Im 14. und 15. Jahrhundert verbrachten viele Stadtbürger von Florenz mehrere Monate im Jahr auf dem Land. Der enge Austausch zwischen Stadt und Land führte zur veränderten Wahrnehmung des Raumes und zur Entwicklung perspektivischer Raumkonzepte.
Die Villa im Florentiner Umland bildete einen Rückzugsort für die merkantile Mittelschicht von Ladenbesitzern und Tucherzeugen, Notaren oder Bankiers. Ihr Idealtyp verdeutlicht komplexe geisteswissenschaftliche und sozialhistorische Entwicklungslinien: Die Leitidee der toskanischen Renaissance, Leben und Arbeiten, erzeugte ein stets labiles Gleichgewicht zwischen humanistischem Ideal und wirtschaftlichen Interessen. Die politische und wirtschaftliche Aneignung und Ausbildung der stadtnahen Kulturlandschaft des contado beeinflusste die Wahrnehmung von Natur. Jenseits einer Kunstgeschichte als Herrschaftsgeschichte werden in diesem Buch die Anwesen von Florentiner Familien neben denjenigen der Medici sowie anonyme Architekturen präsentiert. Themen sind Lage und Aussicht der Villen sowie gartenspezifische Fragen im Zusammenhang mit einer neuen Erfahrung der Natur. Hinzu treten zeitgenössische Texte zum Leben auf dem Land, literarische Zeugnisse und die bildnerischen Werke des 14. und 15. Jahrhunderts. Nicht zuletzt ein Katalog ausgewählter Florentiner Villen und Gärten lädt zu Erkundungsfahrten ein.
Dieses hier vorgestellte Buch ist zwar eine wissenschaftliche Arbeit, dennoch liest es sich leicht und führt den Geist auf angenehme Weise spazieren in eine Region, wo bis heute die Zitronen blühen.
[G. Klempert, KunstbuchAnzeiger]
Zahlreiche Bildtafeln sowie die präzisen Beschreibungen des Autors machen das Buch zu einem idealen Reiseführer für den anspruchsvollen Toskana-Touristen.
[Rainer Unruh, Auskunft - Zeitschrift für Bibliothek, Archiv und Information]
Villa mit Ausblick bevorzugt: Christoph Bertsch durchkämmt die florentinischen Landhäuser der Renaissance - und entdeckt ein Laboratorium der Moderne.
[Erwin Seitz, FAZ]
Wer die Gartenbaukunst Norditaliens besser kennenlernen möchte, sollte zu einem Buch aus dem Reimer Verlag greifen, der die Villen im Florentiner Umfeld als einen Rückzugsort für die merkantile Mittelschicht von Bankiers, Tuchproduzenten oder Händlern beschreibt, einen säkularen "hortus conclusus". (...) Der Band ist darüber hinaus auch ein Katalog ausgewählter Florentiner Villen und Gärten und lädt zu deren Besichtigungen und zu Erkundungsfahrten dieser neuen "Kunst" ein.
[Studiosus]
Der Kunsthistoriker Christoph Bertsch nimmt in seinem ungewöhnlichen Buch die landschaftlich-gärtnerische und architektonische Ausprägung der Villen der Toskana unter die Lupe. (...) Ein Album mit einschlägigen Pflanzenfotografien aus dem Gartenarchiv des Künstlers Lois Weinberger und eine Bildergeschichte mit Villenanlagen des contado beenden dieses eigenwillige, aber sehr lesenswerte Werk.
[Andreas Denk, Der Architekt]
Die Villa im Florentiner Umland bildete einen Rückzugsort für die merkantile Mittelschicht von Ladenbesitzern und Tucherzeugen, Notaren oder Bankiers. Ihr Idealtyp verdeutlicht komplexe geisteswissenschaftliche und sozialhistorische Entwicklungslinien: Die Leitidee der toskanischen Renaissance, Leben und Arbeiten, erzeugte ein stets labiles Gleichgewicht zwischen humanistischem Ideal und wirtschaftlichen Interessen. Die politische und wirtschaftliche Aneignung und Ausbildung der stadtnahen Kulturlandschaft des contado beeinflusste die Wahrnehmung von Natur. Jenseits einer Kunstgeschichte als Herrschaftsgeschichte werden in diesem Buch die Anwesen von Florentiner Familien neben denjenigen der Medici sowie anonyme Architekturen präsentiert. Themen sind Lage und Aussicht der Villen sowie gartenspezifische Fragen im Zusammenhang mit einer neuen Erfahrung der Natur. Hinzu treten zeitgenössische Texte zum Leben auf dem Land, literarische Zeugnisse und die bildnerischen Werke des 14. und 15. Jahrhunderts. Nicht zuletzt ein Katalog ausgewählter Florentiner Villen und Gärten lädt zu Erkundungsfahrten ein.
