Van Goghs künstlerisches Lebenswerk ist in bis dato unbekanntem Ausmaß ambivalent. Unmitttelbare Präsenz und sinnliche Wucht zeichnen seine Gemälde aus, die sich nähren von der liebevollen Offenheit des Malers allen Dingen, der Natur und den Menschen gegenüber. Diese Freude an geradezu naiver Identifikation mit der Welt verdüstert sich gleichwohl stets die tiefgründige Ahnung um die Letzten Dinge, um Vergänglichkeit und Tod. Nicht die unberührbare Gequältheit eines einsamen Visionärs wäre für sein Scheitern im Dasein und seine nachher um so rapider durchgeführte Einsetzung in Macht und Würden einer kulturellen Gegenwart verantwortlich zu machen, sondern eher genau das Gegenteil: van Goghs unermüdliches Streben nach Anerkennung nämlich, und sei es nur nach der Bestätigung jener Vorstellungen von genialischem Außenseitertum, die sich die Gesellschaft zurechtgelegt hatte. Wenn es ein Genie wider Willen gegeben hat, so hieß es Vincent van Gogh.