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Etwas soll anders werden - durch die revolutionäre Umwälzung gesellschaftlicher Zustände, durch die befreienden Kräfte einer Leidenschaft, durch die Betrachtung und Schaffung von Kunst, die der Geschichte enthoben ist, durch das Abwerfen der Last der Vergangenheit. Viscontis Filme sind Modelle für das Scheitern solcher Veränderungen, wo sie sich an Möglichkeiten ausrichten. Heißt es nicht schon bei Adorno, das Mögliche, nie aber das Wirkliche, versperre der Utopie den Platz? Wenn etwas also nicht dadurch anders wird, daß man im Wirklichen Möglichkeiten aufdeckt, wird dann etwas nicht dadurch…mehr

Produktbeschreibung
Etwas soll anders werden - durch die revolutionäre Umwälzung gesellschaftlicher Zustände, durch die befreienden Kräfte einer Leidenschaft, durch die Betrachtung und Schaffung von Kunst, die der Geschichte enthoben ist, durch das Abwerfen der Last der Vergangenheit. Viscontis Filme sind Modelle für das Scheitern solcher Veränderungen, wo sie sich an Möglichkeiten ausrichten. Heißt es nicht schon bei Adorno, das Mögliche, nie aber das Wirkliche, versperre der Utopie den Platz? Wenn etwas also nicht dadurch anders wird, daß man im Wirklichen Möglichkeiten aufdeckt, wird dann etwas nicht dadurch nur anders, daß ein Wirkliches anerkannt wird, eine bereits geschehene Veränderung? Ein Kunstwerk kann ein solches Wirkliches sein. Es geht also darum, sich zu den Filmen Viscontis wie zu Einsichten in Fleisch und Blut zu verhalten. Sie sind ein Wirkliches, durch dessen Anerkennung etwas anders wird.
In diesem Buch verbinden sich ästhetische, film- und handlungstheoretische Gedanken mit einer Untersuchung der Werke eines großen europäischen Regisseurs, der im November 2006 hundert Jahre alt geworden wäre. Über das Bild, das man sich von ihm zu Lebzeiten machte, hat er einmal ironisch angemerkt:"Dieser verrückte Visconti, er will wirklichen, echten Schmuck von Cartier, Wasserhähne, aus denen wirkliches, echtes Wasser fließt, wirkliches, echtes französisches Parfum in den Flakons, die auf dem Toilettentisch stehen, Leinen aus Flandern auf den Betten.
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Autorenporträt
Prof. Dr. Alexander García Düttmann (_ 1961 in Barcelona) ist ein deutscher Philosoph und Professor für Philosophische Ästhetik, Kunstphilosophie, Kulturtheorie und Kunsttheorie an der Universität der Künste in Berlin. Er studierte in Frankfurt am Main und Paris und lebte von 1993 bis 2013 in London. Dort war er zuletzt Professor für Philosophie und Visual Culture am Goldsmiths College London. Er lehrte auch an der Stanford University, University of Essex, Monash University, New York University, Middlesex University und am Royal College of Art.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.01.2008

Im Wahn des Mädchens Natalia
Warum schreibt Alexander García Düttmann über den Regisseur Luchino Visconti? Sein Buch verrät es nicht

Im letzten Absatz seiner Einleitung in die "Negative Dialektik" formuliert Theodor W. Adorno einen Gedanken über die Veränderung in der Geschichte: "Es ist das Mögliche, nie das Wirkliche, das der Utopie den Platz versperrt." Der Satz ist nicht leicht einzuholen. Für den Philosophen Alexander García Düttmann gibt es aber einen Weg zum Verständnis dieses Satzes: Er glaubt, dass die Filme von Luchino Visconti (1906 bis 1976) "diesen Gedanken zum Ausdruck bringen". Auf den ersten Blick klingt das plausibel: Wenn die Begriffe nicht unmittelbar evident sind, dann helfen vielleicht Bild und Ton und das narrative Medium Kino. Wie aber kann das funktionieren, dass das Werk eines italienischen Regisseurs, der anfänglich dem Neorealismus zugeordnet wurde, später aber in den Ruch der Dekadenz geriet, einen fast wie nebenbei geäußerten Gedanken eines deutschen Philosophen zum Ausdruck bringt?