Dieses hier vorgestellte Buch ist zwar eine wissenschaftliche Arbeit, dennoch liest es sich leicht und führt den Geist auf angenehme Weise spazieren in eine Region, wo bis heute die Zitronen blühen.
[G. Klempert, KunstbuchAnzeiger]
Zahlreiche Bildtafeln sowie die präzisen Beschreibungen des Autors machen das Buch zu einem idealen Reiseführer für den anspruchsvollen Toskana-Touristen.
[Rainer Unruh, Auskunft - Zeitschrift für Bibliothek, Archiv und Information]
Villa mit Ausblick bevorzugt: Christoph Bertsch durchkämmt die florentinischen Landhäuser der Renaissance - und entdeckt ein Laboratorium der Moderne.
[Erwin Seitz, FAZ]
Wer die Gartenbaukunst Norditaliens besser kennenlernen möchte, sollte zu einem Buch aus dem Reimer Verlag greifen, der die Villen im Florentiner Umfeld als einen Rückzugsort für die merkantile Mittelschicht von Bankiers, Tuchproduzenten oder Händlern beschreibt, einen säkularen "hortus conclusus". (...) Der Band ist darüber hinaus auch ein Katalog ausgewählter Florentiner Villen und Gärten und lädt zu deren Besichtigungen und zu Erkundungsfahrten dieser neuen "Kunst" ein.
[Studiosus]
Der Kunsthistoriker Christoph Bertsch nimmt in seinem ungewöhnlichen Buch die landschaftlich-gärtnerische und architektonische Ausprägung der Villen der Toskana unter die Lupe. (...) Ein Album mit einschlägigen Pflanzenfotografien aus dem Gartenarchiv des Künstlers Lois Weinberger und eine Bildergeschichte mit Villenanlagen des contado beenden dieses eigenwillige, aber sehr lesenswerte Werk.
[Andreas Denk, Der Architekt]
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.02.2013Hier wird man gern zum Seelenpflegefall
Villa mit Ausblick bevorzugt: Christoph Bertsch durchkämmt die florentinischen Landhäuser der Renaissance - und entdeckt ein Laboratorium der Moderne
Ein Landhaus, sollte man meinen, sei für den Städter nichts weiter als eine beschauliche Einrichtung, um sich dort von Zeit zu Zeit von urbaner Hektik zu erholen. Christoph Bertsch gibt sich mit dieser Anschauung nicht zufrieden und dringt tiefer in die Geschichte der ländlichen Villa ein. Der Kunsthistoriker, welcher in Innsbruck und Florenz lehrt, beschränkt sich nicht auf die kunstgeschichtliche Betrachtung, sondern wählt einen interdisziplinären Ansatz, um die Villa auch als wirtschaftliches, politisches und soziologisches Phänomen zu verstehen.
Man könnte bei der Erörterung der Villa den historischen Bogen bis in die klassische Zeit des antiken Athen spannen, als dort die wohlhabenden Bürger nach den Perserkriegen begannen, ihre Landgüter mit komfortablen Wohnsitzen auszustatten, um das Hin und Her zwischen Stadt und Land zum Bestandteil bürgerlich-humanistischer Lebenskunst zu machen. So weit geht Bertsch in seinem gut lesbaren und quellenreichen Buch nicht zurück. Er richtet sein Augenmerk auf eine andere, nicht minder berühmte Periode des - mit Hans Baron zu reden - Bürgerhumanismus: auf Villa und Garten im florentinischen Landgebebiet am Übergang vom Mittelalter zur Renaissance.
Seit etwa 1250 nahmen die Florentiner für sich in Anspruch, so etwas wie eine historische Mission zu erfüllen - die Wiedergeburt der freiheitlichen Stadt, des Bürgersinns und der Kreativität, des Unternehmertums wie des Humanismus, der Künste und der Wissenschaften. Das florentinische Landgebiet vergrößerte sich; vermögende Bürger kauften dem ritterlichen Feudaladel die Landgüter ab und verwandelten die wehrhaften Ansitze in bequeme Wohnungen mit Gärten und florierender Landwirtschaft. Die neuen bürgerlichen Herren zeigten Flagge auf dem Land. Es waren nicht nur die reichen Fernhandelskaufleute und Bankiers, die dem Zug zum Land folgten, sondern alle Bürger, die Steuern zahlten, auch die gutverdienenden Handwerker und Krämer, ebenso die neue Schicht der akademisch Gebildeten, der Notare, Ärzte und Apotheker, der Gelehrten und Dichter.
