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Der Band bietet eine historische Rückschau auf die wechselvolle Geschichte zwischen der Etablierung eines Zentrums rabbinischer Gelehrsamkeit und der Ghettoisierung und Ermordung der Wilnaer Juden durch Hitler-Deutschland. Ein weiterer Fokus wird auf die wechselseitigen Einflüsse der Ost- und Westjuden zwischen Wilna und Berlin gelegt. Im Zuge der jüdischen Aufklärung (Haskala) waren es die sogenannten "Berliner", Maskilim, die die Wilnaer Juden für die Haskala begeistern wollten. Das Wilnaer Verlagswesen, das die Literatur aus Berlin ins Jiddische übersetzte, brachte diese Texte wiederum der…mehr

Produktbeschreibung
Der Band bietet eine historische Rückschau auf die wechselvolle Geschichte zwischen der Etablierung eines Zentrums rabbinischer Gelehrsamkeit und der Ghettoisierung und Ermordung der Wilnaer Juden durch Hitler-Deutschland. Ein weiterer Fokus wird auf die wechselseitigen Einflüsse der Ost- und Westjuden zwischen Wilna und Berlin gelegt. Im Zuge der jüdischen Aufklärung (Haskala) waren es die sogenannten "Berliner", Maskilim, die die Wilnaer Juden für die Haskala begeistern wollten. Das Wilnaer Verlagswesen, das die Literatur aus Berlin ins Jiddische übersetzte, brachte diese Texte wiederum der Wilnaer Leserschaft nahe. Umgekehrt wirkten sowohl die rabbinische Gelehrsamkeit und Einflüsse der Kabbala als auch moderne politische Strömungen von Wilna aus auf Berlin. Autorinnen und Autoren aus Litauen und Deutschland stellen ihre Forschungsprojekte vor und erörtern Fragen zu den bisher kaum betrachteten Wechselwirkungen der verschiedenen jüdischen, insbesondere jiddischen Kulturen in Berlin und Wilna zwischen Haskala und Holocaust. Mit Beiträgen von Christoph Dieckmann, Margret Heitmann, Elke-Vera Kotowski, Stephan Kummer, Mindaugas Kvietkauskas, Ruth Leiserowitz, Lara Lempert, Sarunas Liekis, Gertrud Pickhan, Julius H. Schoeps, Gudrun Schroeter, Sandra Studer, Irena Veisaite, Markas Zingeris
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 21.03.2017

Das Jerusalem
des Nordens
Eine Rekonstruktion des
Judentums in Vilnius
Lange Zeit konnte sich jüdisches Leben nirgendwo in Europa autonomer und von Verfolgungen unbelasteter entfalten als in den Provinzen des alten litauisch-polnischen Vielvölkerreichs, das seinen Untertanen seit dem Mittelalter ein hohes Maß an religiöser Toleranz eingeräumt hatte. Darunter erblühte die Stadt der vielen Namen, Sprachen, Völker und Kulturen – deutsch „Wilna“, polnisch „Wilno“, litauisch „Vilnius“, jiddisch „Vilne“ gerufen. Das jüdische Viertel der Stadt mit seinen annähernd 100 000 Bewohnern beherbergte bedeutende Bibliotheken, große Theater- und Filmbühnen und ein blühendes Presse- und Verlagswesen.
Mit der systematischen Auslöschung der litauischen und Wilnaer Juden hatten die Einsatzgruppen der Waffen-SS und ihre lokalen Helfer schon in den ersten Tagen und Wochen der Okkupation begonnen und waren dabei mit großer Grausamkeit vorgegangen. Für die wenigen Überlebenden sollte es in Vilnius aber auch nach dem Krieg keine Spuren jüdischen Lebens und keine Erinnerung an dessen Auslöschung mehr geben.
Denn was die Deutschen an jüdischen Einrichtungen und Gebäuden, an Ruinen der niedergebrannten Ghettos und selbst an Gräbern noch stehen gelassen hatten, wurde mit dem Beginn von Stalins Kampagne wider den „Kosmopolitismus“ von den Sowjets geschliffen und restlos eingeebnet. Wie die heute in Vilnius beheimatete Germanistin Irena Veisaitė als überlebende Zeitzeugin der Schoah in diesem verdienstvollen Band schildert, existierte sogar ein Befehl, alles an jüdischen Zeugnissen und schriftlich überliefertem Material „als Altpapier zu entsorgen“. Selbst die Grabsteine eines alten jüdischen Friedhofs wurden zu Stufen für die Freitreppe eines repräsentativen Amtsgebäude verarbeitet.
Das Buch versammelt die Dokumente einer Konferenz und versucht sich auf neuestem Forschungsstand, von einprägsamen fotografischen und bildkünstlerischen Illustrationen begleitet, um eine breite Rückschau auf die vielen Facetten eines einstmals blühenden jüdischen Lebens, von dem im Stadtraum des sprachlich wie ethnisch heute beinahe einheitlich litauischen Vilnius nur wenige Einsprengsel übrig geblieben sind, während sich die Litauer selbst unter nach wie vor gespaltenen Erinnerungen noch immer schwer mit dieser Vergangenheit tun und erst allmähliche Anfänge zu deren Aufarbeitung unternommen haben.
VOBR
Elke-Vera Kotowski, Julius H. Schoeps (Hrsg.): Vilne, Wilna, Wilno, Vinius. Eine jüdische Topografie zwischen Mythos und Moderne. Hentrich & Hentrich Verlag, Berlin 2017. 202 S., 22 Euro.
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"Das Buch breitet plastisch und plausibel verschiedene Versionen jüdischen Lebens in Vilnius vor mir aus, inklusive der Anfechtungen durch 'christlichen' oder 'deutschen', 'russischen' oder 'polnischen' Antisemitismus, Anfechtungen, die im Detail unterschiedlich [...] gewesen sein mögen, die sich aber wie ein roter Faden durch die Geschichte der Stadt und ihrer Bevölkerung ziehen" Fixpoetry, April 2017