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Produktdetails
  • Verlag: Kohlhammer
  • Seitenzahl: 300
  • Abmessung: 290mm
  • Gewicht: 2420g
  • ISBN-13: 9783170138681
  • Artikelnr.: 26373059
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.04.1996

Zwischen Luxus und Askese
Ein Bildband zur Villenarchitektur in Amerika

Als Keimzelle der modernen Architektur gilt ihren Anhängern wie ihren Gegnern die Fabrik. Daß mit gleichem Recht die Villa als Pionierbau der Moderne bezeichnet werden kann, stört beide Denkweisen. Denn Villen sind mit dem Leitbild vom sozialen Massenwohnungsbau als Jahrhundertleistung ebenso unvereinbar wie mit dem Schreckensbild von der "Wohnmaschine". Doch ging die architektonische Reform der Jahrhundertwende, aus der kurz darauf die Klassische Moderne wuchs, vom Villenbau aus: Hermann Muthesius in Deutschland, Frank Lloyd Wright in Amerika entwarfen für ihre wohlhabenden Auftraggeber Landhäuser, deren prätentiöse Kubik das Rüstzeug lieferte, als es bald darauf darum ging, die Kuben des Massenwohnungsbaus auch ästhetisch zu bewältigen.

Frank Lloyd Wrights "Prairie Houses" beflügelten um 1900 vor allem die deutschen Architekten. Vor dem aufkommenden Faschismus flohen dann viele von ihnen dorthin, wo einige ihrer europäischen Kollegen schon das Ursprungsland modernen freiheitlichen Bauens gefunden hatten: Nach Rudolph Schindler oder Eliel Saarinen bauten auch Walter Gropius und Mies van der Rohe Villen für die Reichen der Neuen Welt.

Es war ein Arbeiten in anderer Atmosphäre. In Europa und Deutschland vollzog sich modernes Bauen als zeitweise lebensgefährlicher Kampf der Ideologien, in Amerika hatte die Zeitschrift "Ladies' Home Journal" die Bauten und Ideen Frank Lloyd Wrights populär gemacht. Die grundsätzlich andere Sichtweise der amerikanischen Gesellschaft, der allgemeingültige - und verfassungsrechtlich verankerte - Vorrang von Individualität und Glücksstreben begünstigte einen hierzulande undenkbaren, bis an die Grenze des Absurden experimentierfreudigen Villenbau. So konnte 1946 Mies van der Rohes transparentes, auf und zwischen Stützen schwebendes "Haus Farnsworth" entstehen, in dem der Architekt die Summe seiner zwischen Luxus und Askese changierenden Moderne lieferte. Drei Jahre später folgte das "Glass House" seines Meisterschülers Philip Johnson, der das Vorbild zur Parodie übertrieb.

Privates Engagement fördert in Amerika Bildung und Wechsel der Architekturstile. So kann der Architekturhistoriker Kenneth Frampton in seinem opulenten Bildband eine chronologische Reihe amerikanischer Villen vorstellen, in der alle Stilvarianten dieses Jahrhunderts in "Meisterwerken" vertreten sind. Die Bandbreite reicht von den "Prairie Houses" und den Bauten der Immigranten über Louis Kahns grobe hölzerne Container im Haus Korman (1971) und Peter de Brettevilles zur gläsern-stählernen Wohnfabrik stilisierten Villa von 1975 bis hin zu Antoine Predocks postmoderner Collage des Hauses Fuller (1986), in dem Pueblo und Pyramide koalieren.

Die Architektengruppe Arquitectonia baute 1978 das "House Spear" in Miami. Der Bau basiert auf einer Idee des holländischen Architekten Rem Kohlhaas. Ihm verdankt sich offenkundig auch der serielle Duktus des Ensembles, der sich in Glasbausteinen und schmucklos-scharfkantigen Wänden äußert. Eine Hommage an Bauhaus-Traditionen ist auch das lichte Innere mit rasterartigen Wandschichten und Raumfolgen, mit verglasten Sprossenwänden, schlanken Pfeilerfolgen und Rampen, die von relingartigen Brüstungen begleitet werden. Den amerikanischen Kontrapunkt setzt die Inszenierung von Effekten: Auf unserer Abbildung blickt das dramatisch in die kahle Wandfläche komponierte Bullauge in das Wasser des dahinter eingetieften Swimmingpools. Darüber verdoppelt das Netzwerk der Glasbausteine die Sonnenreflexe der Wasseroberfläche. In Richard Meiers Frankfurter und Ulmer Museumsbauten strahlte rund zehn Jahre später diese entideologisierte Moderne auf die Alte Welt zurück. DIETER BARTETZKO

Kenneth Frampton: "Villen in Amerika". Meisterwerke der Moderne. Kohlhammer Verlag, Stuttgart 1995. 300 S., 344 Abb., geb., 168,- DM.

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