Für Bertsch wurde Florenz mit seinem Umland zu einem "Laboratorium der Moderne". Durch den Aufenthalt auf dem Land und die Arbeit in den Gärten veränderte sich das Verhältnis zur Natur. Diese verlor ihren bedrohlichen oder magischen Charakter und erschien selbst als etwas Natürliches, als ein Element, das sich nutzbar machen und verschönern ließ. Während der alte ritterliche Adel und der Klerus eher einem heroisch-magischen Weltbild anhingen, verbündete sich der rechnende Kaufman mit dem gebildeten Humanisten, welcher die Natur natürlich nahm, desgleichen die republikanisch-bürgerliche Ordnung pries und die Lebenskunst lehrte: tüchtig arbeiten, gut leben! Die ländliche Villa wurde für diese sozialen Aufsteiger, für den Kaufmann und den Humanisten, zum verbindenden Forum par excellence. Bereits Boccaccio verlegte um 1350 die Gesprächsrunden in seinem legendären "Decameron" in die Gärten florentinischer Landhäuser. Hier war der freiheitliche Ort, um über neue Formen des Zusammenlebens und der Amouren zu reden. Die Villen wurden förmlich zu Akademien. Cosimo de Medici schrieb um 1450 an den Humanisten Marsilio Ficino: "Zur Villa in Careggi bin ich nicht gekommen, um die Felder zu bestellen, sondern um die Seele zu pflegen. Komm so bald wie möglich zu uns, Marsilio. Bring Platons ,De summo bono' mit."
Cosimo, der die politischen Fäden in Florenz zog, war sich sonst nicht zu schade, selbst im Weinberg zu arbeiten und die Reben zu schneiden. Nutz- und Ziergärten sowie kultivierte Landwirtschaft sollten rings um die Villa ineinander übergehen. Es gab für ihn keinen schöneren Ausblick als jenen auf die eigenen Gärten, Olivenhaine, Weinberge und Getreidefelder. Der ländliche Besitz war ohnehin auch eine Absicherung gegenüber den eigenen riskanten Bank- und Handelsgeschäften. Obwohl steinreich, verzichtete er darauf, seine Landhäuser äußerlich prunkvoll zu schmücken. Er wollte sich den Anschein geben, Bürger unter Bürgern zu sein, wenngleich er Primus inter Pares war.
Das florentinische Landhaus blieb lange Zeit nach außen hin eher kubisch schlicht. Dem Ideal nach sollte es einen schönen Ausblick bieten, am besten nach Süden oder Osten ausgerichtet und geschützt gegenüber Wind und Wetter. Willkommen war eine kühle Quelle im Garten oder ein plätschernder Brunnen. Das Nebeneinander von Nutz- und Ziergärten erschien obligat: belebende Kontraste - Natürliches und Kunstvolles, Gemüse- und Kräuterbeete neben Rasenflächen, Rosen und zugeschnittenen Buchsbäumen. Es entstanden axiale Anlagen mit perspektivischen Blicken, ähnlich wie zur selben Zeit in der florentinischen Malerei. Doch nach 1530 war es damit vorbei. Die Medici stiegen zu Herzögen und Großherzögen auf und wollten nicht länger Bürger unter Bürgern sein.
ERWIN SEITZ
Christoph Bertsch: "Villa, Garten, Landschaft". Stadt und Land in der florentinischen Toskana als ästhetischer und politischer Raum.
Gebr. Mann Verlag, Berlin 2012. 319 S., geb., 24,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Villa mit Ausblick bevorzugt: Christoph Bertsch durchkämmt die florentinischen Landhäuser der Renaissance - und entdeckt ein Laboratorium der Moderne
Ein Landhaus, sollte man meinen, sei für den Städter nichts weiter als eine beschauliche Einrichtung, um sich dort von Zeit zu Zeit von urbaner Hektik zu erholen. Christoph Bertsch gibt sich mit dieser Anschauung nicht zufrieden und dringt tiefer in die Geschichte der ländlichen Villa ein. Der Kunsthistoriker, welcher in Innsbruck und Florenz lehrt, beschränkt sich nicht auf die kunstgeschichtliche Betrachtung, sondern wählt einen interdisziplinären Ansatz, um die Villa auch als wirtschaftliches, politisches und soziologisches Phänomen zu verstehen.
Man könnte bei der Erörterung der Villa den historischen Bogen bis in die klassische Zeit des antiken Athen spannen, als dort die wohlhabenden Bürger nach den Perserkriegen begannen, ihre Landgüter mit komfortablen Wohnsitzen auszustatten, um das Hin und Her zwischen Stadt und Land zum Bestandteil bürgerlich-humanistischer Lebenskunst zu machen. So weit geht Bertsch in seinem gut lesbaren und quellenreichen Buch nicht zurück. Er richtet sein Augenmerk auf eine andere, nicht minder berühmte Periode des - mit Hans Baron zu reden - Bürgerhumanismus: auf Villa und Garten im florentinischen Landgebebiet am Übergang vom Mittelalter zur Renaissance.
