählstruktur etwas konstruiert anmutet, erweist sie sich als erfreulich tragfähig. Sie erlaubt einen uneingeschränkten Blick auf die Akteure, wie ihn sonst nur ein allwissender Erzähler hat. Als unsichtbarer Geist schwebt Walter durch das Dorf und schaut den Menschen ins grau angelaufene Herz. Gleichzeitig aber ist seine Sicht auf die Dinge äußerst beschränkt. So würde er zu gerne wissen, was in dem Buch steht, in das seine Frau Hilde geschrieben hat. Doch weil er sich zu Lebzeiten nicht für ihre Gefühle interessiert hat, bleiben ihm die auf tschuktschisch geschriebenen Gedichte verschlossen. Erst am Ende des Romans hat er sich Buchstabe für Buchstabe einen Zugang erarbeitet. „Nur Regen, der auf nichts mehr trifft.“ Weniger Hoffnung ist kaum vorstellbar. Andererseits: welch poetischer Nihilismus. Ist das nicht wie eine ins Nichts ausgestreckte Hand?
Diese ausgestreckte Hand an den Fingerspitzen zu berühren, ohne vor ihrer Kälte zurückzuschrecken, ist den Leserinnen als Aufgabe gestellt. Ebenso wenig wie von dem Chronisten Walter erwartet wird, das Beobachtete zu bewerten, sind auch wir aufgerufen, das Erzählte einfach still aufzunehmen. Wie die Engel aus Wim Wenders „Der Himmel über Berlin“ stehen wir so mit Walter an der Seite vor dem Säufer Heinrich, dem einbeinigen Hans, dem dicken Hubert, Bipolarchen, Eisenalex, der Transfrau Gabriela und ihrer Schildkröte Coco, einer Schriftstellerin und ihres so unglaublich gutaussehenden Partners, dem Trommler, und einer Reihe anderer aus krummem Holz geschnitzten Gestalten.
Noch grotesker nehmen sich die Toten aus. Ertrunken, erfroren, an Missmut gestorben oder noch im Mutterleib versteinert wie das stets am Rockzipfel von Helga Engel hängende Lithopädion machen diese Toten alles andere als einen einnehmenden Eindruck. Möchte man unter keinen Umständen Teil der Dorfgemeinschaft sein, wäre es noch gruseliger eine der Toten zu sein. Zumal auch die nie aus ihrem Dorf herauskommen, für immer sind sie an ihre unselige Geschichte gebunden.
Woraus aber in dieser Tristesse einen Funken Freude schlagen? Sicher nicht aus Steven Spielberg, der für Sage und Schreibe 50 Minuten das Dorf besucht, um dort für einen möglichen Film zu recherchieren. Auch wenn der verwahrloste Hans sich auf einmal bemüßigt fühlt, die Tür des heruntergekommenen Hauses blau zu streichen, und die Mutter gewaltig abspeckt, bleibt das eine belanglose Episode.
Wichtiger für die von dem Gestrüpp des Grauens arg bedrängten Augenblicke der Zuversicht sind die wie beiläufig eingestreuten Naturbeobachtungen. Ob es die wie Lumpen am Himmel hängenden Wolken sind, das im Schweigen vom Baum fallende Blatt oder der Wald, den die Pilze sammelnde Schriftstellerin als „eine Wirklichkeit, der sie trauen kann“ erlebt, – es sind diese Momente des Innehaltens und Wahrnehmens, die den Roman zu einem beglückenden Leseerlebnis machen.
Zumal diese Momente über Figuren vermittelt werden, die wirklich keinen Grund zur gefühligen Nabelschau haben. So wenn Eisenalex und Leo Panzer überlegen, dem Alltagstrott zu entkommen, indem sie sich einen vierunddreißigsten September ausdenken, an dem alles auch ganz anders sein könnte. Ob sie wohl in ihrer Kindheit über Erich Kästners „Der 35. Mai oder Konrad reitet in die Südsee“ gestolpert sind? In diesem 1931 veröffentlichten Roman erzählt Kästner die Geschichte von dem kleinen Konrad und seinem Onkel, die mit einem rollschuhfahrenden Zirkuspferd durch den Schrank im Flur treten und so in eine Art Alices Wunderland gelangen, in dem die merkwürdigsten Dinge passieren. Eine Rollschuhläuferin zumindest gibt es auch bei Klüssendorf. Es ist die immer mit einem Lied auf den Lippen durchs Dorf rollende Helen, die dem ein oder anderen Dorfbewohner den Kopf verdreht. Und die einzige, der es nicht nur gelingt, das Dorf zu verlassen, sondern die den Zurückgebliebenen zudem einen auch im ostdeutschen Winter nicht frierenden Inder zu Besuch schickt.
„Vierunddreißigster September“ lässt sich als ein Roman über Menschen lesen, die bitter geworden sind, weil ihnen mit dem Zusammenbruch der DDR der Stolz auf das eigene Leben weggebrochen ist. Man kann den Bogen aber auch größer spannen und das Buch mit Anleihen bei Theodor W. Adorno oder Ernst Bloch philosophisch vertiefen. So wie der eine uns Bruchstücke einer inversen Theologie anbietet, in der sich Gott im Negativen offenbart, gewährt der andere Einblicke in ein utopisches Denken des Humanen. Wem das nicht liegt, kann auch einfach die im Roman angespielten Songs „Summertime“, „Smoke on the Water“ oder Mahlers vierte Symphonie hören. Oder, pardon, wie Eisenalex zum Scheißen in den Wald gehen. An einem vierunddreißigsten September ist all das nicht nur erlaubt, sondern vielleicht die einzige Möglichkeit, glücklich zu sein.
Steven Spielberg kommt ins Dorf,
ganze 50 Minuten lang.
Eine belanglose Episode
Ganz idyllisch, aber nicht wirklich was los: ein Dorf in Brandenburg.
Foto: Kalle Jipp /Imago
Angelika Klüssendorf: Vierunddreißigster September. Roman. München, Piper. 2021,
224 Seiten, 22 Euro.
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