Die methodischen Probleme, die García Düttmann sich mit diesem starken Ansatz seines Buches "Visconti - Einsichten in Fleisch und Blut" einhandelt, beschäftigen ihn eine Weile. Er weiß, dass Filme nicht in erster Linie dazu da sind, Begriffe zum Ausdruck zu bringen. Er muss zumindest ansatzweise erklären, wie in einem arbeitsteiligen Entstehungsprozess eines Films wie "Ossessione" nicht nur ein missliebiger Ehemann aus dem Weg geräumt wird und das neue Paar an der geteilten Schuld zerbricht, sondern auch der Gedanke zum Ausdruck gebracht wird, dass das Mögliche der Utopie den Platz versperrt. García Düttmann behilft sich dazu wiederum bei Adorno, bei dessen Philosophie der neuen Musik, und kommt zu einer Definition von Kunst als "Dinge, von denen man nicht weiß, was sie sind".

Wie sich dieser Begriff von Kunst als "Grenzfall der Intentionalität" auf das Kino anwenden lässt, würde weitere Überlegungen verdienen, die García Düttmann aber unterlässt. García Düttmann bleibt im strengen Sinne Philosoph, ihm geht es darum, im Kunstwerk den "filmischen Zirkel" nicht aufzubrechen. "Die Utopie der Kunst als Einsicht in Fleisch und Blut ist der Übergang vom ,Element' in die ,Bedeutung', der am Widerstand seine Wirklichkeit gewinnt." Alexander García Düttmann lehrt Philosophie am Goldsmith College in London. Er hat einen Kommentar zu Adornos "Minima Moralia" geschrieben, Derrida ins Deutsche übersetzt und mit einem Band über "Kunstende" die Breite seiner Interessen dokumentiert.

Der italienische Regisseur Visconti ist schon deswegen ein interessantes Objekt, weil sein Werk sich über die gesamte klassische Periode des europäischen Nachkriegskinos erstreckt. Er begann in Italien in den frühen vierziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts in einem Umfeld, aus dem sich kurz darauf der Neorealismus herausbildete. Später orientierte er sich zunehmend neu, er verlegte sich auf Literaturverfilmungen ("Der Fremde") und historische Stoffe ("Senso"), bevor er mit "Rocco und seine Brüder" noch einmal an den Neorealismus anknüpfte. Die späte Phase um 1970 ist durch eine Auseinandersetzung mit dem Faschismus bestimmt, wobei sich eine kulturanalytische Triebtheorie mit einem ausgeprägt ästhetizistischen Interesse verband: Sein Film über "Ludwig" bildet zusammen mit "Die Verdammten" und "Tod in Venedig" seine "Deutsche Trilogie".

Das OEuvre stellt eine Herausforderung dar für alle Interpreten. García Düttmann beansprucht für sein Buch einen "einheitlichen sachlichen Zugang", allerdings nicht so wie in der Vergangenheit, wo dieser Zugang "eher auf der Ebene von Stereotypen gesucht wurde, in klischierten Vorstellungen dessen, was marxistisches Engagement oder dekadenter Ästhetizismus bedeuten". García Düttmann hat gegen die Klischees allerdings nur Begriffe aufzubieten, die er erst aufwendig philosophisch herleitet, dann aber ganz konventionell verwendet. Gegen Ende des Buchs bringt er den Begriff der "Anerkennung" ins Spiel: "Das anerkennende Verhalten zu einem Ding, von dem man nicht weiß, was es ist, ist ein Machen, das dieses Ding hervorbringt und dabei etwas macht, was seinerseits eine Forderung nach Anerkennung erhebt." Wenig später heißt es über "La terra trema": In diesem Film "sind dem Versuch, die Veränderung als geschehene anzuerkennen, den man in dem Wegwerfen der Waagschalen, des Symbols der Ungleichheit, erblicken kann, allzu enge Grenzen gesetzt, als wäre die Ausrichtung an der Unterscheidung zwischen Möglichkeit und Wirklichkeit übermächtig: Wo die Veränderung geschehen ist, wo Maras Gestalt die Leinwand füllt, wird sie nicht gesehen."

