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Inszenierte FreizeitkulturNirgendwo sonst in der Bundesrepublik verdichtet sich der Reichtum derart kleinräumig wie am Ostabfall des Taunus, zwischen Königstein, Kronberg und Bad Homburg vor der Höhe. An den 'Millionärshügeln' bildete sich bereits im 19. Jahrhundert eine Villen- und Gartenlandschaft heraus, die den Vergleich mit dem Starnberger See und Berliner Grunewaldgebiet nicht zu scheuen braucht. Die Kulturlandschaft des Vordertaunus wird mit diesem Werk erstmals umfassend gewürdigt.In einem Panorama fächert der Autor die Bedingungen auf, die zur Entdeckung und Erschließung der…mehr

Produktbeschreibung
Inszenierte FreizeitkulturNirgendwo sonst in der Bundesrepublik verdichtet sich der Reichtum derart kleinräumig wie am Ostabfall des Taunus, zwischen Königstein, Kronberg und Bad Homburg vor der Höhe. An den 'Millionärshügeln' bildete sich bereits im 19. Jahrhundert eine Villen- und Gartenlandschaft heraus, die den Vergleich mit dem Starnberger See und Berliner Grunewaldgebiet nicht zu scheuen braucht. Die Kulturlandschaft des Vordertaunus wird mit diesem Werk erstmals umfassend gewürdigt.In einem Panorama fächert der Autor die Bedingungen auf, die zur Entdeckung und Erschließung der Landschaft geführt haben. Hierzu gehören die Entwicklung einer Malerkolonie, das Vorhandensein von Heilquellen als frühe Ansätze des Kurwesens und schließlich auch die nahe Lage zu Frankfurt, die erst die finanziellen Ressourcen zur Entstehung dieser einzigartigen Siedlungsstruktur hervorgebracht haben. Bei der Entstehung und Verdichtung dieser Villenlandschaft spielte Schloss Friedrichshof, der Witwensitz der Kaiserin Friedrich, eine zentrale Rolle. Jenes englische "country home" wird zu einem Anziehungspunkt der vornehmen Gesellschaft und zum Katalysator des Villenbaus.Mit seinen zahllosen und zauberhaften Bildern, historischen Dokumenten, handschriftlichen Briefen, Grundrissplänen und bauzeitlichen Luftaufnahmen wird das Buch selbst zum Rückzugsort (zum otium) von der ermüdenden und lärmigen Welt.
Autorenporträt
Johannes Martin Müller war bis Dezember 2021 als wissenschaftlicher Volontär beim Landesamt für Denkmalpflege Hessen. Er studierte an der Universität Passau gymnasiales Lehramt mit den Fächern Geographie und Germanistik. Im Anschluss folgte das Masterstudium der Historischen Geographie an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg. Als qualifizierter Kulturlandschaftsexperte forscht Müller seit vielen Jahren zum Themenkomplex großflächiger Villenlandschaften, u. a. am Starnberger See, am Taunusrand bei Frankfurt am Main und im Berliner Grunewald.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.02.2022

Freilichtmuseum der Belle Epoque

KRONBERG Die Villenlandschaft des Vordertaunus, als Sommerfrische der Frankfurter Großbürger entstanden, hat sich erhalten. Ihr Ruf trägt bis in die heutige Zeit.

Selbst dem flüchtigen Besucher fallen in Königstein und Kronberg die prächtigen Häuser auf, die von früherem Wohlstand künden. Mit Balkonen und Loggien, im Landhausstil oder scheinbar von einem Schweizer Urlaubsort hierher versetzt. Andere, wie die an ein Barockschloss erinnernde Villa von Adolf Gans in Königstein, würde man hingegen kaum als Werk eines privaten Bauherrn deuten. Oder als Ferienwohnung für den Sommer, wie man die burgartige Villa Andreae etwas verkürzt nennen könnte. Das markante Bauwerk tritt wie eine besser erhaltene Variante in Konkurrenz zur Ruine der Königsteiner Festung.

Es sind nicht nur gute Luft und schöne Aussicht mit bewaldeten Hügeln im Rücken, für die der Vordertaunus seit mehr als 100 Jahren bekannt ist. Damals wie heute gilt er als bevorzugter Wohnort der Reichen, und Bezeichnungen wie "Wohlstandsbalkon", "Beletage Frankfurts" oder "Millionärshügel" verbinden topographische Lage mit sozialem Status. Wie es dazu gekommen ist, lässt sich einem neuen Buch entnehmen, das sich dem Thema "Villen und Landhäuser im Vordertaunus" widmet. Dabei macht eine Beschreibung der Architektur den geringsten Teil aus.

Autor Johannes Martin Müller hat diese Kulturlandschaft im Rhein-Main-Gebiet, so der Untertitel, für seine Masterarbeit als Historischer Geograph an der Universität Bamberg untersucht. Die Altkönigvorstufe ist die äußere Bedingung für den "Wohlstandsbalkon": ein Sockel vor dem Taunuskamm, auf dem Königstein und Kronberg liegen. Für den sozialen Status hat er neben der Literatur über das Frankfurter Großbürgertum, das Ende des 19. Jahrhunderts den Taunus als Wohnort für sich entdeckte, auch statistische Quellen ausgewertet. Das "Jahrbuch der Millionäre" in Preußen etwa zeigt, woher der besondere Ruf kommt.