Seit etwa 1250 nahmen die Florentiner für sich in Anspruch, so etwas wie eine historische Mission zu erfüllen - die Wiedergeburt der freiheitlichen Stadt, des Bürgersinns und der Kreativität, des Unternehmertums wie des Humanismus, der Künste und der Wissenschaften. Das florentinische Landgebiet vergrößerte sich; vermögende Bürger kauften dem ritterlichen Feudaladel die Landgüter ab und verwandelten die wehrhaften Ansitze in bequeme Wohnungen mit Gärten und florierender Landwirtschaft. Die neuen bürgerlichen Herren zeigten Flagge auf dem Land. Es waren nicht nur die reichen Fernhandelskaufleute und Bankiers, die dem Zug zum Land folgten, sondern alle Bürger, die Steuern zahlten, auch die gutverdienenden Handwerker und Krämer, ebenso die neue Schicht der akademisch Gebildeten, der Notare, Ärzte und Apotheker, der Gelehrten und Dichter.
Für Bertsch wurde Florenz mit seinem Umland zu einem "Laboratorium der Moderne". Durch den Aufenthalt auf dem Land und die Arbeit in den Gärten veränderte sich das Verhältnis zur Natur. Diese verlor ihren bedrohlichen oder magischen Charakter und erschien selbst als etwas Natürliches, als ein Element, das sich nutzbar machen und verschönern ließ. Während der alte ritterliche Adel und der Klerus eher einem heroisch-magischen Weltbild anhingen, verbündete sich der rechnende Kaufman mit dem gebildeten Humanisten, welcher die Natur natürlich nahm, desgleichen die republikanisch-bürgerliche Ordnung pries und die Lebenskunst lehrte: tüchtig arbeiten, gut leben! Die ländliche Villa wurde für diese sozialen Aufsteiger, für den Kaufmann und den Humanisten, zum verbindenden Forum par excellence. Bereits Boccaccio verlegte um 1350 die Gesprächsrunden in seinem legendären "Decameron" in die Gärten florentinischer Landhäuser. Hier war der freiheitliche Ort, um über neue Formen des Zusammenlebens und der Amouren zu reden. Die Villen wurden förmlich zu Akademien. Cosimo de Medici schrieb um 1450 an den Humanisten Marsilio Ficino: "Zur Villa in Careggi bin ich nicht gekommen, um die Felder zu bestellen, sondern um die Seele zu pflegen. Komm so bald wie möglich zu uns, Marsilio. Bring Platons ,De summo bono' mit."
Cosimo, der die politischen Fäden in Florenz zog, war sich sonst nicht zu schade, selbst im Weinberg zu arbeiten und die Reben zu schneiden. Nutz- und Ziergärten sowie kultivierte Landwirtschaft sollten rings um die Villa ineinander übergehen. Es gab für ihn keinen schöneren Ausblick als jenen auf die eigenen Gärten, Olivenhaine, Weinberge und Getreidefelder. Der ländliche Besitz war ohnehin auch eine Absicherung gegenüber den eigenen riskanten Bank- und Handelsgeschäften. Obwohl steinreich, verzichtete er darauf, seine Landhäuser äußerlich prunkvoll zu schmücken. Er wollte sich den Anschein geben, Bürger unter Bürgern zu sein, wenngleich er Primus inter Pares war.
Das florentinische Landhaus blieb lange Zeit nach außen hin eher kubisch schlicht. Dem Ideal nach sollte es einen schönen Ausblick bieten, am besten nach Süden oder Osten ausgerichtet und geschützt gegenüber Wind und Wetter. Willkommen war eine kühle Quelle im Garten oder ein plätschernder Brunnen. Das Nebeneinander von Nutz- und Ziergärten erschien obligat: belebende Kontraste - Natürliches und Kunstvolles, Gemüse- und Kräuterbeete neben Rasenflächen, Rosen und zugeschnittenen Buchsbäumen. Es entstanden axiale Anlagen mit perspektivischen Blicken, ähnlich wie zur selben Zeit in der florentinischen Malerei. Doch nach 1530 war es damit vorbei. Die Medici stiegen zu Herzögen und Großherzögen auf und wollten nicht länger Bürger unter Bürgern sein.
ERWIN SEITZ
Christoph Bertsch: "Villa, Garten, Landschaft". Stadt und Land in der florentinischen Toskana als ästhetischer und politischer Raum.
Gebr. Mann Verlag, Berlin 2012. 319 S., geb., 24,95 [Euro].
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