Ähnlich unvermittelt bleiben Beobachtungen am Film und Operationen des Begriffs an einer anderen Stelle, die sich für den "einheitlichen sachlichen Zugang" gut anbietet: "Wenn das Mädchen Natalia in ,Le notti bianche' am Ende die hieratische Figur des fiebrig erwarteten Fremden im Schnee erblickt und den lieberen, aber biederen Büroangestellten stehenlässt, wird die Konkretheit des Möglichen, das die Wirklichkeit verewigt, von der Abstraktheit des Möglichen erdrückt, das dem Zuschauer wie eine Wahnvorstellung vorkommt." Hier würde ein herkömmlicher Interpret zuerst wohl fragen, welchen Status - zwischen Wunsch, Traum, Erinnerung, Fluchtphantasie - diese in Rückblenden erzählte Begegnung eines Mädchens mit einem Fremden hat. García Düttmann begnügt sich mit der Beobachtung, diese Szenen hätten "etwas Unwirkliches, als wäre die Darstellung die ihrer Wahrnehmung der Wirklichkeit".

Das eigentliche Manko dieses Buchs ist, dass nie deutlich wird, warum García Düttmann über Visconti schreibt. "Visconti. Einsichten in Fleisch und Blut" ließe sich vermutlich unter Einsetzung eines anderen Filmkünstlers nahezu identisch schreiben - das mag als Indiz für die Originalität der enthaltenen Philosophie deuten, könnte umgekehrt aber auch auf eine Epigonalität verweisen, die aus den Leerläufen der Dekonstruktion durch den Blick auf Filme auszubrechen versucht, an denen erst recht wieder nur das ermöglichte Gedankenspiel (und nicht der Widerstand der "Elemente") interessiert.

BERT REBHANDL

Alexander García Düttmann: "Visconti". Einsichten in Fleisch und Blut. Kulturverlag Kadmos, Berlin 2007. 208 S., geb. ,19,90 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Nicht unproblematisch findet Bert Rebhandl, dass Alexander Garcia Düttmann in seinem Buch über den italienischen Filmemacher Luchino Visconti methodologisch an ein Diktum Theodor W. Adornos anknüpft, nämlich dass "das Mögliche der Utopie den Platz versperrt". Der Autor vertrete die These, dass Viscontis filmisches Werk diesen Satz umsetzt, wobei ihm - er lehrt Philosophie am Goldsmith College in London - klar sein dürfte, dass sich "Begriffe" nicht ohne weiteres zu Filmen verarbeiten lassen, wie der Rezensent zu bedenken gibt. Außerdem findet er es zwar verdienstvoll, dass sich der Autor einen "einheitlichen, sachlichen Zugang" zu Viscontis Filmen vorgenommen hat, er muss aber feststellen, dass Garcia Düttmann sich dann statt der vermiedenen "Klischees" "konventionell verwendeter" Begriffe bedient, die er zudem erst mühevoll herleiten muss. Für die größte Schwäche des Buches hält Rebhandl, dass dem Leser unklar bleibt, warum ausgerechnet Visconti Gegenstand von Garcia Düttmanns Buch geworden ist und er kann sich des Eindrucks nicht erwehren, das Buch hätte fast genau so auch über einen anderen Filmregisseur geschrieben werden können.

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