1911 lassen sich 29 Vermögensmillionäre in Bad Homburg, Kronberg und Königstein nachweisen, davon 20 in den beiden letztgenannten Orten. Ganz überwiegend handelte es sich um Bankiers, nur drei Adlige sind darunter. Marie Adelheid Großherzogin von Luxemburg, die das heute als Amtsgericht genutzte Schloss in Königstein bewohnte, steht dabei mit einem Vermögen von 55 Millionen Mark an zweiter Stelle. Den Spitzenplatz nimmt Freifrau Mathilde von Rothschild ein. Die bekannten Frankfurter Bürgernamen finden sich auch in Listen mit den ersten Telefonanschlüssen im Vordertaunus oder den amtlich eingetragenen Luxuswagen. Auf Bankier Carl von Grunelius waren gleich drei zugelassen.

Zum Ruf Kronbergs als romantischer Sehnsuchtsort haben die Künstler der Malerkolonie beigetragen, während sich Königstein mit der Kaltwasserkur einen Namen machte. Ein weiterer Grund für den Boom der erhöhten Lage macht Müller in Frankfurt aus: Die stadtnahen Villengebiete im Westen der Großstadt wurden von der mit der Industrialisierung einhergehenden Bebauung eingeholt. Für das Ideal des Landhauses musste man in den Vordertaunus ausweichen. Königstein und Kronberg sind nach Worten des Autors ein "Puzzleteil der Frankfurter Stadtgeschichte". Wobei er anhand der Adressbücher und Meldekarten nachweist, dass beide Städte vor allem als Sommerfrische zwischen Mai und Oktober genutzt wurden. Das geschah mit entsprechendem Aufwand. Der Maler Norbert Schrödl schilderte, wie die Familie im April 1911 mit sieben Möbelwagen in der Kronberger Villa ankam.

Auch wenn der Adel nicht die Hauptrolle beim Villenbau spielte, sorgte er für einen "Pull-Faktor". Schließlich hatte Kaiser Wilhelm II. in Bad Homburg seine Sommerresidenz. Seine Mutter Victoria, die sich nach dem Tod ihres Mannes Friedrich III. Kaiserin Friedrich nannte, schuf mit ihrem Witwensitz sowohl einen gesellschaftlichen Treffpunkt als auch ein bauliches Vorbild. Galt das heutige Kronberger Schlosshotel doch als "modernstes Haus Deutschlands" mit elektrischer Be- und Entlüftungsanlage. Auch großbürgerliche Haushalte verfügten vor dem Ersten Weltkrieg nicht nur über Luxuswagen, sondern auch über Zentralheizung, Elektrizität, hydraulische Aufzüge und eine zentrale Vakuumreinigung: Anstelle des späteren mobilen Staubsaugers gab es in den Zimmern Anschlüsse an eine Unterdruckleitung. Ein derartiges System fand sich in der Villa Gans in Oberursel.

Solche technischen Aspekte, darunter auch eine eigene Wasserversorgung, zählen ebenso zum vollständigen Bild der Villenlandschaft wie der häufig von der Firma Siesmayer gestaltete Park und das Freizeitleben. 15 private Tennisplätze und vier öffentliche fand Müller, teils erst nach Hinweisen auf den schon für sich spektakulären Brieftauben-Aufnahmen des Kronberger Apothekers Julius Neubronner. Die "Spielplatzgesellschaften" für das gemeinsame Tennisspiel waren gesellschaftliche Treffpunkte. Ansonsten lud man typischerweise zum Tee oder zur musikalischen Soiree. Bei der dann unter Umständen Clara Schumann, damals Dozentin am Hoch'schen Konservatorium, die Hausmusik am Klavier begleitete.

Die Veröffentlichung des Buchs, das eine Gesamtschau auf die Villenlandschaft bietet, wurde vom Hochtaunuskreis und den Städten Königstein und Kronberg unterstützt. Vorgestellt wurde es im Kronberger Rathaus, wo Bürgermeister Christoph König (SPD) sein Büro im Speisezimmer der einstigen Villa Bonn hat. Sein Königsteiner Kollege Leonhard Helm (CDU) berichtete, dass seine Urgroßeltern ein Grundstück für den Bau der Königsteiner Villa Gans verkauft hatten. Und Landrat Ulrich Krebs (CDU) ist der aktuelle Nachfolger von Ernst Ritter von Marx, der nicht nur Teil des Großbürgertums war - den Bau der nach ihm benannten Bad Homburger Altstadtbrücke finanzierte er zu weiten Teilen selbst -, sondern mit der Schrift "Auf zum Taunus!" auch aktiv um Neubürger geworben hatte.

Es sind nicht die einzigen Kontinuitäten. Viele der Villen sind als Hotel, Restaurant oder öffentlicher Veranstaltungsraum zugänglich. Autor Müller sprach daher von einem "Freilichtmuseum der Belle Epoque". Zugleich aber zählt der Vordertaunus noch immer zu den kaufkräftigsten Gegenden in Deutschland und rangelt mit der Gegend am Starnberger See um die Spitzenposition. Über die hat Müller übrigens seine Staatsexamensarbeit geschrieben. bie.

Johannes Martin Müller: Villen und Landhäuser im Vordertaunus. Nünnerich-Asmus-Verlag, Oppenheim 2022.

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